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14.
Liebesbriefe.

Es schrieb die Braut:

»Nun sind wir getrennt – erst wenige Stunden, und doch kommt es mir schon wie eine Ewigkeit vor. Ich werde mich recht zusammennehmen müssen. Es bleibt nur der leidige Trost, daß es einmal nicht anders geht. Aber was ich dir versprach, werde ich halten, ich will deine »vernünftige Agathe« sein! Bin ich doch glücklich, so lange ich dich lieben kann, und wer will mir dies Glück rauben – läge auch eine ganze Welt zwischen uns, und nicht nur diese armseligen paar Meilensteine, umschwebt mich dein liebes Bild doch überall – überall werde ich an dich erinnert, und indem ich dich entbehre, lerne ich erst recht erkennen und schätzen, was du mir bist ... Ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie es war, als wir uns noch nicht angehörten, und ich begreife nicht, womit ich damals die Zeit hinbrachte, denn jetzt erfüllt mich ja so ganz und gar und immerwährend nur die eine himmlische Empfindung. All mein Denken und Thun hat Bezug darauf. O du Lieber, wer mag es ausdenken das namenlose Glück zweier Herzen, die eins geworden! Gott hat das meinige an deines gelegt, und nun ist es geborgen, da soll es ruhen für und für, da ruht sich 's so süß, so selig! ... Immer auf's Neue überrascht es mich, wie innig und zart die Mutter Alles mitfühlt. Sie hat mir einen schönen Spruch gesagt: »Die Trennung ist ein Feuer, das die unechte Liebe verzehrt, aus dem die echte aber geläutert nur desto herrlicher hervorgeht.« Alle grüßen dich, das ganze Haus, Eltern und Geschwister, Groß und Klein, und selbst Eveline gesteht, daß deine Liebenswürdigkeit ihre leider grundsätzliche Abneigung gegen Schwäger gelinde erschüttert hat.«

»Seitdem du fort bist, habe ich einen neuen Freund. Er kommt oft, aber mir immer noch nicht oft genug, und so ungezwungen ist der liebe Mann, er nickt und winkt mir nicht selten schon von der Straße her durch's Fenster zu, ohne einmal die Mütze abzunehmen. Ich gehe ihm aber nicht entgegen, sondern – ich laufe, ja ich »stürze, ich fliege« – wie sie mich necken. Seiner äußern Lebensstellung nach gehört er dem Königlichen Postdienste an und heißt mit dem ersten Buchstaben ... doch still, wer's weiß, darf es nicht sagen – Auflösung in der nächsten Nummer! Dies Mal aber war es anders. Ich kam zuletzt zum Frühstück, und Alle sahen mich mit schlauen Blicken an, die ich mir nicht zu erklären wußte. Nun wurde gelacht, und ich wollte bereits empfindlich werden – da zog der Vater deinen Brief hervor, den ich ja noch gar nicht erwartet hatte. Und er war so hübsch schwer, ich besorgte schon eine Einlage an deine Eltern, denn ich bin schrecklich neidisch und eifersüchtig auf jedes Blättchen, auf jede Zeile von deiner lieben Hand. Hastig riß ich ihn aus, aber er gehörte mir ja doch ganz allein, der liebe liebe Brief, Und so schön ausführlich hast du geschrieben! Wie gut du bist, ich fürchte mich nur vor – Verwöhnung durch zu viel Liebe! Ich las und las ihn immer wieder, und mir wurde unbeschreiblich froh zu Muthe. Daß du mich so an Allem Theil nehmen läßt, ist einzig von dir! Auf deinen heutigen Besuchsgängen werde ich dich recht verfolgen ... Bitte, schreibe mir aber nicht mehr in der Nacht, und wenn du auch kürzer schreibst, nur daß ich stets weiß, du bist gesund und mir noch ein bischen gut! Schone deine lieben Augen, sie sollen mir ja noch lange leuchten!«

