Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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127. Das Porträt

Vor vielen hundert Jahren starb in einer großen Stadt des Morgenlandes ein Kaufmann, der ein ansehnliches Vermögen hinterließ. Man wußte zwar, daß er einen einzigen Sohn habe, der sich auf Reisen befand; allein niemand in der Stadt kannte den Sohn von Angesicht. Nach einiger Zeit kamen drei Jünglinge in der Stadt an, und jeder behauptete, daß er der einzige John und rechtmäßige Erbe sei. Der Richter ließ ein wohlgetroffenes Bildnis des Vaters bringen und sprach: wer von euch dreien das Zeichen, das ich hier auf der Brust des Bildes mache, mit einem Pfeile treffen kann, dessen soll die Erbschaft sein. – Der erste schoß und traf sehr nahe; der Zweite noch näher – der dritte aber fing, indem er zielte, an zu zittern, erblaßte, brach in Tränen aus, warf Pfeil und Bogen zur Erde und rief: Nein, ich kann nicht schießen; ich will lieber die ganze Erbschaft verlieren! – Nun sprach der Richter zu ihm: Edler Jüngling, du bist der wahre Sohn und der rechte Erbe; die andern zwei, die so gut geschossen haben, sind es nicht. Denn ein echter Sohn kann das Herz seines Vaters auch nicht einmal im Bilde mit einem Pfeile durchbohren.

O heil dem Kind, das seine Eltern liebt,
Um alles von der Welt sie nicht betrübt.


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