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Das war eine trübe, bange, beklommene Neujahrsfeier, an dem Tage, da man zum erstenmal die Jahreszahl 1525 schrieb. Immer schwärzer und schwärzer türmte sich das Gewölk auf, das schon seit Oktober vorigen Jahres drohend an dem Horizont zusammengezogen war, und entlud sich mit immer heftigerem Donner und Blitzschlag. In Thüringen, Franken und Schwaben hatte es schon längst unter den mit unerträglicher Frone geknechteten Bauern gegärt; da fiel Luthers Predigt von der Freiheit eines Christenmenschen wie ein zündender Funke in den aufgehäuften Zunder, also daß ein Brand aufloderte, vor welchem die Welt erschrak. Wirklich hatte sich Luther, auf den sie ihre Hoffnung setzten, der armen, unglücklichen Bauern angenommen und mit der Stimme eines Propheten dem Adel scharf ins Gewissen geredet, den Bauern nachzulassen, was sie in ihren zwölf Artikeln forderten, denn solche Forderung war billig, und wäre wohl ein schneller Friede gekommen, wenn die Ritter ein Einsehen und menschlich Erbarmen gehabt hätten. Da aber Luthers Mahnung keinen Erfolg hatte, vielmehr der Adel sich in seinem Trotz verhärtete, da brach das Unwetter los. Im Schwarzwald anhebend, verbreitete sich die aufrührerische Bewegung, lawinenartig anschwellend, durch ganz Schwaben, Franken und Thüringen. Allenthalben loderten brennende Schlösser und Klöster auf, und das Blut der auf das grausamste Geschlachteten schrie zum Himmel. Von den Zwickauer himmlischen Propheten immer mehr gehetzt, bemächtigte sich der Bauern ein wilder, tierischer Wahnsinn, wie eines Tigers, nachdem er Blut geleckt, und in tödlichem Schrecken erstarrte den Fürsten und Rittern der Mut.
Luther war auf das tiefste betrübt und beschwert. Mit seinem unerschrockenen Heldenmut wagte er sich zweimal mitten in den Aufruhr hinein, durch die Macht seines Prophetenwortes die Mordbrenner zu schrecken und zur Besinnung zu bringen; aber diesmal war seine Stimme ohnmächtig, und mit schwerem Herzen kehrte er nach Wittenberg zurück, mit noch schwererem schrieb er eine Schrift »wider die räuberischen und mörderischen Bauern« und forderte die Fürsten auf, das Schwert zu ziehen zum Vertilgungskrieg. Wirklich rüsteten sich die Fürsten und traten dem ungeordneten Haufen der Räuber mit geordneten, kampfeskundigen Heeren gegenüber. Da mußte die Rotte unterliegen, und mit ungesättigtem Rachedurst wüteten, zu Luthers neuem Schmerz, die Sieger nach der gewonnenen Schlacht gegen alles, was den Bauernkittel trug.
Durch das Land läuteten die Glocken den Frieden, und die Herzen jubelten auf in Lobgesang. Luther aber saß einsam in seiner Zelle und trauerte. Er nahm nicht Speise und Trank zu sich, er dachte nicht ans Schlafen, er saß da mit gebeugtem Haupt und seufzte tief und schwer.
Hatte auch alle Ursach dazu, denn aller Hand war jetzt wider ihn. Fluch und Verwünschung fiel auf sein Haupt von seiten der Römischen: »Du bist der Mann, des gotteslästerliche Rede von der Freiheit die Ketten der Sklaverei gesprengt und alles Blutvergießen verschuldet hat!« – Fluch und Verwünschung aber fiel auch auf sein Haupt von seiten der Bauern: »Du hast unsre Hoffnung getäuscht, noch mehr, du hast uns verlassen und verraten!« – Und seine Freunde? Scheu und furchtsam saßen sie in den Winkeln. Und das Evangelium? Ach, es schien, als wär es aus mit ihm.
