Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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52. Die Henne

Brigitte, eine arme Spinnerin, saß eines Abends allein in ihrer Stube und spann. Da kam bei der offenen Tür mit langsam bedächtigen Tritten eine Henne herein, die der Nachbarin gehörte. Brigitte machte geschwind die Türe zu, fing die Henne und trug sie in ihr Kämmerlein unter dem Dache. Hier will ich sie heimlich füttern, sagte sie, so bekomme ich nach und nach einige Dutzend Eier. Wirklich legte die Henne sogleich am nächsten Morgen ein Ei. Allein einen Umstand hatte Brigitte zu ihrem großen Schrecken nicht vorher bedacht, sobald das Ei gelegt war, fing die Henne an, mächtig zu gackern. Sie sprang eilig die Stiege hinauf, sie zum Schweigen zu bringen. Doch die Nachbarin hatte das Gackern bereits gehört, trat mit einem Mal laut schmähend in die Kammer, und nahm ihre Henne wieder mit sich fort. Brigitte hatte von der reichen Nachbarin bisher öfter Mehl, Butter und Eier geschenkt bekommen; allein von nun an erhielt sie nicht mehr das geringste und kam überdies noch in den üblen Ruf einer Diebin.

Unrechtes Gut duld' nicht im Haus,
Es ruft oft selbst den Diebstahl aus.


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