»So wie ich hörte, daß Engelrechts zurück wären, eilte ich zu ihnen. Die Glücklichen hatten dich ja gesehen, gesprochen! Allein ich habe wenig Freude von dem Zusammensein gehabt, da sie mir gar nichts Rechtes von dir zu erzählen wußten. Nicht einmal einen Gruß bestellten sie mir, den du ihnen doch gewiß aufgetragen hast, ich mußte ihn mir erst abfordern. Ach, die Menschen sind alle Egoisten, jeder denkt nur immer an sich, aber eben deshalb ist es ja etwas so wundervoll Großes um die Liebe! – Heute vor einem Jahre war unsere Schlittenpartie – ich wette, du hast das längst vergessen, aber glaube es mir schon, ich habe für so was ein sehr gutes Gedächtniß; wir Mädchen brauchen freilich auch nicht an so viele andere – weniger wichtige Dinge zu denken. Wer mir da gesagt hätte, daß ich über Jahr und Tag als deine verlobte Braut eifrig an unseren Ausstattungssachen nähen würde! Es geht munter damit vorwärts, und ich finde diese Vorbereitungen reizend, ich habe meine Freude an jedem neuen Stück, das angeschafft wird, und konnte mich recht ärgern über Tante Paustian, der Alles, so hübsch es auch ist noch nicht fein und kostbar genug zu sein scheint. Gestern kaufte die Mutter ein paar sehr schöne »gezogene« Gedecke für uns. Ach wird das einzig sein, wenn ich erst unsern kleinen Tisch damit decke – du arbeitest noch fleißig – in der Küche wird Gewürz gestoßen – zugleich dringt ein köstlicher Duft bis in dein Allerheiligstes. Du steckst auf einen Augenblick die Feder hinter's Ohr, prüfst das vielverheißende Aroma und sinnst: »was mag sie da blos mörsern, was wird es wol heute geben?« –

»Der gefürchtete Abend bei Rademachers ist weit über Erwarten ausgefallen, es war sogar sehr hübsch. Alle unterhielten sich auf's Beste, es kann aber auch sein, daß mir's nur so vorkam, weil ich selbst viel heiterer war. Zwei Tage vorher bei Wiedemanns, wo fast ganz dieselben Personen waren, fand ich es entsetzlich steif und unbelebt, mich selbst freilich am langweiligsten. Ich hätte immer weinen mögen, so sehr fehlte mir ein gewisser Jemand »an meiner grünen Seite«. Ich habe gestern ziemlich viel getanzt, ist es dir jedoch unlieb, so soll's nicht wieder geschehen. Sei versichert, es würde mich nicht die geringste Ueberwindung kosten. Haben dir etwa die Ohren geklungen, mein Lieber? Es war viel die Rede von dir, und man wollte bemerken, so wie nur dein Name genannt würde, verklärte sich mein Gesicht. Die guten Leute lächelten darüber – ja, ist das denn nicht ganz natürlich? Man verleumdete dich übrigens nicht – doch was braucht es des Lobes? Und wenn dich Jedermann mit bitterm Tadel angriffe, wie Alle entzückt sind von deiner Liebenswürdigkeit, du bist und bleibst nun doch einmal viel besser und klüger als alle anderen Menschen. Das ist aber mein voller Ernst, du bist eigentlich viel zu schade für diese Welt – nur für mich nicht! O, ich kann auch anmaßend sein, ja ich ärgere mich schon lange, daß mir immer meine Sanftmuth und Bescheidenheit vorgeworfen wird, als wäre ich keiner großen und starken Empfindungen, keiner leidenschaftlichen Aufwallung fähig. Demüthig stolz – das ist wol ein Widerspruch? Nun, so ist das herrlichste Gefühl, das ein Menschenherz zum Himmel tragen kann, auch ein Widerspruch. Ich höre nicht auf, mein Geschick zu preisen, das mich zu dir geführt!« –

»Früher mochte ich gar nicht gerne, die Hände im Schooß, müßig träumen, wo es doch ab und zu noch eher an der Zeit gewesen wäre. Und jetzt, wo ich den dringendsten Anlaß habe, mich zu einer geschickten, rührigen Hauswirthin auszubilden, ertappe ich mich alle Augenblicke darauf. Es träumt sich aber auch zu entzückend von dir! Dann bist du wieder bei uns, kein lästiges Geschäft ruft dich ab, kein störender Besuch kommt, du läufst auch nicht gleich wieder – nein, du bleibst, so lange ich dich haben will – was mitunter nicht ganz kurze Zeit sein dürfte – und du bist so freundlich und gut, wie immer, und sagst mir alle deine bezaubernden Schmeichelworte, und ich darf dich auch »Liebchen« nennen und »Schätzchen«, was du sonst nie erlauben willst, es ist dir zu kleinlich, du stolzer Mann ... ja verbiete es mir nur! Bis in den Bezirk der Träume, auch der süßesten – der mit wachen Augen, reicht eure Gerichtsbarkeit doch nicht, ihr gestrengen Herren der Schöpfung, da hört eure Competenz auf, euer Forum – siehst du, was ich schon für eine gelehrte Juristenbraut bin, mein Schätzchen! Vergieb, vergieb ... will's nie wieder thun, will auch nicht im Scherze das allerkleinste Wörtchen sagen oder denken, was deinem Sinn widerstrebt.« –