Zu aller dieser Not kam noch, um das Maß vollzumachen, von Torgau die zerschmetternde Trauerkunde, daß der Fürst, dessen Weisheit und Charakterfestigkeit dem Evangelio ein starker Schutz und Schirm gewesen war, Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, am 5. Mai aus dieser bösen Welt geschieden sei. – O Traurigkeit, o Herzeleid! So soll es denn wieder Nacht werden, nachdem so schön der Morgenstern des Evangeliums am Himmel aufgegangen? So willst du deinen Diener wegwerfen, o Gott, deinen treuen Diener, der wie ein Held so herrlich seinen Lauf begonnen? –
In Wittenberg war das ein Fragen und Klagen: Wo ist der Luther? Seine Kanzel war still, seine Studenten fanden ein leeres Katheder. Dort sitzt er in seiner Zelle, ganz allein – nicht einmal sein Famulus darf zu ihm, viel weniger ein anderer. Er sitzt und sinnt, wie tot für die Welt, eingekehrt in die innere Welt der Gedanken und des Gebets. So saß er immer, wenn ein Großes ihn bewegte, so hatte er auch dagesessen, als er mit dem Entschluß rang, dem Papst und der ganzen Welt die Wahrheit zu sagen und den Kampf anzuheben mit dem Aberglauben Roms.
Luther, was hast du? was sinnst du? Ist dein Seufzen die Eliasklage: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele? Ist dieses dumpfe Schweigen Verzweiflung an dir selbst und deiner Sendung?
Nein, das kann es nicht sein – ein Ringen ist es, ein heißes, heldenhaftes Ringen. Siehe, er betet! O, jetzt löst sich die Spannung seiner Seele! Siehe, er betet! O, jetzt findet sich das zerschlagene Gemüt zur rechten Thür, aus der ihm Hilfe kommt. Und siehe, die verschleierten Augen leuchten auf, die umwölkte Stirn wird hell und klar – ein heiliger Trotz spricht aus seinem himmelwärts gekehrten Antlitz, und mit raschem Entschluß verläßt er seine Zelle, mit festem Schritt geht er zu dem Haus eines der seiner liebsten Freunde, des Malers Lukas Kranach und klopft an.
Der Meister stand gerade in seiner Werkstatt an der Staffelei über einem Bildnis Bugenhagens, des Stadtpfarrers. Beim Eintritt Luthers ließ er in freudigem Erschrecken den Pinsel fallen und eilte ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen: »Mein Martinus! O, gelobet sei Gott, wir haben dich wieder! In Ängsten und Sorgen waren wir um dich, denn seit vier Tagen haben wir dein Angesicht nicht gesehen. Gelobet sei Gott, der unsre Angst von uns genommen! – Aber, wie schauest du drein, Martinus? Was ist Großes geschehen, daß dein Gesicht leuchtet, wie es allemal geschiehst, wo ein großer Gedanke dich beweget?«
Luther sah ernst feierlich den Freund an und sagte: »Rufe den Doktor Bugenhagen und den Rechtslehrer Doktor Apel, ihr drei sollet mir einen Dienst der Freundschaft erzeigen!«
Willfertig sendete Kranach nach den beiden Männern, welche auch bald erschienen und sich des lang entbehrten Anblicks ihres Freundes nicht minder freuten als der Maler.
Nun hob Luther mit erhobener Stimme an: »Meine lieben Freunde! Eine große Wandlung ist mit meinem Herzen geschehen, über welche Ihr des Staunens viel machen werdet! Nicht lange will ich Eure Seele aufhalten, sondern Euch stracks heraussagen: ›Dem Bruder Martinus hat Gott der Herr geheißen: Gehe hin und nimm dir ein Weib!‹
Die Anwesenden fuhren erschrocken zusammen und vermochten keinen Laut hervorzubringen; ihre Augen aber hafteten in starrer Überraschung auf dem Doktor, welcher gelassen fortfuhr: »Ja, von dem Herrn ist das geschehen, schier ein Wunder vor meinen Augen; darum ist auch mein Herz, mit ganzem Vertrauen dabei.«
»Des sei der Name des Herrn gepriesen!« rief jetzt Lukas Kranach, der sich zuerst gesammelt hatte. »Bruder Martinus, ja das ist von Gott gekommen und eine Erhörung meines heimlichen Betens. Aber so sage uns denn auch, welche unter des Landes Töchtern du erkoren!«
»Sie heißet Katharina von Bora!« versetzte Luther mit dem vollen Klang seiner tiefen Stimme.
Wieder erfolgte eine Stille, dann traten die drei Männer hastig zu dem Doktor und drückten ihm mit wärmster Innigkeit die Hände. »Auch dieses ist von Gott«, rief Kranach glückselig, »denn unter allen, so ich kenne, ist sie die würdigste für den Propheten des Höchsten.«
Bugenhagen sprach gleichfalls in herzlichen Worten seine Freude über die getroffene Wahl aus, während Kranach zur Thür hinauseilte und bald mit seiner Ehewirtin zurückkam.
