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13. Weltstellung der Donau.

Das Donaugebiet ist mehr von gewaltigen Gebirgsmauern umgürtet als irgendein anderes großes Flußsystem Europas. Im Süden erheben sich die Alpen und ihre Fortsetzungen in Illyrien und der türkischen Halbinsel, im Norden die Karpaten, die böhmischen Berge und der deutsche Jura. Im ganzen kann man also die Donau als ein im hohen Grade gesondertes und auf sich selbst beschränktes Flußsystem bezeichnen. Desto wichtiger sind aber die verschiedenen Öffnungen und Tore, welche die Natur in diesen Mauern gelassen und die der Mensch zum Verkehr benutzt hat. Die Tore führen überall in mehr oder weniger benachbarte Fluß- und Ländergebiete hinüber, und von jeher gingen zahlreiche Völkerschaften, bewaffnete Armeen, Handelszüge und Karawanen durch sie aus und ein. Am meisten geöffnet ist die Donau bei ihren Quellen und an der Mündung. Darum von beiden Endpunkten her ein beständiges weltgeschichtliches Einströmen, von der Mündung nach Westen herauf, von den Quellen nach Osten hinab. Von der Mündung kamen und kommen die Völker und Produkte des Orients, von der Quelle strömt das Leben des Abendlandes herein.

Bei den Quellen bietet sich zunächst der Rhein und hinter ihm Frankreich dar. Hier fand, da der deutsche Jura kein Hindernis abgibt, eine völlige Verschmelzung des Donaugebietes mit Deutschland, besonders mit dem Flußgebiete des Rheins, statt; stets führten hier gangbare Straßen, in neuerer Zeit auch Kanäle zum Rhein hinüber. Diese Verschwisterung der Donau mit dem Rhein, auf die schon im Nibelungenliede hingedeutet wird, ist sogar uralt. Mit Hilfe des Mains, des Rheins, der Straßen und Kanäle stellen Rhein und Donau eine einzige ununterbrochene Verkehrsbahn dar, und zu keinem anderen großen Strome tritt die Donau in so innige Beziehung wie zum Rhein. Über den Rhein hinüber weist die Donaulinie gerade in das Herz Frankreichs hin. Ihren Lauf verfolgend, kam Attila auf die Felder von Chalons, nach ihm die Magyaren und andere Donauvölker in dieselbe Gegend. Aus Frankreich und vom Rhein nach Osten hervorbrechend, drangen die Kelten, dann Karl der Große, weiter die Kreuzfahrer, endlich Napoleon an der Donau herab. Ein Seitenzweig des Weges, welcher die Donau von Wien heraufkommt, zieht sich nach Südwesten zwischen Alpen und Jura in die Schweiz. Auf diese Seitenbahn, über den Bodensee hinweg, warfen sich die Alemannen, in Helvetien einbrechend; vom Bodensee her drangen die Römer ins obere Donaugebiet ein. Jetzt laufen Hauptlinien der Donau-Eisenbahnen in dieser Richtung.

Nirgends greift aber die Donau tiefer in das Herz von Deutschland, als bei dem großen Winkel von Regensburg, dem Ausgangspunkte des ganzen Verkehrs von Mitteldeutschland mit der Donau (über Nürnberg). Weiter im Osten von Regensburg nähert sich dann die Elbe vermittels des Moldautales dem Donaulaufe. Von Passau, von Linz, von Wien aus gibt es nahe und kurze Übergänge ins obere Elbgebiet, welche die Donau mit dem ganzen Elbstrome, mit Norddeutschland, mit Hamburg in Verbindung bringen. Das obere Elbgebiet (Böhmen) ist von Bergen eingeschlossen, die aber nach den unteren Elbgegenden und nach den Oberländern hin sich höher und unwegsamer gestalten als nach der Donau hin. Der böhmische Elbquellenkessel ist daher von den unteren Elbländern stärker abgeschnitten als nach der Donau zu; er kam auch schon seit der Zeit der Markomannen immer in weit innigere Beziehung zur Donau als zu irgendeinem anderen Flußsysteme, und ist seiner ganzen Geschichte und Stellung nach eigentlich als ein halbes Donauland zu betrachten. Die Eisenbahnen waren bald ohne Schwierigkeiten aus der Donau zur böhmischen Elbe hinübergeschritten, während von Böhmen aus erst später und schwieriger die Eisenbahnverbindung mit der Oder oder unteren Elbe fertig gebracht werden konnte.

