Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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87. Die Edelsteine

Ein Goldschmied mußte für eine vornehme Frau einen prächtigen Schmuck machen, zu dem sie ihm mehrere kostbare Edelsteine gab. Robert, sein Lehrjunge, hatte an den hellen, funkelnden Steinen von allen Farben große Freude und betrachtete sie sehr oft.

Mit einem Male bemerkte der Meister, daß ihm zwei der schönsten Steine fehlten. Er hatte den Lehrjungen im Verdachte und suchte in dessen Schlafkammer nach. Da fand er die Edelsteine in einem Loche, das sich über einem alten Kasten in der Mauer befand. – Robert beteuerte zwar, er habe die Steine nicht gestohlen; allein der Meister züchtigte ihn sehr hart, sagte, daß er das Henken verdient habe und jagte ihn fort. – Am andern Tage fehlte wieder ein Stein, und der Goldschmied fand ihn im nämlichen Loche. Nun gab er fleißig acht, wer doch die Edelsteine dahin verstecke. Da kam eine Elster, die der Lehrjunge aufgezogen und zahm gemacht hatte, auf den Arbeitstisch geflogen, nahm einen Edelstein in den Schnabel und trug ihn in das Mauerloch. Der Goldschmied bedauerte es nun herzlich, daß er dem armen Knaben unrecht getan habe. Er nahm ihn wieder an, behandelte ihn von nun an sehr gütig und hatte nie mehr so leicht auf jemand einen Argwohn.

Wer den Argwohn nicht bezwingt,
Sich und andern Kummer bringt.


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