Frau Barbara hatte zwei große Thränen in den Augen, da sie zu dem Doktor trat und ihm die Hand reichte. »Gesegnet seid Ihr, ehrwürdiger Herr Doktor!« sagte sie mit bewegter Stimme, »und gesegnet ist die Maid, so Ihr erkoren! O wie danke ich dem Herrgott, der solche Gnade Euch erwiesen und nach der Trübsal der Zeit solche Freudensonne über Eurem Haupt aufgehen lässet! Ach, Herr Doktor, Ihr habet bis anher immer mit so hohen Worten von dem heiligen Ehestand geredet, nun aber werdet Ihr erfahren, daß Ihr in diesem Stand mehr finden werdet, denn Worte sagen mögen.«
In dem kam ein Diener herein mit einem Krug Wein und vier silbernen Bechern auf güldenem Brett. »Setzet Euch nieder, ihr Lieben«, mahnte Kranach, »auf daß die bewegten Herzen stiller werden!«
Während Frau Barbara die Becher mit dem funkelnden spanischen Wein füllte, nahmen die Männer auf den herbeigeschafften geschnitzten Sesseln Platz.
»Nun aber thue uns kund, Bruder Martinus«, sagte Kranach, sich vergnügt die Hände reibend, »wie solche große Wandlung in deiner Seele zugegangen, denn nimmer hatte ich diesen Entschluß von dir gehoffet.«
Luther trank einen Schluck Wein und antwortete: »Der Mensch denkt, Gott lenkt. Und so Er einen treibet, wer mag dann wider den Stachel löcken? Habe zum ersten meiner Feinde gedacht, so des Schmähens und Lästerns wider mich immer mehr machen, sagend: das ist ein sauberer Held, so andere in den Ehestand treibet und waget sich selber nicht hinein. So will ich dem Teufel und seinen Schuppen, den großen Hansen, Fürsten und Bischöfen zum Trutz ein Weib nehmen und dem verachteten und verworfenen Ehestand das Siegel aufdrücken. Und zwar will ich es eilends thun, daß ich noch Zeit finde, meine Lehre durch die That zu bekräftigen, denn die Zeiten sind so böse, daß vielleicht mein Stündlein bald vorhanden. Will also flugs Hochzeit machen, daß der Tod mich im Ehestand finde, sollte es auch bloß eine verlobte Josephsehe sein. – Weiter aber habe auch ich meines alten Vaters gedacht und seines Schmerzes, da ich als ein ungehorsamer Sohn in das Kloster lief. Will nun meine Sünde wieder gut machen und auf sein vielfältig Bitten ihm antworten: Sehet da, lieber Vater, der Martinus hat ein Weib; so seid nun stille und freuet Euch mit ihm! – Zum dritten aber habe ich meiner Freunde gedacht, so noch schwach sind im Mut und sich fürchten zu freien, weil der Luther es nicht auch thue. Also will ich meine Lehre, so vielleicht bald nach meinem Tode unterdrückt werden möchte, nochmals mit meinem Beispiel für die Schwachen bestätigen.«
»Du liebe Käthe!« rief in wonniger Entzückung sich selbst vergessend Frau Barbara, »du bist die Gesegnete unter den Weibern, dir ist das Loos aufs liebliche gefallen!«
»Hat sie schon eine Ahnung von dem, was ihr geschehen soll?« fragte Doktor Apel.
