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Der zweite Band meiner »Geschichts- und Lebensbilder« ist ein Seitenstück und eine Ergänzung zu dem ersten. Den Mann, welchen wir dort in seinem öffentlichen, weltgeschichtlichen Wirken bewunderten, nun in dem stillen Frieden seines häuslichen Lebens zu belauschen, habe ich mir zur Aufgabe gestellt und diese nicht besser lösen zu können geglaubt, als durch die Zeichnung des Lebensbilds der Katharina von Bora.
Nicht eben leicht war diese Aufgabe, denn erstens fließen über die Gattin des Reformators die geschichtlichen Quellen ebenso spärlich, als sie über ihn selbst in breiter Flut daherrauschen; – tritt doch hinter den Geistesriesen die Hausfrau schon an sich zurück, und nun zumal diese Hausfrau, dieses demütige Weib, das sich nicht vordrängt und in dem Sonnenschein der Größe ihres Mannes eitel bespiegelt, sondern still in seinem Schatten steht, zufrieden, ihm dienen zu können »wie eine Magd« und glückselig in dem Nehmen aus seiner Fülle. Es sind nur gelegentliche Notizen, die uns von der Katharina Kunde bringen, und aus diesen Schnitzeln ein ganzes, rundes, volles Bild herzustellen, ist nicht gerade leicht.
Aus dem Umstand aber, daß Luther, der Heros, so hoch über sein Weib hinausragt, ergiebt sich für die Zeichnung eines Lebensbildes der Katharina von Bora noch die weitere Schwierigkeit, daß aus ihrer Biographie oft unwillkürlich und unversehens eine Biographie Luthers wird, so daß der Verfasser sich manchmal an die Stirn greift und fragt: Was willst du eigentlich schreiben, den Luther oder die Käthe? Mag man dieses einen Mangel der Darstellung nennen, so ist das eine unumgängliche Notwendigkeit, die sich aus der ganzen Sachlage ergiebt – was kann ich dafür, daß Luther solch ein Riese ist und immer voran steht? Wollte man mir aber dennoch einen Vorwurf daraus machen, so decke ich mich durch Rückweisung auf das, was ich im Eingang dieses Vorworts sagte: daß es mir darauf ankomme, an dem Faden des Lebensganges Katharinas von Bora das häusliche Leben Luthers zu schildern. Da wird sich denn der Doktor Martinus als der Hausvater auch wohl etwas breit machen und die erste Geige spielen dürfen. –
Wie schon angedeutet, ist die Litteratur über Katharina von Bora sehr spärlich. Abgesehen von dem, was Walch in seiner gewohnten epischen Breite zur Verteidigung der Gattin Luthers gegen die schmählichen Verunglimpfungen derselben von seiten ihrer papistischen Gegner zusammengetragen hat, besitzen wir, soviel mir bekannt, nur zwei gelehrte Werke über die Katharina, das von Hofmann (Kath. von Bora oder Luther als Gatte und Vater. Leipzig 1845) und W. Beste (Die Geschichte der Kath. von Bora. Halle 1843); außerdem ein in mehr populärer, rein biographischer Form gehaltenes Büchlein von Meurer, dem Lutherbiographen, das in seiner prägnanten Kürze und seinem Lapidarstil sehr anmutet. – Mein Absehen ist nun gewesen, das in den genannten Werken aufgespeicherte Material novellistisch gestaltet in lebendige Handlung umzusetzen und so mitzuhelfen, daß unser Volk die Lebensgefährtin seines größten Mannes nicht bloß dem Namen nach kenne, sondern eine klare Vorstellung gewinne von dem, was sie gewesen ist: eine »Gehilfin« ihres Mannes im vollsten Sinne des Worts, ein Vorbild häuslicher Tugend, eine Perle der deutschen Frauen.
Halle a/S., im Juli 1879.
Armin Stein.
Neu ausgestattet schicke ich zum andernmal dies Büchlein in die weite Welt und schreibe ihm den Geleitsschein mit großen Freuden. Von Leuten aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist, sind mir Zeugnisse geworden, daß meine Arbeit nicht vergeblich gewesen ist, daß viele mir zugehört haben, da ich ihnen von dem Musterbild deutscher Frauen erzählte. Von diesem und jenem weiß ich's direkt, daß ihm aus der Anschauung dieses Lebensbildes ein Segen gekommen ist, und daraus ziehe ich die Hoffnung, daß auch heimlich manches Körnlein gekeimt haben mag, wo ich's nicht weiß. Und ich preise meinen Gott, daß er es mir gegeben, in Seinem Namen zu wirken und nach meinem geringen Teil mitzuhelfen, daß Sein Reich komme.
So hege ich denn auch für die Zukunft die Hoffnung, daß im deutschen Vaterland sich noch Thüren finden werden, die sich aufthun, wenn Luthers Käthe anklopft, und gebe meinem Büchlein den Wunsch mit auf den Weg: Auch deinen zweiten Ausgang segne Gott!
Halle a/S., im August 1882.
Armin Stein.
Mein Wunsch ist erfüllt: auch den zweiten Ausgang meiner »Katharina von Bora« hat der Herr gesegnet. Er hat sie abermals viele offene Thüren finden lassen.
Wenn ich das Büchlein zum drittenmal in die Welt hinausschicke, so bemerke ich dazu, daß es an einer schadhaften Stelle ausgebessert worden ist, im 25. Kapitel nämlich, welches nicht bloß eine andere Überschrift bekommen, sondern auch in seinem Inhalt derartige Änderungen erfahren hat, daß das Bild des Kanzlers Brück in einem mildern Licht erscheint. Diese Verbesserung hielt ich nach den über den Kanzler angestellten neueren Forschungen für geboten und freue mich der Belehrung von seiten meines lieben Amtsgenossen D. v. Kölln, dem ich hiermit öffentlich meinen Dank ausgesprochen haben will.
Und so wünsche ich denn der Käthe zum drittenmal glückliche Reise.
Halle a/S., in der Fasten 1886.
Armin Stein.
Da sich meine »Katharina« zum viertenmal auf die Reise begeben will, so möchte ich die Gelegenheit benutzen, zwei Nachrichten zu geben, die sich auf das Buch beziehen und für dasselbe von Bedeutung sind.
Zum ersten hat es einer sinnigen Dichterin, Rosa Spilger, die Anregung gegeben, das Leben der Katharina von Bora in Liedern darzustellen. Ihr Werkchen ist ausgegangen unter dem Titel: »Grüße aus dem Lutherhause« (Zwickau, bei Eichhorn & Jehne). Ich möchte auf diese in edel schlichte, anmutige Form gegossenen Gedichte hiermit hingewiesen haben.
Eine zweite Ehre ist, wie ich erst jüngst vernommen, meinem Buch widerfahren, indem die Universität Paris dasselbe schon vor Jahren der Aufnahme unter die Lehrmittel beim deutschen Unterricht (als Lesebuch) gewürdigt hat.
Daß meine »Katharina von Bora«, wie die meisten meiner Schriften auch ins Holländische, Englische, Norwegische und, so viel ich weiß, auch ins Dänische übersetzt ist, sei nur nebenher erwähnt.
Alle diese Ehrungen, die ich als ein Gnadengeschenk Gottes mit demütigem Dank hinnehme, erwecken in mir den Mut der Hoffnung, daß mein Büchlein auch bei seinem vierten Ausgang in die Welt noch hier und da einen freundlichen Willkommen finden werde.
Halle a/S., in der Fasten 1897.
Armin Stein.