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Einige Soldaten kamen zur Zeit des Krieges in ein Dorf und verlangten einen Wegweiser. Ein armer Taglöhner sollte mit ihnen gehen. Es war sehr kalt und schneite und wehte entsetzlich. Er bat die Bauern flehentlich, ihm einen Mantel zu leihen. Allein sie gaben ihm kein Gehör. Nur ein fremder alter Mann, der durch den Krieg aus seiner Heimat vertrieben worden war, und in dem Dorfe sich kümmerlich als Schmiedknecht nährte, erbarmte sich des Taglöhners und gab ihm seinen Mantel. Die Soldaten zogen fort und sieh! am späten Abende kam ein junger, schöner Offizier in prächtiger Uniform und mit einem Ordenskreuz an der Brust in das Dorf geritten, und ließ sich zu dem alten Manne führen, der dem Wegweiser den Mantel geliehen hatte. Der gutherzige Greis tat, als er den Offizier erblickte, einen lauten Schrei: O Gott! das ist ja mein Sohn Rudolf! rief er, eilte auf ihn zu und umfaßt ihn mit beiden Armen. – Rudolf hatte vor mehreren Jahren Soldat werden müssen und war wegen seiner vorzüglichen Geistesgaben, wegen seiner Rechtschaffenheit und Tapferkeit Offizier geworden. Er hörte nichts mehr von seinem Vater, der vormals in einem angesehenen Marktflecken Schmiedmeister gewesen war. Allein der Sohn hatte den alten Mantel erkannt, und aus der Erzählung des Wegweisers sich überzeugt, daß sein Vater nunmehr in diesem Dorfe sich aufhalte.
Vater und Sohn weinten vor Freuden, und alle Leute, die umher standen, weinten mit. Rudolf blieb die ganze Nacht hindurch bei seinem Vater, unterredete sich mit ihm bis an den frühen Morgen, gab ihm, bevor er weiter ritt, viel Geld und versprach, ferner für ihn zu sorgen. Die Leute aber sagten: Weil der alte Mann so barmherzig war, so hat sich Gott auch über ihn erbarmt und ihn seinen Sohn wieder finden lassen, der ihn aus aller Not errettet.
Wer sich erbarmet fremder Not,
Den segnet auch der liebe Gott.