Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Pelikan.

An meine Kinder.

                      Gesengt vom heissen Mittagswind
Erstarb die Flur. Die Nymphe leckte
Am trocknen Krug. Der Hunger blöckte
Mit seinem blassen Mordgesind,
Den Seuchen, welche Myriaden
Erwürgt, gleich rasenden Mänaden,
Durchs öde Land. Ein Pelikan
Am Ida litt mit seinen Jungen
Des Orkus Durst. Der Hyderzahn
Des Tods, mit dem sie lang gerungen,
Durchwühlt ihr Mark. Von Harm durchdrungen,
Sieht er verstummt die ganze Brut,
Mit hohlem Aug und heiserm Ächzen,
Nach einem Tropfen Wassers lechzen.
Itzt bricht sein Herz, voll schöner Wuth
Reißt er mit der gestählten Spitze
Des Schnabels eine tiefe Ritze
Sich in die Brust, und spritzt sein Blut
Den Kindern in die dürre Kehle.
Sie trinken froh den Purpursaft
Und schöpfen, wie vom frischen Öle
Die seichte Lampe, neue Kraft.
Nur folgt dem schaurichten Befehle
Das Jüngste nicht. Sein starrer Blick
Klebt auf der Wunde; seine Seele
Zerreißt ihr Band; es sinkt zurück;
Verhüllt sein Haupt mit seinem Flügel –
Und stirbt. Von dem geweihten Hügel
Schaut Vater Zevs mit stiller Lust
In dieses Heiligthum der Liebe:
Er weint. der göttlichste der Triebe,
Das Mitleid, schwellt des Rächers Brust;
Er wischt den Tod vom Augenliede
Des Märtyrers. Der Pelikan
Wacht glänzend auf, und der Chronide
Nimmt ihn zum zweyten Vogel an;
Doch nicht als Diener seines Zornes,
Der mit dem Blitz bewaffnet ist,
Als Träger jenes Segenshornes,
Das er auf fromme Kinder gießt.

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