»O, daß du fern bist, daß ich dir so gar nichts Liebes erweisen kann! Ich habe eine solche Sehnsucht ... Nichts stärkt und befestigt mich mehr im Glauben an die sichere Unwandelbarkeit unseres Glücks, als wenn sich meine Liebe bethätigen kann, und wäre es auch nur, daß ich deine Hand in meine nehme oder dir die »Denkerfalten« aus der Stirne streichle. Liebe ich dich aber allein mit zärtlichen Empfindungen und Gedanken, kann ich dir nicht den geringsten Liebesdienst thun, so überschleicht mein Herz viel leichter der Zweifel, ob ich dir ganz das werde sein können, was du bedarfst und was du von mir erwartest. Ach ich fürchte, du kennst mich doch noch viel zu wenig, du weißt nicht, was ich im Grunde für ein schwaches, fehlerhaftes Geschöpf bin. Manchmal versuche ich mir das Bild des Wesens zu zeichnen, dem du angehören solltest, das deiner ganz würdig wäre. Allein, vergleiche ich dies Ideal mit anderen Mädchen, so finde ich freilich auch unter ihnen allen Keine, bei der die hohen Voraussetzungen ganz zutreffen. Der einen, so sehr ich sie schätze, fehlt dies, der andern jenes, und mir bleibt am Ende nichts übrig, als auf deine Geduld und Nachsicht zu zählen und mit aller Kraft dahin zu streben, daß mein unverdientes Glück allmälig ein verdientes werde.« –

»Dank, heißen Dank! Wie hast du mich erquickt und gestärkt! Viel liebe glückliche Thränen habe ich über deinen einzigen Brief vergossen. Es war mir, als hättest du Auge in Auge zu mir gesprochen, als hörte ich deine liebe liebe Stimme! Du hast Recht, mich zu schelten – es mag zuweilen wirklich schwer sein, mit mir auszukommen, mir gut zu bleiben. Aber du richtest mich auch so freundlich wieder auf. Du schenkst mir ein so schönes Vertrauen, das mich vor mir selbst erhebt und mir neue Zuversicht, eine so himmlische Ruhe in's Herz flößt, mir den Frieden des Himmels giebt. Hätte ich doch Flügel, die mich zu dir hinübertrügen, daß du gleich meine Wonne theiltest! Also du willst großmüthig sein und mich behalten, so wie ich da bin? Ach was wäre auch sonst aus mir geworden! Allem könnte ich entsagen, jede Freude des Lebens missen, nur nicht von dir gehen, nicht die Liebe zu dir in meiner Seele vernichten. All mein Sinnen und Denken, all mein Hoffen und Fürchten für's Leben ist an dich geknüpft.« –

»Mit inniger Verehrung schaue ich zu dir empor, und wenn ich schwanke, möchte ich nur immer deine Blicke fragen. Wohin sie weisen, dahin geht mein Weg. Wie ist es so selig, daß Gottes Wort verordnet, das Weib soll dem Manne unterthan sein! Du kannst mich nichts Unrechtes lehren. Ja ich fühle und bekenne es mit Stolz, ich habe durch dich schon gewonnen an Einsicht und Charakter, ich bin besser geworden, seit ich dir gehöre. Wenn dir etwas an mir nicht gefällt, sprich es nur immer offen aus, das verletzt mich nie, ich werde es stets dankbar annehmen. Es giebt doch nichts Schöneres auf der Welt als die Liebe, sie ist mir die Triebfeder zu allem Guten, ein unablässiger Sporn, mich zusammen zu nehmen, weiter zu streben, zu lernen – denn mich reizt stets die beglückende Vorstellung, dabei nicht allein für mich, sondern mittelbar auch für dich zu gewinnen. Bei Allem, was ich thue und anfange, muß ich jetzt immer zuerst denken: »wird mich so auch mein Justus lieben können?«

»Es ist mein ganzer Ehrgeiz, von dir – für dich erzogen zu werden. Aber gehe behutsam zu Werk, führe mich sanft an sicherer Hand! O bitte, nicht diesen zu hohen Flug der Gedanken, nicht diese stürmische Gluth! Das kann, das darf ich nicht dulden – sonst geht Alles zu Grunde, was du gern hast an mir. Diese Kühnheit ängstigt, diese wilde Hast verwirrt mich – ich vermag dir nicht zu folgen. Nur fein gemacht, nur fein stille! Nicht das Ziel allein, auch der Weg zu unserm Ziele ist ja so schön?« –

