Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Viertes Buch

Epistel

an den Herrn Grafen Moritz
von Brühl in Dresden.

              Es ist kein Trug der Phantasey,
O, Freund, was mir ein Traum geschienen,
Ist hohe Wahrheit; wir sind frey!
Das alte Joch der Sklaverey,
Das mancher Sklav mit Brutusmienen
Uns vorwarf, brach ein Tag entzwey
Und meine Gallier verdienen
Den Namen, den die Despotie
Verosten ließ, den schönsten Namen,
Den Adams Enkel je bekamen,
Den Namen Franken, mehr als nie.
Wohl mir, daß ich den Tag erlebte,
Dem im prophetischen Gesicht
Mein Geist oft kühn entgegen strebte!
Er ist mir mehr als Sonnenlicht;
Noch konnten wir ihn da nicht ahnen
O Freund, als du mit einer Schaar
Von tausend muthigen GermanenAls französischer Obriste bey der deutschen Infanterie. ,
Sie folgten gern des Zwingherrn Fahnen,
Die Corsen binden halfst. Dies war
Dir damals, wie die tapfern Preußen
Noch jüngst es nannten, Ritterpflicht;
Bald wird man Hochverrath es heißen.
Auch traf der Corsen Fluch dich m;
Nur den Vezier des Borboniden,
Der ein Tyrann ihn werden hieß.
Sein Name sterbe hin im Frieden,
Wie mancher, den der Pieriden
Gesammtes Chor unsterblich prieß,
Und Corte theile mit Paris
Den Schatz, den dieses uns erstritten.
Ja Freund, dies zweyte Babylon,
So viele Menschenalter schon
Ein Grab des Muthes und der Sitten,
Paris ist nun der Freyheit Thron:
Und eben dieses Volk der Franzen,
Des, von des Leichtsinns Rausch bethört,
Nichts that als buhlen, singen, tanzen,
Hat jene schwarze Burg zerstört,
In der die Unschuld ungehört
Als Opfer, bald des Hohepriesters,
Bald eines Kebsweibs des Ministers
Ihr ewiges Begräbnis fand.
Und eben die Pariserinnen,
Die sonst des Putzes eiteln Tand
Nur liebten, weihn als Römerinnen,
Jetzt ihren Schmuck dem Vaterland
Und opfern seinen braven Söhnen
Die für der Freyheit neues Gut
Gefallen, frohe Heldenthränen.
Zwar schlachtete des Volkes Wuth
Nicht lauter Frevler seiner Rache.
Der Sklave, der sein Joch zerbricht,
Kennt Themis heilge Wage nicht,
Er kennt nur seine gute Sache:
Auch schmückte mancher Bösewicht,
Blos um zu rauben und zu morden,
Sich mit der Freyheit frohnem Orden;
Allein das Schwerdt, das sie verdient,
Traf wie ein Strahl die schnöden Würger
Und hat die Manen jener Bürger,
Die schuldlos büßten, ausgesühnt.
Sieh! hunderttausend Patrioten,
Pairs, Krämer, Domherrn und Heloten
Vermengen sich in ehrnen Reihn,
Um die Cabale der Despoten
Und die Banditen zu zerstreun.
Wie majestätisch anzusehen,
Freund, ist für die Philosophie,
Das Kreisen einer Monarchie;
Wie schauerlich sind ihre Wehen
Und ihre Palingenesie!
Allein, wenn itzt kein Blut mehr fließet,
So kostet uns der Freyheit Sieg
Weit minder, als im Türkenkrieg
Die Herrschsucht jeden Tag vergießet.
Und was verdienet mehr durch Blut
Dem Schicksal abgekauft zu werden,
Als der geweihte Freiheitshut,
Des Menschen größter Schmuck auf Erden?
Komm, Freund, verlaß der Elbe Strand;
Komm! unser Glück mit uns zu theilen,
Du liebtest ja mein Vaterland
Schon eh es dieses Kleinod fand
Und pflegtest gern bey uns zu weilen.
Jetzt trifst du einen König an,
Der den Gesetzen unterthan,
Zum Wohlthun nur Despot geblieben;
Den, da der Tag die Nacht vertrieben,
Kein Dämon mehr entstellen kann
Und den wir längst als Biedermann
Noch wärmer, denn als König lieben.
In seinem schönen weiten Reich
Ist alles Bürger, alles gleich.
Der Bauer sitzt mit den Baronen
Auf einer ungetheilten Bank
Bey den Lykurgen und Solonen.
Die Priester dürfen, Gott sey Dank,
Uns nicht mehr mit Gewalt bekehren
Und müßen zum gemeinen Schatz
