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7.
Wieder bei Mondschein.

Auf dem Heimwege in der Nacht ritt Ferdinand schnell bis zum nächsten Dorfe und durch das Dorf. Seine Fuchsstute trabte brillant. Dann wurde aus dem scharfen Trab langsamer, aus dem langsamen Dribbel, aus dem Dribbel Schritt. Leise knarrte das Sattelzeug, der Fuß wiegte sich im Bügel ... »Prr! Madam, erst wollen wir uns mal einen andern Glimmstengel in's Gesicht stecken!« Mehr als je hatte unser gute Landmann in diesen Tagen empfunden, daß er leider so gar kein »Salonmensch«, aber unter Umständen konnte er auch den »Feinen herausbeißen«, wie man sieht. Das kluge Thier stand sofort, ohne einen Huf zu rühren, nur der Kopf ging sachte herum. Es war mondhell, die Falten in dem blank gestriegelten schlanken Halse glänzten, die Ohren spitzten sich, wie um zu lauschen, was eigentlich los war, und die Zunge kam lang hervor und leckte um's Maul; sie wollte auch einmal die Lage wechseln und gleichsam in Erinnerung bringen, daß sie doch nicht nur geschaffen, einzig und allein um sich wund drücken zu lassen von dem harten eisernen Gebiß.

»So – jetzt brennt sie.« Der weggeworfene Cigarrenstummel erlosch im Graben am Wege, Ferdinand ritt weiter und »gab seinen Gedanken Audienz« ... »Er ist ganz mein Mann! Und gelang mir, es ihm so ziemlich gleich zu thun, noch ehe ich ihn gekannt – warum nicht, nun ich ihn kenne, nun ich weiß, was ich will, und mit aller Kraft meinem Vorbilde nachstrebe. Als er kaufte, haben sie auch geschrieen über die Knickerei des Alten; mit ein paar tausend Thaler mehr hätte der Sohn die schönste polnische Herrschaft haben können, statt der Sandbüchse und 'ner Kathe, nichts Grünes herum als ein Krautgarten, 'n paar Kruschkenbäume und saure Kirschen. Nun wer nur gut pflügt, gut düngt und gut schütteln kann, der ackert die Goldkönner auch aus dem schieren Sande heraus und schüttelt sich die Pomeranzen zur Bowle von den Holzbirnenbäumen. Wo früher die Hetzjagden über's Feld gingen, ohne einen Halm zu knicken, weil keiner da war oder nur alle drei Schritt lang so ein welkes miseriges Ding wie abgedörrtes Zittergras, – baut er jetzt einen Roggen, wie sie ihn auf dem schweren schliffigen Boden der Herrschaft mit Schloß und Park nicht zu Wege bringen, wenn sie ihn auch umgraben und hacken, und die Saat mit der Gießkanne begießen. Wo jetzt wohlgenährte Heerden werden, gediehen keine anderen Futterkräuter als rothe und gelbe unsterbliche Katzenpfötchen, Hundskamille und Disteln. Das ganze lebende Inventarium bestand aus Schindmähren im verrotzten Kutschstall, Gänsen in der Klatke, die fett werden sollten ohne Hafer blos vom Sitzen, einer Ziege, zwei Ferkeln, vier verstrippelten alten Kühen und einem Haufen halb verhungerter Schafe, die nur immer sehnsüchtig nach dem nächsten Bergen sahen, ob sie nicht bald da hinaufgetrieben und beim Heidenstein dem Pan geopfert würden. Für menschliche Kinnladen war es keine Möglichkeit mehr, ihre irdische Hülle klein zu kriegen.«