»Es gewährt mir ein ganz eigen seliges Gefühl, daß ich dir – Alles, Alles sagen kann. Es wird mir so frei dabei zu Muth, als könnte ich nun ganz selbstständig und allein in der Welt dastehen, und doch beruht es nur auf der vollsten, innigsten Hingebung. Nur Eins kann ich dir nicht offenbaren, das bleibt immerdar ein unergründlich süßes Geheimniß für dich und mich. Wisse, ich habe dich so lieb, daß ich dir's gar nicht sagen kann, wie sehr – das weiß nur Gott allein! In der Nacht wache ich oft auf und weine vor lauter Seligkeit und jauchze und stammle Dankgebete, dein zu sein – dein, dein auf ewig! O, du mein Glück über alles Denken!« –

»Die Mutter will nicht, daß ich dir so viel schreibe, es rege mich zu sehr auf. Vielleicht hat sie nicht ganz Unrecht. Gestern war mir, als würde ich wie auf Wolken zum Himmel getragen – zu dir, jede Erdennoth lag tief unter uns. Und heute fühle ich mich recht niedergedrückt, ich kann die hohe Stimmung nicht wieder finden, wie ich auch mit mir kämpfe und ringe. Eine innere Unruhe quält mich, ich nehme Allerlei vor, halte aber bei nichts Stand. Ich will es nur gestehen, ich hatte einen so ängstlichen Traum – ich ging über eine Wiese, auf der Kinder spielten und im Ringelreihen sangen: »Hier ist grün und da ist grün unter meinen Füßen, ich hab' verloren meinen Schatz und werd' ihn suchen müssen.« Ach, ich bin ganz schwermüthig, und die Thränen sind mir sehr, sehr lose. O komme bald! Oder schreibe wenigstens – du bangst dich wol gar nicht? Meine Sehnsucht aber ist groß. Will dieses entsetzliche Commissorium denn niemals enden?« ...

Hierauf erhielt Agathe die umgehende Antwort: »Engel, mein Engel! Ob ich mich nach dir bange? Das kannst du noch fragen? O, wie fehlt mir deine einzig erfreuliche Gegenwart, der tiefe Blick deines Auges, das lebendige Wort deines so anmuthig beweglichen Mundes, dein herzerquickendes Lachen, dein trauliches Anschmiegen! Ohne dich führe ich nur ein Scheindasein und tödte als ein sich Selbstabwesender die Zeit mit Arbeiten – bis ich müde bin. Dann komme ich zu dir, Springquell meines Lebens, daß du mich erfrischest, daß ich deine Macht und Kraft an mir als Wunder erfahre. Und ach, heute bedarf ich deiner wunderthätigen Nähe mehr als je! Denn auch ich bin schwermüthig, schwermüthiges Liebchen, auch mich hat der Traumgott geneckt. Ja, das ist ein arger Schalk. Höre nur! Ich träumte, es wären schon ein paar Jahre in's Land gelaufen – nach unserer Verheirathung. Wir sollten Abends bei den Eltern sein, und du warst vorausgegangen. Ich hatte noch zu arbeiten, aber ich hielt's nicht aus ohne dich und folgte dir bald, früher als die Abrede gewesen. Da du mich nun noch nicht erwartetest, so mache ich mir den Scherz und lasse sagen, ein fremder Herr sei da, und sehe erst, wie ich eintrete, daß ihr nicht allein seid. »Was ... Sie sind's?« schreit mich der Onkel Major an, das Mädchen hat wol falsch gemeldet, Sie wollten sich gewiß in der Kinderstube das Vergnügen machen? Nun das kommt davon, warum hat Agathe ihn auch genommen – sie hätte den hübschesten Offizier aus der ganzen Armee haben können.« Da erhob sich aber Tante Malchen und vertheidigte mich so tapfer, daß ich ganz gerührt nicht umhin konnte, sie zu umarmen. Malchen wurde über und über roth, fand es unpassend und noch dazu »am Fenster!« – »Ei ei, liebes Malchen, was soll man davon denken? – der Onkel Major schüttelte ernst den Kopf, das klingt ja fast, als wenn es Ihnen besser paßte, nicht am Fenster umarmt zu werden?« Und du? ... »es ist eigentlich ein ganz alberner Mensch – wenn ich ihm nur nicht so gut wäre!« sagtest du – und was das Beste war, du gabst mir einen Kuß und lachtest fortwährend, bis dir die Thränen kamen, und lachst oder lächelst vielleicht – auch jetzt noch ein wenig, nur ein ganz klein wenig, mein schwermüthiges Herzchen? ... Aber um Himmelswillen! was sehe ich – es ist den Augenblick Zehn, da habe ich ja einen Localtermin! Zum Glück bedarf es keiner großen Vorbereitung aus den Akten. Ich soll die Taxe eines Grundstücks aufnehmen das wird eine schöne Verhandlung werden – ich werde nur an dich denken und Alles unschätzbar finden ... So, das wäre abgemacht! Ich stehe wieder am Pult und kann dir in Ruhe Adieu sagen. Nicht wahr? ... nun ist keine Wolke mehr vor dem Licht, durch das ich allein lebe, kein Mißton grundloser Verstimmung stört deiner lieben klaren Seele Harmonie ... Und du verzeihst mir die Umarmung von Tante Malchen – es war ja nur ein Traum – und Träume sind Schäume, die melancholischen wie die unsinnigen. Ich bin ja auch gehorsam und schreibe nicht am späten Abend, leider ist dies Blatt doch erst morgen früh bei dir. Und so wünsche ich meiner Agathe zum neuen Tage unseres Glücks gute helle Gedanken, freudig starken Willen, tiefe ewige Liebe!« – –

