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19.
Der Nussstrauch.

Jener kleine Naturforscher, der alle Pflanzen nur in zwei Klassen eintheilte: in solche, die zu essen, und in solche, die nicht zu essen sind, hat doch nie ganz durchdringen können mit seinem, so leicht faßlichen System. Die Kinder wollen auch etwas für Auge und Herz – vor Allem, sie wollen was zu spielen haben. Und wer sorgt da besser für sie das ganze liebe lange Jahr, als der Nußstrauch?

Der Nußstrauch mit seinen Blüthen-Schäfchen, Kätzchen oder Raupen – ja Raupen sind's, wie die Raupen von Generalsepauletten, und noch dazu goldene – steht er nicht da wie ein Feldmarschall des Frühlings, der Musterung hält über seine Heerschaaren von Schneeglöckchen und Krokus, Primeln und Schlüsselblumen, Anemonen und Waldveilchen?

Der Nußstrauch mit seinen Nüssen ... Nüsse! Wem ruft nicht schon das bloße Wort eine Reihe heiterster Kindheitsbilder in das Gedächtniß zurück? Nüsse, die halb unreif, fest in der gezackten grünen Blatthülse stecken, mit noch milchig weichem, ungesunden Kern, der deshalb nur verstohlen genossen wird – Nüsse, die mit Stein- und Knittelwürfen, mit schlängelnder Peitschenschnur oder eigenmächtig aus der Rollkammer entlehnten Wäschstangen abgeschlagen werden – Nüsse, in regelrechter Ernte vom Strauche gepflückt, geschüttelt und eingeheimst – Nüsse, bei der Nachlese von durchdringenden Blicken im tiefsten Versteck des Blätterdickichts entdeckt – Nüsse, mit Salz oder mit Honig gegessen – Nüsse, vom Federmesser durchspalten und während der Operation weggeschleudert – hui! wie flink – denn in die Finger sollte die Klinge eigentlich wol nicht – Nüsse, mit den Zähnen aufgeknackt »wie nichts« – widerspenstige Nüsse, denen der grimmige kleine Mann mit starkem Unterkiefer und kolossalem Zopfe winkt: »kommt einmal her, Brüderchen,« oder die sein spindelhagerer, aber nicht weniger starker Kollege ganz gelassen seine Eisenschenkel fühlen läßt, daß ihnen das verschlossene Wesen ein für alle Mal vergeht – oder die, ist gar kein anderer Nußknacker da, zwischen die Thüren gesteckt werden – und krach! auch die sprödeste härteste Wallnuß läßt mit sich reden – unordentliche Nüsse, deren Schalen überall herumliegen, und hochachtbare Nüsse, die, obwol taub oder vom Wurm angebohrt, doch kein ganz nutzloses Dasein führen. Unter Leitung geschickter Hände und durch Verbindung mit einem ziehenden Fädchen, einem drehenden Stäbchen und einer Kartoffel als Schwunggewicht haben sie sich musikalisch ausgebildet zu jenen kunstreichen kleinen Instrumenten, »Schnurren« genannt, die gar unterhaltend schwirren und brummen können, vom sanften Piano bis zum stärksten Forte – ein sprechender Beweis, wie Liebe zur Sache und ein guter Wille alle äußeren Hindernisse überwinden, selbst wenn man kein Genie, sondern – eine hohle Nuß ist.

Der Nußstrauch mit seinen Gerten, die bald als Peitschen dienen, bald als Pferde, bald als Herren- und bald als Damenpferde; bald sind sie abgeschält am Griff und in der Mitte, wo der Sattel angedeutet werden soll, bald unabgeschält, immer aber glatt berupft bis zur Spitze hin, wo ein desto stattlicherer Blätterbüschel stehen bleibt, bei den Peitschen nur zur Zierde, bei den Pferden dagegen aus organischer Nothwendigkeit – denn einen Schwanz muß das Pferd doch haben.

Freilich derselbe Nußstrauch, der die erlesenste Remonte liefert und Reitpeitschen, die nichts lustiger finden, als daß sie so gut »anziehen«, bietet auch der Pädagogik Gelegenheit zu einem etwa ex tempore nöthig gewordenen ernsten Worte im Garten, Busch und Wald.

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