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8.
Die Feldfrüchte.

Nun gedieh Alles, daß es eine Freude war. Hätte die kleine »Margell« auf dem Dorfanger den trockenen Zweig, mit dem sie die Gänse hütete, jetzt in den Boden gepflanzt, selbst der würde am Ende neue Sprossen aus dem dürren Bast getrieben haben. Um wie viel mehr mußte nicht das Getreide auf den wohlbestellten Fruchtfeldern wachsen! Knie um Knie setzten die schlanken Halme an, sammelten all' ihre Kraft zum letzten Aufschossen, und schon kamen die weichbärtigen jungen Aehren aus den schmalen grünen Blattdüten hervor.

Die Erbsen standen in wuchernder Ueppigkeit, allein sie sind eine täuschende Frucht. Sie täuschen schon beim Blühen – dann, wenn sie gemäht in Wellen liegen, und drittens beim Einfahren. Erst auf der Tenne, wenn der Dreschflegel die Schoten in's Verhör nimmt, erfährt der Landmann bestimmt, was er an den vollen Fudern geerntet hat – wie die Erbsen »schütten«.

Den Kartoffeln war »alle Ehre geschehen«; nachdem sie jetzt abermals behäufelt worden, schickte der Verwalter auch noch die Weiber mit Hacken hindurch, um jede Spur von Unkraut zu entfernen. In dem gelockerten Boden entwickelten sich die Pflanzen um so kräftiger, die Farbe der Blätter wurde dunkler, und bald schloß sich das Kraut vollkommen. Ein »geschlossenes« Kartoffelfeld durfte wol für die größte landschaftliche Schönheit gelten – in des Herrn Verwalters Augen. Doch wie es nur kam, daß die Kartoffeln da oben, nahe am Rain, mit einmal so abfielen?

»Ja, es ist wunderbar,« sagte Ferdinand – man sollte eigentlich den Fall in einem landwirthschaftlichen Journal veröffentlichen; zufällig hört dort gerade die Düngung auf.« Er hatte auch schon gelernt, den Herren Theoretikern nicht mehr wie gerne einen gelegentlichen kleinen Seitenhieb zu geben. Indessen das lieben gar viele praktische Wirthe; und es sind nicht einmal immer diejenigen, welche am schlechtesten fortkommen.

»Ich muß offen bekennen, solchen Rips noch nicht gesehen zu haben,« erklärte der Siebzehnjährige in einem Tone, als wenn er die Oelfrüchte mindestens schon fünfzigmal in Wachsthum und Blüthe hätte beobachten können.

Auch der Hafer stand sehr gut, und wenn man so seitwärts an der Fronte des Stückes hinsah, war sein dunkles Saftgrün an den besten Stellen »wahrhaftig fast schwarz!«

Gerste gab es, stramme Gerste; die sagte zur Niederungsgerste »Du«.

Was den Weizen betrifft, so war derselbe über jedes Wort des Lobes erhaben, es wäre denn mit launiger Wendung ausgesprochen: »zu Kringel und Zwieback wird es wol geben.«

Aber der Roggen blieb doch die Hauptfrucht. Von feinem Gebäck allein kann man nicht leben. Das Wichtigste ist immer, daß der Mensch sein tägliches Brod hat, um das wir Alle bitten, und das backen wir bei uns zu Lande aus Roggenmehl. Schade nur – der Roggen stand zu stark. Aber er »ging nicht zu Lager!« blieb doch in stolzer Pracht aufrecht. Am besten zeigte sich das Feld, wenn das röthliche Licht der sinkenden Sonne die Aehren mit einem violetten Schimmer umspielte. Und Jedem, der des Weges kam, ging das Herz auf bei dem Anblick des prächtigen Getreides. Es war so recht ein Bild schlichter gesunder Kraft, fruchtbaren Gedeihens und tadelloser Ordnung. Von Kornblumen oder rothem Mohn keine Spur. Die einzige Blume wild wachsender Poesie, die heimlich darin wucherte, raufte der Verwalter eigenhändig aus, so wie er sie bemerkte; die verhaßte Bärenwicke war ihm nicht weniger störend, als unserm wackern Onkel Major die Entstellung eines ganzen musterhaften Bataillons durch einen einzigen reglementswidrig angenähten Uniformknopf. Ferdinand versicherte bei einem seiner Besuche in der Stadt: »wenn ich in den Roggen hinein gehe, wo er am brillantesten steht, bin ich rein weg verschwunden wie in der Ostsee – ungelogen!«

Was würde der Begeisterte zum gerechten Lobe dieses außerordentlichen Stückes Roggen nicht erst haben sagen müssen, hätte er nach Art anderer Wirthschaftseleven wirklich etwas – übertrieben!

*

 


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