Ihr goldnes Schärflein mitbescheren.
Der Ketzer darf den großen Satz:
Kein Mensch soll die Gewissen stören,
Als Mitglied auf dem Reichstag lehren.
Der Richter darf sein edles Amt
Nicht mehr durch schnöden Kauf entehren;
Er kann, von blinder Wuth entflammt,
Nicht mehr die Unschuld radebrechen
Und ist verpflichtet, ohne Gunst
Und ohne Sporteln Recht zu sprechen.
Des Ahnenstolzes faulen Dunst
Hat edle Menschlichkeit geläutert,
Die Rechte des Verdiensts erweitert
Und aller Würden freye Bahn,
Die bald das Stapelrecht der Großen,
Bald Kirchenriegel ihm verschloßen,
Mit weiser Hand ihm aufgethan.
Das Joch der Frohnen ist zernichtet,
Des Landmanns Klagen sind gestillt;
Er tödtet ungestraft das Wild,
Das seine Saat zu Grunde richtet.
Er zahlet keine Steuern mehr
Als wir und hilft uns sie bestimmen,
Auch darf das zügellose Heer
Der Schößer ihm kein Haar mehr krümmen,
Noch der Kaplan Geburt und Tod
Und Trauung ihm für Geld verkaufen;
Noch der Soldat zum Spaß sein Brod
Ihm fressen, seinen Wein ihm saufen:
Und dieser wird bey höherm Lohn
Von nun an ganz dem Staat gehören;
Er muß, als Bürger, nicht dem Thron
Allein, muß auch der Nation
Den heilgen Eid der Treue schwören.
So viel hat schon ein Volk gethan,
Das kaum der Freyheit Licht genoßen
Und mehr ist noch im großen Plan,
Der uns verneuen soll, beschloßen.
Vollkommen ist er freylich nicht;
Doch auch nicht werth der bittern Gloßen,
Die manchem stumpfen Kiel entfloßen.
Der Schatten folget stets dem Licht
Und bey den Revolutionen,
Wo jeder Damm gewaltsam bricht,
Miskennen auch die Nationen
Die Gränzen ihrer neuen Macht.
Genug, daß vielen Millionen
Die Hoffnung beßrer Tage lacht;
Daß wir ein Vaterland nun haben,
Für das die Brust des Bürgers glüht,
Der es durch tausend freye Gaben
Der Schmach des Bankerots entzieht;
Daß der Satrapen und Dynasten
Vampirenbruth ihr Ende fühlt
Und mit dem Volk der niedern Casten
Jetzt nicht mehr, wie mit Kegeln spielt;
Daß in dem Reich, wo Gold und Titel
Und Selbstheit jedes Herz verkehrt,
Man unter uns nun auch im Kittel
Den Menschen und den Bruder ehrt.
Sieh! jene feyerliche Scene,
Freund, sie ist deines Herzens werth;
Sie drang die wonnevollste Thräne,
Die je mein Aug vergoß, mir ab.
Gestützt auf seinen Knotenstab
Erschien am Strand der stolzen Seine
Ein armer Greis gebückt und kahl,
Mit dreymahl zehn Olympiaden
Und mit der Knechtschaft Joch beladen.
Des Jura buntes Felsenthal
Gebahr ihn. Er betrat den Saal,
In welchem die Amphyctionen
Des umgeschaffnen Staates thronen
Und grüßte stumm der Väter Schaar,
Wie Simeon mit frommen Blicken.
Kaum nahmen ihn die Väter wahr,
So rafften Ehrfurcht und Entzücken
Von ihren Sitzen sie empor;
Sie huldigten, des Fürstenstandes,
Des Bischoffsstabs, des Ordensbandes
Uneingedenk, im frohen Chor
Dem Nestor ihres Vaterlandes
Und streckten tausend Hände dar,
Um ihm voll Andacht mehr zu geben,
Als er bedarf, sein letztes Jahr
In heitrer Fülle hinzuleben.Er starb im Jenner 1790.

O, Heil dir, edles Vaterland!
Worinn so viele Menschen wohnen,
Die trotz den hämischen Timonen,
Die Welt der Freyheit würdig fand!
Bewahre dieses heilge Pfand
Gleich einem Ring von Gottes Finger!
Nie reiße Zwiespalt, Unbestand
Und Luxus, dieser Weltbezwinger,
Das Kleinod dir von deiner Hand!
Von nun an sey dein Ehrgeiz Friede
Und Eintracht dein Palladium;
So stehet, wie die Pyramide
Der Ewigkeit, dein Heldenruhm.
Doch schlüg ein Strahl aus neuen Wettern,
Erregt von deinen eignen Rettern,
In dieses hohe Denkmahl ein,
So müße mich der erste Stein
Des feyerlichen Schutts zerschmettern.


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