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Achtundzwanzigstes Kapitel.
Sonnenblicke.

Wenn es ein Trost ist, Genossen im Leiden zu haben, so sollte der Witwe Luthers wenigstens dieser Trost nicht mangeln.

Noch immer schmachtete der vertriebene und der geächtete Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen in des Kaisers Haft. Er war seinen Unterthanen fern und hatte ihnen nicht mehr zu gebieten, und doch wirkte, doch herrschte er noch in seinem Land, und Segen ging von dem Gefangenen aus auf alles, was dem evangelischen Glauben Treue hielt. Sein Beispiel und Vorbild edelmütigen Duldens, heldenhafter Standhaftigkeit und demütiger Ergebung gab Tausenden und Tausenden Kraft, der Wahrheit treu zu bleiben und Christum mutig zu bekennen, wie es andererseits den Abgefallenen und Hartherzigen das Gewissen rührte und sie in ihrer Erbärmlichkeit an den Pranger stellte.

Luther hatte einmal von seinem Freund Hausmann gesagt: »Was wir lehren, das lebt er.« Wäre er noch auf Erden gewesen, er würde dieses Wort auch auf den Kurfürsten angewendet haben. Wer ein Kurfürstentum dranzugeben hat, dem mag die Nachfolge Christi wohl noch etwas saurer ankommen, als einem, der von der Welt nicht viel zu verlieren hat. Um so herrlicher steht ein gekrönter Bekenner da. Als ein Großer in Israel erscheint uns Johann Friedrich, wenn wir seine heroische Ruhe und kindliche Ergebung ansehen. Da ist kein Wanken und Schwanken, kein Hinken auf beiden Seiten – sein Herz steht fest in der Gnade, und nun kann der Kaiser ihn locken mit den süßesten Versprechungen, oder ihm drohen mit dem furchtbarsten Gericht, sein Herz ist fest, unerschütterlich fest. Es wird ihm das Todesurteil verkündet, während er beim Schachspiel sitzt – er spielt gelassen die Partie erst aus und sagt dann: »Ich vermeinete, kaiserliche Majestät werde etwas gnädiger mit mir fahren; im Fall es aber nicht anders sein kann, so bitte ich, man wolle mir den Tag meines Todes zuvor verkündigen, damit ich mit meiner Gemahlin und Kindern reden kann, was not ist.« – Der Tod kann ihn nicht schrecken – aus seinen Augen spricht es: Christus ist mein Leben, so ist Sterben mein Gewinn.

Der Kaiser, dem das erschrockene Gewissen das Todesurteil zurückzunehmen hieß, verspricht ihm das Ende seiner Gefangenschaft und reichliche Entschädigung aller erfahrenen Unbill, wenn er das sogenannte Augsburger Interim anerkenne, dieses Schelmenstück römischer List, welches unter scheinbarem Nachgeben doch dem Protestantismus das Herz ausbrach; – und jetzt glaubt er seiner Sache sicher zu sein, das hält er nicht für möglich, daß ein Mensch solcher Lockung widerstehen und dem Worte Gottes Thron, Ehre und Freiheit opfern könne, weil ihm selbst so etwas nicht im Traum eingefallen wäre; aber es imponiert ihm doch, und die Schamröte steigt ihm ins Gesicht, da er aus des Kurfürsten Mund die Antwort hört: »Ich stehe hier vor Eurer kaiserlichen Majestät als ein armer, gefangener Mann, leugne auch nicht, daß ich die Wahrheit bekannt und darob Hab und Gut, Weib und Kind, Land und Leute, kurzum alles, was mir Gott in dieser Welt gegeben und verliehen hat, verlassen, und habe nicht mehr, denn diesen gefangenen Leib, der doch nicht in meiner, sondern in Eurer kaiserlichen Macht und Gewalt stehet: und weil ich vor aller Welt bloß stehe, und soll dazu das Ewige auch verlassen durch meinen Widerruf, dafür wolle mich Gott behüten! Denn ich meinen höchsten Trost darein gesetzet habe, daß ich gewiß weiß, ob ich schon diesen armen Leib samt dem Leben darob verlieren muß, daß mir Gott besseres darum geben wird. Mir stünde auch übel an, daß ich durch meinen freventlichen Widerruf viel tausend Menschen in groß Ärgernis führen sollte. Derhalben, allergnädigster Kaiser, Eure kaiserliche Majestät hat mich in ihrer Gewalt, möge mit mir handeln, wie mit einem Gefangenen. Bei der bekannten Wahrheit will ich bleiben und den andern zum Exempel darob leiden, was mir Gott und Eure kaiserliche Majestät aufleget.«