Luther erwiderte: »Wohl bin ich ihr in letzter Zeit öfter begegnet denn früher und habe sie mit großem Wohlgefallen angeschaut, wie ihr innerlicher Wert, ihre hausfrauliche Tugend und Adel der Seele mir immer klarer herfürkamen. Doch bin ich nicht verliebt noch brünstig, sondern mein Herz, als eines in die Vierzig Getretenen, schlägt ruhig und gelassen, obwohl ich die Käthe von Herzen lieb habe. So mag sie wohl auch keinerlei Vermutung hegen, was ihr heute widerfahren soll; doch hoffe ich, sie werde mir ihre Hand nicht weigern. Euch aber, liebe Freunde, wollte ich gebeten haben, mit mir zu gehen, auf daß mein Verlöbnis, als vor Zeugen geschehen, Kraft und Gültigkeit habe vor der Welt.«
»Ei, das ist ein fröhlicher Gang, dergleichen ich noch wenige gegangen!« jubelte Kranach auf. »Doch sage, liebster Martinus, aus was Ursach du solchen deinen Entschluß so heimlich ausführen wollest. Siehe, Melanchthon – – –«
»Ach, rede mir nicht von diesem!« fiel Luther eifrig ein. »Ist ein zaghaft Blut, er und auch andere meiner Freunde, als die da besorgen, mein ganzes Werk möchte zusammenfallen, so ich ein Weib freiete und noch dazu eine ehemalige Nonne. Soll derhalben in aller Stille geschehen, was geschehen muß, maßen sonsten der Satan wohl Hindernis und viel Gewirr machen möchte mit üblem Gerede, nicht allein der Feinde, sondern auch der Freunde!«
Doktor Apel hatte in tiefes Nachdenken versunken dagesessen. Jetzt hob er mit verlegenem Lächeln den Kopf und wendete sich zu Luther hin. »Meine Seele ist voll Lust und Freude, wie der andern; eines jedoch leget sich als ein Schatten der Sorge darüber, nämlich dieses, ob auch die Jungfer Katharina, bei aller Vortrefflichkeit des Herzens und Gemüts, Euch gewachsen sei und Euch auf die Länge genügen möchte? Denn nicht allzuviel Wissen und Gelehrsamkeit hat sie aus dem Kloster mitgebracht. Verzeihet mir, Herr Doktor, daß ich solches Bedenken geäußert!«
Luthers Augen leuchteten in heiligem Feuer auf. »Ei, liebster Apel, was ist es denn, das dem Magister Philippus Melanchthon sein Weib so gar lieb und sein Haus zu einem Tempel des Glücks machet? Siehe, auch er hat nicht nach einem gelahrten Weib gehaschet, sondern allein das Herz angesehen. Ist doch ein gelahrtes Weib gleich einer Stechfliege, so da glänzet und nur darauf aus ist, zu reizen und zu stacheln. Was dem Mann gefällt und ihm die Ehe zum Paradies machet, das ist ein Weib mit sittsamem, frommem Gemüt, mit einer stillen, demütigen Seele, mit einem Herzen voll Liebe und Sanftmut und mit einer treuen, geschickten Hand, so dem Hauswesen wohl fürstehen mag.«
Ein dankbar inniger Blick aus Barbaras Augen lohnte den Doktor für dieses Wort.
»Nun aber lasset uns in Gottes Namen gehen!« drängte Kranach, indem er nach Mantel und Barett griff.
Die Männer verließen in ernstem Schweigen das Haus, und Frau Barbara machte still hinter ihnen das Zeichen des heiligen Kreuzes.
Auf der Diele saßen die Frau Stadtsyndikus Reichenbach und Katharina von Bora und schälten Rüben zu dem Mittagsmahl.
»Ist es denn wahr«, fragte die letztere, »daß der neue Kurfürst bei seiner Thronbesteigung feierlich erklärt hat, er wolle sich des Evangeliums mit allem Ernst und Eifer annehmen?«
Frau Elsa bejahte es. »Schon bei Lebzeiten seines Bruders, des seligen Herrn, hat er sich zu wiederholten Malen freundlich und leutselig gegen den Doktor Martinus geäußert und ihm alle Ehrerbietung gezollt.«
Katharinas Augen blitzten in stolzer Freude auf. »Ehre, dem die Ehre gebühret! Siehe, um eines Hauptes Länge raget der große Doktor über alles Volk hinaus, und Kaiser, Könige und Fürsten müssen vor ihm sich bücken.«
Lächelnd schaute Frau Elsa die Begeisterung, die bei der jedesmaligen Erwähnung Luthers Katharinas Wangen röteten, und lenkte das Gespräch ab. »Möchtest du heute lieber in der Küche schaffen, oder droben auf der Kammer das Gesponnene in die Truhe thun?«
»Thuet, was Euch am liebsten, so übernehme ich das andere«, versetzte die Käthe. –
An der Hausthür ertönte der Klopfer, und als Katharina eilfertig öffnete, traten Luther, Kranach, Bugenhagen und Apel herein. Ernst und feierlich war ihr Gruß, nicht wie sonst mit freundlicher Gebärde, so daß Katharina befremdet zur Seite trat.
Die vier Männer schritten zunächst auf Frau Elsa zu, der die Feierlichkeit der Anrede gleichfalls eine schnelle Beklemmung des Herzens verursachte.
»Wollet mir verstatten«, hob Luther an, »in Eurer Gegenwart und im Beisein dieser drei ehrenwerten Männer mit Katharina von Bora in einer wichtigen Angelegenheit zu handeln.«
Mit den Augen fragweis erst den Luther und dann die drei im Hintergrund stehen gebliebenen Männer anschauend, winkte Frau Elsa nach einigem Besinnen die Käthe herbei, welche mit noch größerer Herzensangst an den Tisch trat.