Mit der March reicht die Donau der Oder die Hand. Das Marchbecken ist im Norden nicht durch Gebirge verschlossen. Zwischen den Karpaten (den Westbeskiden) und dem Mährischen Gesenke ist hier ein Durchbruch vorhanden, eines der merkwürdigsten Verkehrstore des ganzen Donaugebietes. Schon in alten Zeiten ging hier nach Carnuntum, der großen Handelsstadt an der Mündung der March, ein Handelsweg (unter anderem auch eine Bernsteinstraße) zur Donau durch. Hierher kamen die nordischen Pelzhändler. Hier war stets ein großer Völkerandrang, dem die Römer von Carnuntum, von Vindobona (Wien) aus Widerstand leisteten. Durch dieses mährische Tor drangen zu wiederholten Malen die Polen, die Mongolen, die Russen ein. Hier liegen die berühmten Schlachtfelder des Marchfeldes, von Olmütz und von Austerlitz. Hier dürfte auch eine Haupteinbruchsstation für die Russen sein, gegen welche die Festung Olmütz das Tor bewacht. Eine Zeitlang war das obere Odergebiet (Schlesien) selbst politisch mit dem Hauptdonaustaate (Österreich) verbunden. Durch das mährische Tor gehen Kunststraßen und Eisenbahnen zur Oder, zur Weichsel, und ein lebhafter Handel mit den Oder- und Weichselländern am Baltischen Meere. Die Möglichkeit einer Kanalverbindung zwischen der Donau einerseits, der Elbe, Oder und Weichsel andererseits ist seit den Zeiten Karls IV. immer und immer wieder Gegenstand ernster Erwägungen gewesen und wird gerade in der Gegenwart wieder besonders lebhaft erörtert.

Das Donaumoos. Nach einem Gemälde von Toni Stadler.
Verlag von Friedrich Brandstetter, Leipzig. Druck von F.A. Brockhaus, Leipzig.

Gegen Süden sind die oberen Donaugegenden durch die gewaltigen Alpenmauern stärker abgeschieden als an irgendeinem Teile ihres Gebietes. Der bequemen Übergänge aus den Donautälern in die Täler der benachbarten Flüsse, z. B. des Po, der Etsch, sind nur wenige, der Paß von Worms zur Adda, der Paß des Brenner zur Etsch, der Paß bei Cortina zum Piave, der Paß bei Ponteba zum Tagliamento usw. Daher blieben auch hier die Donauvölker (Deutsche) von ihren Nachbarn (Romanen) strenger geschieden. Indessen drängt hier, nahe zum Fuß der Alpen, tief in die europäische Ländermasse der lange adriatische Golf hinein. Dieser Golf ist von Nordwest nach Südost gerichtet und bildet somit eine schöne, schiffbare Straße nach Griechenland, zur Levante, nach Ägypten. In Verbindung mit dem Mittelländischen und dem Roten Meere gibt er einen Teil der großen Weltverkehrsstraße zwischen dem produktenreichen Indien und dem bedürfnisreichen Europa ab. Seine innerste, nördlichste Spitze nähert sich den Quellen der Donaunebenflüsse bis auf 100-200 km, und die Hauptdonaulinie selbst streicht in einer Entfernung von 300 km an ihm vorüber. Diese Umstände haben trotz der Gebirgsmauern immer die Vermittelung eines lebhaften Verkehrs zwischen der Donau und dem Adriatischen Meere begründet. Adria, Aquileja, Venedig und jetzt Triest und Fiume, die Haupthandelsstädte der adriatischen Golfspitze, haben stets einen lebhaften Handel mit den Donauländern unterhalten. In der Spitze des adriatischen Golfs besitzt die Donau einen ihrer hauptsächlichsten Stapelplätze zum freien Meere hin, gleichsam einen ihrer Mündungshäfen. Daher meinten auch die alten Griechen, es liefe hier ein Arm der Donau zum Meere hin. Durch die Eisenbahnen, die jetzt dahin führen, ist allerdings die griechische Sage zur Wahrheit geworden. Die Donaulinie und die Spitze des Adriatischen Meeres standen von jeher politisch in inniger Wechselbeziehung. Vom Adriatischen Meere aus rückten die römischen Legionen ins mittlere Donaugebiet vor und machten den großen Strom zum Grenzgraben ihrer italienischen und alpinen Besitzungen. Von der Donau aus strebten auch die Ungarn, die Österreicher zum Adriatischen Meere und suchten sich im Besitze seines wichtigen Busens zu behaupten. Jetzt führen mehrere Kunststraßen aus den Donaulanden durch jene Pässe hin. Von dem Golfe von Venedig oder Triest aus übersieht und regelt man die Verkehrsangelegenheiten der größeren Hälfte der Donau, die sich in einem weiten Bogen um diese Spitze herumschlingt, zum Teil selbst auch die des mittleren Donaubeckens. Die Hauptflußlinien dieses Beckens, die Drau und Sau, dringen, weite Straßen nach Osten eröffnend, bis zu diesem Golfe heran, und schon zu der Römer Zeiten gab es Schiffahrt längs dieser Ströme, und Handelsbewegungen, die auf jene Meeresspitze berechnet waren. Die Sau läuft mit ihrem Hauptstücke mit der Nordküste des Adriatischen Meeres parallel und nähert sich dieser an verschiedenen Punkten und noch mehr durch die Täler ihrer zahlreichen Nebenflüsse, der Kulpa, der Unna, des Vrbas, der Bosna, der Drina. Von jeher gehen an diesen Flüssen Handelsstraßen, Saumwege und Karawanenzüge und neuerdings auch einzelne Eisenbahnlinien hinauf und zum Adriatischen Meere hinab, wo sie den Handel einer zahllosen Menge von Häfen, wie Fiume, Zengg, Zara, Spalato, Ragusa, Cattaro usw., beleben. Diese dalmatinischen Häfen waren von jeher die Stapelplätze alles Warenaustausches zwischen den illyrischen Donaugegenden und den transadriatischen Ländern.