Der Kaiser muß sich bei diesen Worten abwenden, er fühlt, daß sich die Rollen vertauschen, daß der Verurteilte seinen Richter vernichtet, daß er hier vor einer Macht steht, die von keiner irdischen Macht sich beugen läßt. Gott der Herr klopft an Kaiser Karls Herz, aber dieses Herz bleibt verschlossen, die Gefangenschaft des armen Kurfürsten wird nur noch härter, ja der Kaiser entblödet sich nicht, den gebundenen Feind wie zur Schau mit sich durch Deutschland zu führen, gestattet es sogar, daß die bewachenden spanischen Trabanten ihn dem neugierigen Volk für Geld zeigen.

Des Gefangenen höchster Trost ist die Bibel und Luthers Schriften, von denen er einmal sagte, sie herzeten, gingen durch Mark und Bein und hätten den rechten Geist in sich, denn wenn er gleich einen Bogen anderer Schriften läse und ein Blättlein Luthers dagegen halte, so finde er mehr Saft und Kraft, auch mehr Trost darinnen, denn in einem ganzen Bogen anderer Skribenten. Der Kaiser will ihn an der empfindlichsten Stelle treffen und nimmt ihm diesen Schatz hinweg. Auch sein Hofprediger, Magister Christoph Hofmann, welcher ihm anfänglich das lautere Gotteswort predigen durfte, tritt eines Tages mit Thränen zu ihm und nimmt Abschied – auf kaiserlichen Befehl.

Der Kurfürst bleibt gelassen und unverzagt: »Nehmen sie mir gleich meine Bücher, so sollen sie mir doch das, was ich daraus gelernet, nicht aus dem Herzen reißen. Und wenn Ihr gehet, mein werter Hofmann, der Herrgott bleibet allezeit bei mir.« –

Da der Kaiser bei dem Kurfürsten nichts ausrichtet, versucht er es mit dessen Söhnen, sie zur Annahme des Interims zu bereden. Diese wollen aber ohne ihren Vater nichts thun und fordern deshalb sein Gutachten. Das lautet: so lieb ihnen Gottes Gnade und seine väterliche Huld wäre, sollten sie bei seiner eignen vorigen Erklärung und Antwort beständig verharren und sich nichts abschrecken noch bewegen lassen; ob ihnen auch alle übrigen Länder darüber eingezogen und größere Gefahr angedroht würde, so könnte doch Gott der Allmächtige ihrer nicht vergessen, sondern würde sie gnädiglich beschützen und beschirmen.

Große Scharen evangelischer Geistlicher, die das Interim nicht anerkennen wollen, wandern ins Elend – die Augsburger auch. Diese wollen aber nicht scheiden ohne den Segen des kurfürstlichen Märtyrers, der gerade mit seinem kaiserlichen Stockmeister in der Stadt anwesend sein mußte.

Johann Friedrich war bei ihrer Anrede anfangs tief bewegt und wendete sich zum Fenster, um seine Thränen zu verbergen, bald aber hatte er sich wieder gefaßt und trat zu den Geistlichen mit der Frage: »Wie, hat euch denn der Kaiser auch den Himmel verboten?«

»Nein!« war die Antwort.

Da rief der Kurfürst mit erhobener, gewaltiger Stimme: »Ei, ihr Lieben, was hat's dann für Not? Seid nur getrost, der Himmel muß uns doch bleiben! Gott aber wird auch wohl noch ein Land auf Erden finden, wo ihr sein Wort predigen dürft.«

Daraus griff er in seine Manteltasche: »Hierin ist alles, was ich jetzund auf Erden habe; ich will euch daraus einen Zehrpfennig verehren. Den teilet mit euren Kreuzbrüdern. Ich bin zwar auch ein Gefangener, aber mein Gott wird mir wohl wieder Gutes bescheren.«

Der mitgefangene Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg will schließlich allen Mut und alle Hoffnung verlieren. Da spricht ihm Johann Friedrich tröstlich zu: »Bekümmert Euch nicht! Sind wir im Krieg unterlegen, so wollen wir uns mit Standhaftigkeit waffnen, daß wir noch obsiegen. Lasset uns durch die That beweisen, daß wir das Unglück verachten, so werden wir unserm Feind den Sieg wieder aus der Hand reißen und aus Überwundenen zu Überwindern werden. Dies ist das rechte Mittel, uns in unserm Gefängnis an unserm Feind zu rächen.« –