»Vielliebe Jungfer!« fing nun Luther an, »es ist Euch wohlbekannt, mit was Anteil an Eurem Geschick ich allezeit Euer gedacht und mich umgeschauet nach einem würdigen Ehegemahl, auf daß Ihr in dem Stand heiliger Ehe Euren Beruf und Bestimmung erfülletet. Doch sind mir solche meine Bemühungen bis auf den heutigen Tag nicht wohl geraten, welches mir sehr beschwerlich gewesen und Ursach großer Bekümmernis. Da man aber im Sprichwort saget: Aller guten Dinge sind drei: so erscheine ich heute abermals in solcher Angelegenheit vor Eurem Angesicht und frage Euch – – –«
Die Jungfrau hob angstvoll die Hände auf und versuchte zu reden, doch das Herz versagte ihr.
»Ängstet Euch nicht, herzliebe Katharina«, fuhr Luther in sanfterem, weicherem Ton fort, »denn nicht für einen andern komme ich heute, sondern, nachdem mir Gott nach langem Ringen in das Herz gegeben, daß ich nicht länger zögern solle, mein Wort mit meinem Beispiel zu besiegeln, und mein Herz ohne etliches Besinnen gesagt, welche mir die werteste sei von allen Jungfrauen, so frage ich Euch im Angesicht Gottes und in Gegenwart dieser menschlichen Zeugen, ob Ihr möchtet willens sein, dem Doktor Martinus Luther Euch als seine eheliche Hausfrau zu verloben.«
Eine tiefe, regungslose Stille lagerte sich über das Gemach. Unbeweglich wie Bildsäulen standen die drei Männer im Hintergrund, Frau Elsa starrte mit weit offenem Mund und Augen den Doktor an, und Katharina? Ihr ganzer Körper bebte, ihre Hand faßte nach der Lehne des neben ihr stehenden Stuhls, aus ihrem Gesicht trat alles Blut zum Herzen, welches ihr plötzlich stillzustehen schien.
Das währte etliche Minuten. Da hoben sich ihre Hände zum Himmel auf, und alles um sich her vergessend flüsterten in heiligem Erschauern ihre Lippen: »Herr mein Gott, du weißt, wie ich es als das größte Glück von dir erbeten, daß ich ihm dienen dürfte als seine Magd. Und nun soll ich sein ehelich Gemahl sein? Ach Herr, erdrücke mich nicht mit deiner Barmherzigkeit!«
Von der Seite her, wo Frau Elsa stand, ward ein lautes Aufschluchzen hörbar, und tief bewegt erfaßte Luther Katharinas Hand: »So wollet Ihr die Meine sein bis an den Tod?«
»Ja!« klang es in leisem, zitterndem Jubel von der Jungfrau Lippen, und in holder Scham gab das sich öffnende Herz den Wangen das Blut wieder, daß sie nie in ihrem Leben schöner ausgesehen hatte, als in diesem Augenblick höchster irdischer Glückseligkeit.
Da beugte sich der große Doktor zu ihr nieder und gab ihr den Verlobungskuß.
Hell strahlten am Abend dieses Tages die Fenster des Oberstocks im Reichenbachschen Hause, und in dem großen Prunkgemach mit den zwei Säulen war eine fröhliche Gesellschaft versammelt. Vor einem mit Blumen geschmückten und im Kerzenglanz strahlenden Altar knieeten Martin Luther und Katharina von Bora, während rings umher der Kreis der nächsten Freunde mit gefalteten Händen mitbeteten, da Luther mit herzbeweglicher Stimme sprach: »Lieber himmlischer Vater! Dieweil du mich in deines Namens und Amtes Ehre gesetzet hast und mich auch willst Vater genannt und geehret haben, so verleihe mir Gnade und segne mich, daß ich mein liebes Weib, Kind und Gesind göttlich und christlich regiere und ernähre. Gieb mir Weisheit und Kraft, sie wohl zu regieren und zu erziehen; gieb auch ihnen ein gutes Herz und Willen, deiner Lehre zu folgen und gehorsam zu sein, durch Jesum Christum. Amen.«
»Amen!« klang es antwortend im Kreise wieder, und nun trat Doktor Bugenhagen herzu, steckte den Verlobten die Ringe an die Finger und segnete den geschlossenen Bund im Namen der heiligen Dreieinigkeit.
Solches geschah am Dienstag nach Trinitatis, den 13. Juni 1525.