Gehen wir aus dem Süden zu den Nordgrenzen des mittleren Donaubeckens hinüber, so finden wir die gewaltige Bergmasse des karpatischen Gebirgsstockes. Dieser bildet zwei Hauptmassen oder Knoten: erstlich im Nordwesten, wo das Tatragebirge mit seinen Zweigen (den slowakischen Gebirgszügen) ein Bergland von 220 km Länge und Breite erfüllt; dann im Südosten, wo die siebenbürgischen Karpaten mit ihren zahllosen Zweigen ein noch größeres und unwegsames Bergland bilden. Zwischen diesen beiden breiten Erhebungsmassen, die sich dem Norden und Osten verkehrshindernd entgegenwerfen, zieht sich der schmälere und niedrigere Höhenzug der mittleren Karpaten verbindend hin. Zwischen beiden Gebirgsmassen, der slowakischen und der siebenbürgischen, liegt das flache Theißland, das mit seinen Ebenen und vielen Tälern tief in die Karpaten hineingreift und sich den jenseitigen Tälern und Ebenen am Dnjestr, an der Weichsel so weit nähert, daß nur noch ein schmaler Wald- und Höhendamm dazwischen bleibt. Durch die zahlreichen Tore dieses Dammes wird der Verkehr der Theiß- und Donauländer mit den Weichsel-, Dnjepr- und Dnjestrländern vermittelt. Da der Übergang nicht schwer war, so brachen hier auch von jeher viele Völker zur Theiß und Donau herein, namentlich die Magyaren, nach ihnen noch einmal die Mongolen, häufig die Polen, im Jahre 1849 die Russen.