Ein Jahr des Elends reiht sich an das andere, immer blasser wird der Schimmer der Hoffnung auf Erlösung – Johann Friedrich aber bleibt immer derselbe, ein Mann, ein Held, ein Streiter in dem guten Kampf des Glaubens, wie St. Paulus. Und siehe, auch zum David macht ihn die Not und Drangsalshitze, zur Harfe greift der fromme Fürst, und ein Psalm erklingt aus seinem Kerker, ein Psalm, dessen Töne bis auf den heutigen Tag zu jedem Herzen dringen, tröstend, stärkend, mahnend und beruhigend:

Wie's Gott gefällt, gefällt mir's auch,
Und laß mich gar nichts irren.
Ob mich zu Zeiten beißt der Rauch,
Und wenn sich schon verwirren
All' Sachen gar,
Weiß ich fürwahr:
Gott werd's zuletzt wohl wenden.
Wie er's will han,
So muß es gahn,
Und selig wird er's enden.

Wie's Gott gefällt, zufried'n ich bin,
Das übrig' laß ich fahren;
Was nicht soll sein, stell ich dahin.
Gott will mich recht erfahren,
Ob ich auch will
Ihm halten still.
Gott wird doch Gnad' bescheren.
Ich zweifle nicht;
Soll's sein, man spricht:
So sei's! Wer kann Gott wehren?

Wie's Gott gefällt, gefällt mir's wohl
In allen meinen Sachen.
Was Gott zuvor erseh'n einmal,
Wer kann das anders machen?
Drum ist umsunst
Weltwitz und Kunst;
Es hilft nicht Haarausraufen.
Murr' oder beiß'!
Soll's sein, so sei's,
Weil's doch sein'n Weg muß laufen.

Wie's Gott gefällt, laß ich's ergehn,
Will mich darein ergeben.
Wollt' seinem Will'n ich widerstehn,
So müßt ich bleiben kleben.
Denn g'wiß fürwahr,
All' Tag und Jahr
Bei Gott sind ausgezählet.
Ich schick' mich drein.
's gescheh, soll's sein,
So sei's bei mir erwählet.

Wie's Gott gefällt, so soll's ergahn
In Lieb und auch im Leide.
Dahin mein' Sach' ich g'stellt will Han,
Daß mir sie sollen beide
Gefallen wohl.
Darum mich soll
Ja oder nein nicht schrecken.
Schwarz oder weiß:
Soll's sein, so sei's!
Gott wird wohl Gnad' erwecken.

Wie's Gott gefällt, so lauf's hinaus!
Ich laß die Vöglein sorgen.
Ob's Glück mir heut nicht kommt ins Haus,
So wird es kommen morgen.
Was mir beschert,
Bleibt unverwehrt,
b's sich schon thut verziehen.
Dank' Gott mit Fleiß.
Soll's sein, so sei's!
Er wird mein Glück wohl fügen.

Wie's Gott gefällt! Nichts Weitres will
Von Gott ich sonst begehren.
Gott hat mein'r Sach gestellt ein Ziel,
Dem will ich nimmer wehren.
Das Leben mein
Setz' ich auch drein,
Auf guten Grund zu bauen
Und nicht auf Eis.
Soll's sein, so sei's!
Will Gott allein vertrauen.

Wie's Gott gefällt, so nehm' ich's an,
Will um Geduld ihn bitten.
Er ist allein, der helfen kann,
Und wenn ich schon wär mitten
In Angst und Not,
Lag gar am Tod,
Kann er mich wohl erretten
Gewalt'ger Weis'.
Soll's sein, so sei's!
Ich g'winn's! Wer nur will wetten.

Wie einst die Thesen Luthers gleich einem Sturmwind, von Engelsflügeln getragen, in kurzer Zeit durch ganz Deutschland geflogen waren, so war es ähnlich mit diesem Lied des gefangenen Fürsten. Auf wunderbarem Wege war es aus dem Kerker in die Welt hinausgeklungen und Tausende hatten es vernommen; in den Kirchen sang man es beim Gottesdienst, im Kämmerlein beteten es geängstete und zerschlagene Herzen, denen um Trost bange war, und manchem Abgefallenen schlug es wie ein Gerichtsbote Gottes ans Gewissen.