»Noch ein ganzes dickes Pack Briefe von Justus an Agathe, von Agathe an Justus aus dieser Zeit haben sich erhalten, allein wie unser alter Hausfreund sagte: »mit der Liebe und dem Rausch ist das ein eigen Ding. Sich selbst mehr oder weniger zu berauschen oder zu verlieben, mag unter Umständen angenehm sein: – das närrische Treiben der Verliebten und auch die süßeste Trunkenheit bei Anderen mit trockenem Munde sich anzusehen, bleibt immer ein mäßiges Vergnügen. Und so nur noch ein einziger Liebesbrief. Er zeichnet sich weder aus durch Reichthum an Gedanken oder Thatsachen, noch durch schwungvolle Sprache, Gluth der Leidenschaft oder besondere Tiefe der Empfindung, aber er hat einen nicht genug zu schätzenden Vorzug vor gar vielen seines gleichen und fast vor allen, die unsere Liebenden wechselten – er ist nur ganz kurz.

»Mein bester Trost ist jetzt, schrieb Justus, mir recht in allen Einzelheiten auszumalen, wie es sein wird, wenn wir in der Traulichkeit unseres eigenen Hauses für immer vereint sein werden. Nur daß es noch so lange währen soll bis dahin, gefällt mir schlecht. Die guten Eltern! Ich vermag nicht, mich von der Stichhaltigkeit ihrer Gründe zu überzeugen, doch wenn es sein muß, bestes Kind, so wird uns die Zeit auch nicht verloren sein. Ich fahre unterdessen mit Hartnäckigkeit fort, früh aufzustehen, so daß es mir eine feste Gewohnheit wird und ich später den Abend regelmäßig für dich frei behalte. Du aber machst noch einen Selektacursus bei der lieben Mutter durch, von der du doch gewiß noch so Manches für unsern künftigen kleinen Haushalt wirst lernen können. Vielleicht nimmst du auch das Englische wieder vor, damit ich nachher mit meinem Frauchen Einiges, was mir von Büchern besonders lieb, zusammen lesen kann, ohne daß uns die Freude durch die Entstellungen einer schlechten Uebersetzung verleidet wird, und damit wir uns aus dem Original selbst überzeugen, daß die schönsten Blumen der Dichtung wie jedem Volke, so auch uns doch nicht in der Fremde, sondern in der lieben Heimath erblühen. Könnte es aber sein, daß wir einen eigenen kleinen Garten haben und darin selbst eine und die andere hübsche Blume ziehen, desto besser! So werden wir denn wirklich ein Brautjahr in eigentlichem Sinn durchleben, mit stetem Hinblick auf unsern Ehestand und als schöne Vorschule desselben. Wie manches Paar muß nicht noch viel länger warten! Mein, unlöslich mein bist du ja auch jetzt schon! Als du mir still deine Hand reichtest, als deine traut'sten Augen Treue strahlten, als wir mit klopfendem Herzen die ersten süßen Worte der Liebe wechselten – da hat uns Gott im Himmel getraut! Allein schwer, recht schwer wird es mir doch, noch so lange zu warten, wirklich, ich könnte ganz trübselig werden – wenn es mir nur möglich wäre! Denn ich muß dabei ja doch immer an dich denken – und dann lächelt und glänzt

dein Verlobter.

*

 


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