»Ja der Mann hat schon was geschafft – er sagte aber auch: »was nicht sauert, das süß't nicht« – scheute keine Mühe, war von früh bis spät auf den Beinen und schrie nicht blos auf dem Hofe herum; er sah selbst nach, ob die Leute thaten, was befohlen war. Oder er sagte: »gieb dem Inspector 'n Thaler, dem Aufseher 'n Gulden, dem Großknecht 'n halben Gulden, dem Paßlack 'n Düttchen und thu's selbst, dann geschieht es gewiß. Er sagte aber nicht: »Jung', segg' dem Jung', dat Jung' dem Jung' seggt, dat Jung' de Schwien' utjeggt.« Er spannte nicht die Pferde hinter den Wagen und zäumte nicht den Esel mit dem Schwanz. Vor allen Dingen, er wollte nicht groß anfangen und klein aufhören, lieber klein anfangen und groß aufhören. Und was für ein klarer Kopf – was für ein scharfer Blick! Ueber Alles hat er ein Urtheil, nur nicht über Romane und Gedichte, da kann man nicht viel von ihm profitiren, ich brauche mich nicht vor ihm zu schämen: seine wie meine Aesthetik trägt die Katze auf dem Zagel weg. Wenn die Martha spielt und singt, das hört er doch gerne – ich aber auch, ebenso gerne, als wenn ich mich auf meinem Wimmerholz begleite zu: »einsam bin ich nicht alleine« ... »zum Scherenschleifer« ... »dem Mädchen von sechzehn Jahren« ... und: »komm, lieber Schatz, komm vor die Thür« ... Je gelehrter, je verkehrter! Cicero, Cornelius Nepos und Homer sind seine intimsten Jugendfreunde auch nicht gewesen.

Haben die Römer und Griechen ihr Land bestellt und ihre Schäfchen geschoren ohne unsern Rath und Beistand – was brauchen wir erst in ihren alten Schwarten nachzuschlagen, auf welchem Wollmarkt jetzt die besten Preise gezahlt werden, und wie wir die meisten Procente Schnaps aus unseren Kartoffeln ziehen. Erscheint aber ein neues gutes Buch nicht über Perser und Meder, nicht über Alexander den Großen und Cäsar, sondern über den alten Fritz, über unsere Verfassungsfrage, über die Freiheitskriege und so was daher, das schafft er sich an und stellt es nicht zur Parade auf das Bücherbrett, er liest es, weiß in unserer Geschichte Bescheid, besser wie mancher Studirte, und wird immer wieder in den Landtag gewählt. Warum sollen nicht auch Leute darin sitzen, die das Land kennen, und was dem Lande noth thut, und nicht blos sich satt sprechen wollen? Nur die ständische Uniform paßt und behagt ihm nicht. »Was thut ein schlichter Ackerbauer mit Generalstroddeln an den Schultern und weißem Casimir bis auf das Fußblatt? Stulpenstiefel, lederne Reithosen und ein grauer Rock, im Winter warm, im Sommer kühl, sind praktischer. »Soll ich das feine blaue Tuch mit den blanken Knöpfen, sorgsam in Seidenpapier gewickelt, blos zum Mottensalat einmachen, oder soll ich die Postillonsjacke ohne Troddeln auftragen im Hause, auf dem Hofe und in der Wirthschaft?«

Unser Reiter war nun an der Waldschenke und ritt dicht bei einer Krippe vorüber, in der ein Bund Heu lag. Wahrscheinlich hatten Fuhrleute hier noch spät Abends gefuttert, die weiter fuhren, ehe der Mond aufging, und so wurde das Heu im Finstern vergessen. Jetzt bei dem hellen Mondlicht blieb es nicht unbemerkt von der Fuchska, die wenig oder nichts mehr spürte von der Zügelführung, und das duftige Heu lag wie auf dem Präsentirteller vor ihr – sie konnte nicht widerstehen. Kaum aber kitzelten die ersten Halmspitzen ihre Nase – die Zähne hatten noch nicht mal recht zugepackt, so machte sie einen Satz – einen gewaltigen Satz. Doch der Reiter saß fest trotz seiner Träumereien, die eben zu dem Schluß gelangt: »und dieser Humor! Martha ist ganz der Vater.«

War das nun ein Grund, so tief aufzuseufzen? Oder war das ein Grund, Fuchschen so strenge zu strafen für den kleinen wilden Appetit, für das bischen Heunaschen? Genug – »Madam« hatte ihren Denkzettel dahin, und einen dreidoppelten noch dazu: den Ruck im Maul, ein paar kalt Eisen in die Weichen und über den Schenkel einen Riß, der wie lebendiges Feuer brannte, obwol die Reitpeitsche immer noch das feine seidene Flöckchen an der Spitze hatte und im Uebrigen von Fischbein war. Und so sprengte Ferdinand im Galopp davon ... Eilte es denn so sehr an den einsamen eigenen Herd?

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