Auch über dem Bett der Witwe Luthers war das Lied an die Wand geklebt. Sie hatte es sich ausgeschrieben und da angebracht, wo es sie jeden Morgen beim Erwachen grüßte wie ein Trostengel Gottes. Und jeden Morgen dankte sie dem lieben Kurfürsten, der ihr damit mehr gab, als er ihr in den Tagen seines Glücks und Glanzes hätte geben können.

Ja Geld und Brot konnte er ihr nicht mehr schenken, und dennoch blieb er ihr Wohlthäter, der an der Witwe des Reformators sein Fürstenwort einlöste bis zu ihrem letzten Hauch. Das trotzige und verzagte Herz ist in Trübsal so geneigt, nur sich selbst zu sehen und sein Leiden für größer zu achten als das aller andern Menschen. Lernt der Kreuzträger dann um sich blicken und findet, daß andere noch schwerer zu tragen haben, so kommt ihm davon ein starker Trost und ein stilles Herz und Kraft Zum mutigen Ertragen.

Der armen Katharina war's auch manchmal so zu Mut, als trüge sie die Leiden für die ganze Welt, und als wäre der Undank gegen die Witwe des Wohlthäters der ganzen Christenheit doppelt schändlich. Wenn sie aber dann ihres lieben Kurfürsten gedachte und dessen ritterliche Standhaftigkeit, sowie seine demütige Gottgelassenheit ansah, dann wendete sich plötzlich ihr Sinn, sie fühlte ihr Kreuz nur mit halber Last und bat es mit einem Anflug von Schamröte dem lieben Gott ab, wenn sie hatte verzagen wollen und sprechen: »Ach, Herr, es ist zu schwer aufgeladen – die Achse bricht!« –

Das war ein Lichtblick in der Nacht ihrer Trübsal. Und nun sollte an ihrem Himmel zuguterletzt noch ein Sternlein aufgehen, das tröstend ihr einen Gruß bestellte von dem lieben Herrgott.

Es war am Neujahrstag des Jahres 1552. Katharina hatte eben mit feuchten Augen die Wünsche ihrer Kinder entgegengenommen, als der Stadtpfarrer Bugenhagen eintrat und aus seinem treuen, tiefen Herzen gleichfalls hervorholte, was er der Witwe zum Trost und zur Ermunterung zu sagen wußte.

Nachdem ihm Katharina von Herzensgrund gedankt und ihm auch ihrerseits reichliche Neujahrswünsche dargebracht, fuhr Bugenhagen fort: »Es hat mir lange Zeit befremdlich auf dem Herzen gelegen, aus was Ursach der König von Dänemark das mehrmalige Anklopfen um Euretwillen nicht gehöret habe, denn ich weiß sein frommes und zur Barmherzigkeit geneigtes Herz, welches auch mir und dem Magister Melanchthon den jährlichen Ehrensold unverbrüchlich weitergezahlet. Nun ist aber gestern ein junger Gesell bei mir gewesen, so in der Welt viel herumgekommen und auch zuletzt am dänischen Hof in der königlichen Kanzlei eine Zeitlang thätig gewesen, wohin er auch wieder zurückzukehren gedenket, maßen er an einem andern Ort kein schicklich Unterkommen gefunden. Da ich nun diesem mein Befremden über des Dänenkönigs plötzlich abgebrochene Hilfsleistung ausgesprochen, hat ihn solche Mitteilung sehr Wunder genommen, und er hat sich die Sache nicht anders erklären mögen als daraus, daß die Briefe wohl nicht nach Kopenhagen gelanget seien. Denn eines Tages sei die Rede auf des seligen Doktor Luthers Witwe gekommen, da habe einer in der königlichen Kanzlei geäußert: Mag ihr wohl gegenwärtig besser ergehen denn früher, dieweil sie niemals wieder eine Bitte an Seine Majestät hat laut werden lassen? Daraus, liebste Frau Doktorin, möget Ihr klärlich ersehen, daß dem König von Eurer Not nichts kund sei. – Rate Euch derhalben, Ihr wollet noch einmal einen Brief wagen und selbigen durch jenen Schreiber, so in etlichen Tagen wieder zurückgehet, mitgeben; so wird es nicht ohne Frucht bleiben, hoffe ich.«

Katharina dankte dem Freunde und ging mit Freuden auf den Ratschlag ein. Nachdem sie erfahren, daß der junge Gesell seine Rückreise auf den 9. Januar festgesetzt habe, begab sie sich tags zuvor ans Schreiben:

»Durchlauchtigster, großmächtiger König!
Allergnädigster Herr!

