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14.
Der junge Herr und die Gesellschaft.

»Eine Empfehlung vom Herrn und der Frau, und sie ließen sich die Ehre ausbitten vom jungen Herrn Karl heute zu Kaffee, Thee und Abendbrod.«

Als die Einladung dem jungen Herrn Karl bestellt wurde, sagte er: »ich gehe nicht, das sollte mir noch fehlen – es sind ja Mädchen da – man wird wol am Ende gar mit der ›Tilchen‹ tanzen sollen!« – Allerdings eine beleidigende Zumuthung, die kleine Ottilie war das jüngste Töchterchen der Familie!

Nachmittags klagte Karl plötzlich über Leibweh. Allein man machte sich keine Sorge deshalb, und ertheilte ihm den resoluten Rath: »dann laß den Bauch zu Hause.« Das Leiden war nur ein Symptom der Blödigkeit und Gesellschaftsscheu, mit der nicht selten auch kräftige Jungen zu kämpfen haben. Zu guterletzt entschloß Karl sich denn doch zu gehen. Fertig angekleidet, legte er noch vor dem Spiegel, wo man ihn sonst nicht oft sah, die Halskrause unter die Jacke – es galt das für männlicher, als den Kragen überzuschlagen; darauf schob er in Gottesnamen ab, und es war ziemlich spät, als er zurückkam.

»Nun, seid ihr vergnügt gewesen?«

»Schrecklich!«

Seine hochrothen Backen, seine blanken Augen ließen keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit dieser Versicherung zu.

»Ihr habt wol gar Wein bekommen?«

»Punsch,« sagte Karl lakonisch. »Punsch« ist ein kleines Wort, aber es hat unter Umständen eine ungeheure Bedeutung, selbst wenn es nur jenes beliebte Geburtstagsgetränk bezeichnet, dessen Hauptbestandteile auf Obstsaft, warmes Wasser und eine verwegene Ahnung von Rum zurück zu führen sind.

»Kannst du denn auch noch auf der Dielritze geradeaus gehen?«

Karl war freudig bereit zu dem Experiment und würde die bei uns in solchen Fällen althergebrachte Feuerprobe der Nüchternheit gewiß recht wohl haben bestehen können, wäre er nur ruhig gegangen und nicht gerannt, hätte er sich nur nicht durch zu heftiges Balanciren der Arme mehr geschadet als genützt, und hätte er nur nicht im Grunde selbst gar zu gern für ein wenig berauscht gelten mögen – das war so forsch!

»Ganz richtig ist es nicht mit ihm! Nun erzähle aber – hast du unsern Gruß bestellt, hast du der Frau Räthin auch hübsch die Hand geküßt?«

»Nö ...« Ein rein gesprochenes, hochdeutsches »Nein« wäre nie fähig gewesen, diese feine Nüance unsicher werdender und doch dreist thun wollender Selbstverständlichkeit auszudrücken.

»Es wird nicht anders werden, wir müssen ihm zu Weihnachten ein Komplimentirbuch schenken.«

»Was habt ihr denn unternommen?«

»Ach, Allerlei.«

»Das ist keine Antwort.« Aber man kennt ja die Abneigung junger Herren dieses Alters, über auswärtige Vergnügungen Bericht zu erstatten.

»Na – wir haben gespielt.«

»Was habt ihr gespielt? Nenne doch etwas.«

»Wunderstuhl, und ich habe auch darauf gesessen.«

»Als was?«

»Als Uhr.«

»Das konnte ich mir denken.«

Karl war gerade in der Periode, wo der Besitz eines Chronometers ein mit leidenschaftlicher Gewalt gefühltes Bedürfniß ist.

»Und was sprach man von der Uhr?«

»I – die Meisten brachten bloßen Unsinn vor.«

Aber gerade die den größten Unsinn sagten, platzten schon vor der Zeit mit ihrem Gelächter heraus und prusteten dabei dem Umhergehenden in's Ohr, daß ihm fast das Trommelfell sprang. So unendlich erheiterte sie ihr feiner Einfall: »es ist eine dumme Uhr, eine gemeine Uhr, oder es ist nur eine Uhr von Tomback.«

»Nun – und wie wurde es denn mit den Mädchen? Waren Mädchen da?«

»Ja – es waren ... und wir haben auch getanzt. Anfangs mochte ich nicht, aber Theodor verstand keinen Spaß – ich mußte.«

Der höfliche Wirth sagte: »wer sich nicht von selbst engagirt, den führe ich per Spitzbubenlauf zu den Damen.« Eine Beförderungsart deren Unwiderstehlichkeit bekanntlich auf einem vorstoßenden Schub und Griff unter den Rockkragen beruht, während die andere Hand des Transportirenden das Beinkleid des Transportirten von hintenher straff anzieht. In so energischer Weise ermuthigt und angefeuert, mußte freilich auch der Blödeste seine Schüchternheit überwinden. Karl ließ es indessen nicht zu diesem Aeußersten kommen; er faßte ein Herz, forderte eine Bekannte auf, schwenkte wacker mit ihr herum, und als er sah, es ging, fand er auch bald Geschmack daran. Und wie ging es! Durch Kunstpas glänzte Karlchen nicht, er beschränkte sich auf ein heiter naturalistisches Drehen und Hopsen, trat den Damen theils im Takt, theils wider den Takt auf die Füße, schleuderte die eine an die Kommode, das; eine darauf stehende Lampe fast umstürzte, und die andere setzte er rücklings in den Spiegel, daß der Frau des Hauses angst und bange wurde beim Klirren; aber noch war das Glas ganz geblieben.

»Und hat dich keine gebissen?«

»I – nein,« schmunzelte Karl, hielt aber nicht für nothwendig zu erwähnen, daß ihm ein paar von den »Katzen«, wie er mit biederer Knabenderbheit die jungen Mädchen nannte, besser gefallen hatten, als er selbst begriff – und es waren keineswegs die Häßlichsten.

*

 


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