Eurer Königlichen Majestät sind meine unterthänigsten Dienste samt meinem armen Gebet zu Gott unterthänig allzeit zuvor. Allergnädigster Herr! Eure Königliche Majestät wissen sich gnädiglich zu entsinnen, daß Eure Königliche Majestät meinem lieben Herren seligen samt dem Herrn Philippus Melanchthon und Doktor Bugenhagen jährlich ein Gnadengeld geschenket, welches sie zum Unterhalt ihrer Haushaltung und Kinderlein haben sollten. Welches denn auch bis anher jährlich gemeldetem Herrn Philippo und Doktor Pomerano von Eurer Königlichen Majestät gnädiglich überreichet worden. Dieweil aber mein seliger lieber Herr Eure Königliche Majestät allezeit geliebet und für den christlichsten König gehalten, auch Eure Königliche Majestät sich in solchen Gnaden gegen meinen seligen Herrn gehalten, dafür ich unterthäniglich Eurer Königlichen Majestät danke, so werde ich durch dringende Not bewogen, Eure Königliche Majestät in meinem Elend unterthäniglich zu ersuchen, des Verhoffens, Eure Königliche Majestät werden mir armen und jetzund von jedermann verlassenen Witwe solch mein unwürdig Schreiben gnädiglich zu gut halten. Und will hiemit Eure Königliche Majestät unterthänig gebeten haben, Eure Königliche Majestät wolle mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. Denn sonder Zweifel Eurer Königlichen Majestät wohl bewußt ist, wie es nun eine Zeit her nach dem Abgang meines seligen Mannes in diesen Landen gestanden, wie man die Elenden gedrücket, Witwen und Waisen gemacht, also daß zu erbarmen, ja mir mehr durch Freunde, denn durch Feinde Schaden geschehen, welches alles Eurer Königlichen Majestät zu erzählen zu lang wäre. Aus diesen und andern Ursachen werde ich gedränget, Eure Königliche Majestät unterthänig zu ersuchen, nachdem sich ein jeder so fremd gegen mich stellet und sich niemand meiner annehmen will. Versehe mich, Eure Königliche Majestät werden sich bei diesem meinen Ansuchen gnädiglich erfinden lassen und den Lohn von Gott dem Allmächtigen empfahen, welcher der Witwen und Waisen Vater sein will. Demselbigen Gott, dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, will ich Eure königliche Majestät in seinen väterlichen Schutz und Schirm befohlen haben; der wolle Eure Königliche Majestät bei langem Leben, seiner Kirche zu gut, gnädig erhalten und vor allem Schaden Leibes und der Seelen behüten. Amen.

Datum im Jahr 1552 den 8. Januarii.

Eurer Königlichen Majestät
allzeit unterthänige
Katharina Lutherin

Doktor Martini nachgelassene Witwe.«

Katharina ließ diesen Brief den Doktor Bugenhagen lesen, der setzte noch ein besonderes Fürwort zu:

»Die Witwe Vater Luthers klaget hart und bittet Eure Majestät um gnädige Hilf. Es ist ja am Tage, daß sie an ihren Gütern dieses Jahr sonderlich großen Schaden gelitten hat samt ihren Nachbarn, derhalben sie auch zu Rechte gehen müssen vor des Kurfürsten Gerichte wider Jahn Löser.«

Am folgenden Tage reiste der Schreiber ab und überbrachte eigenhändig dem König die Bittschrift. –

Wieder einmal mußte Katharina zu dem Wandschränklein gehen und drei silberne Becher zum Verpfänden herausholen. Sie that es diesmal mit weniger schwerem Herzen, denn eine innere Stimme sagte ihr: Es kommt Hilfe.

Und diese Stimme trog nicht: früher, als sie zu hoffen geglaubt, bereits am 20. März kam vom dänischen König ein Eilbote, welcher der Katharina fünfzig Speziesthaler überbrachte und des Königs Gruß dazu.

Das war der andere Sonnenblick in der Nacht des Witwenleides und eine neue Mahnung, daß der alte Gott noch lebe. Doch sollte von dessen Treue und Barmherzigkeit gar bald noch bessere Hilfe kommen. Sein Engel war schon unterwegs, der der Dulderin zurufen sollte: Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden!


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