Wie das Zwischenbecken der mährischen March im Norden, so ist auch das der serbischen Morawa im Süden für die Beziehung der Donauländer zur nahen und fernen Nachbarschaft von äußerster Wichtigkeit. Um seine Bedeutung ganz zu verstehen, muß man einen Blick auf die Gestaltung des Ägäischen Meeres und der Länderbrücke bei Konstantinopel werfen. Das Ägäische Meer dringt mit seiner nordwestlichen Spitze, dem Busen von Saloniki, am tiefsten in die Ländermasse der griechisch-türkischen Halbinsel hinein. Hier mußte sich ein bedeutender Marktplatz, ein großer Stapel bilden (Thessalonich, Saloniki). Am Bosporus, mitten auf der großen europäisch-asiatischen Völkerbrücke, mußte gleichfalls ein großer Völkermarkt entstehen (Byzanz, Konstantinopel). Von der Donau aus mußte man von jeher Bedürfnis fühlen, sich mit beiden Punkten in Verbindung zu setzen. Die Donau selbst wirft sich nun, nachdem sie sich beiden Punkten bedeutend genähert, in ihrem unteren Laufe wieder nach Norden herum. Dagegen aber bietet sich das Tal der serbischen Morawa, das sich kurz vor dem Punkte öffnet, wo die Donau, durch das Eiserne Tor stürzend, ihr unteres Tiefland betritt, zur Vermittelung dar. Durch die Stromschnellen und durch den Riegel unwegsamer Gebirgsmassen beim Eisernen Tore war ohnedies der Donauverkehr so gut wie abgeschnitten. Er verließ daher hier seit alten Zeiten zum großen Teil die Hauptstrombahn und trat in die Morawatäler ein. Die Morawa gibt auf der einen Seite (besonders ihr östlicher Zweig, die Nisawa) der in derselben Richtung auf Konstantinopel gehenden Maritza durch die Vermittelung des Iskertales bei Sofia die Hand, auf der anderen Seite aber den mazedonischen Flüssen Wardar und Karasu (Struma), die nach Thessalonich führen. Sie vermittelt auf diese Weise den Verkehr der Donau mit dem Ägäischen Meere, mit der Propontis, mit Byzanz, mit Kleinasien. Die Hauptstraße ist die südwestliche durch die Morawa-, Isker- und Maritzatäler nach Byzanz, von der die mazedonische Straße auf Thessalonich sich abzweigt. Wer mag die mazedonischen, griechischen, persischen und römischen Heere alle nennen, die auf dieser großen Straße zur Donau sich ergossen? Wer kann die Schlachten zählen, die hier, längs dieses Traktes, in den Tälern der Morawa, der Nisawa, des oberen Isker und der Maritza den zur Donau hinabsteigenden oder den nach Byzanz von jenem Strome her vordringenden Feinden geliefert wurden? Durch diese Täler wälzten sich, Lawinen gleich, die Kelten, die auf der einen Seite Mazedonien und Griechenland bis Delphi, auf der anderen Thrakien bis zum Bosporus und sogar Kleinasien verwüsteten. Hier bei der Morawa verließen die Kreuzfahrer den Donauweg und wandelten durch dieselbe Tälerkette ins Morgenland. Unzählige Male erschallte auf dieser wichtigsten Straße der türkischen Halbinsel die Janitscharenmusik der Großwesire, die in Serbien oder ins mittlere Donaubecken einbrachen. Ebenso zogen in Friedenszeiten die Karawanen der asiatischen und europäischen Kaufleute seit Jahrtausenden diese Straße und gaben Anlaß zur Errichtung großer Bazare und Marktplätze, sowie zur Anlage der menschenreichen Städte Adrianopel, Philippopel, Sofia u. a. Heute gehen durch diese Talzüge zwei der wichtigsten Bahnlinien der Balkanhalbinsel, die für den Handel Österreichs und Deutschlands mit dem Orient von weittragender Bedeutung sind. Die Strecke Belgrad–Sofia–Konstantinopel bildet den östlichen Abschnitt der Orient-Expreßlinie Paris–Konstantinopel, die Linie Belgrad–Üsküb–Saloniki verknüpft die serbische Hauptstadt an der Donau in gerader Richtung mit dem wichtigsten Hafen des Ägäischen Meeres.

Das untere Donaubecken oder das Donautiefland ist zwar heute mit dem mittleren durch die das Eiserne Tor passierende wichtige Bahn Budapest-Temesvar-Bukarest verbunden, aber die Versuche, die Hindernisse der Donauschiffahrt an jener Durchbruchsstelle des Stromes zu beseitigen, haben nur einen sehr beschränkten Erfolg gehabt. Noch immer ist während eines großen Teiles des Jahres die Schiffahrt dort gesperrt. So bilden die das rumänische Donauland in weitem Bogen umgebenden hohen Gebirge noch immer eine besonders gegen Westen scharf ausgeprägte Grenzlinie für Völkerleben und Handel, dagegen öffnet sich die untere Donauebene weit gegen das Schwarze Meer und gegen die an dessen Nordrand liegenden Steppengebiete. Die Reihe der hohen siebenbürgischen Gebirge (Transsylvanische Alpen) endigt gegen Osten in einer Entfernung von 300 km von der Meeresküste, und somit bleibt gegen Nordosten hin das ganze Donauland ohne Schutz. Das Gebiet von Sereth und Pruth ist bloß von niedrigen Hügeln umgeben, und die Mündungsgegenden der Donau liegen ebenso flach wie die pontischen Steppenländer, mit denen sie verschmolzen und deren Natur und Beschaffenheit sie teilen. Da demnach auch die Produkte der unteren Donauländer denen der übrigen Pontusgegenden im Norden ziemlich gleichen, so war der Warenaustausch und Handel in dieser Richtung nie sehr bedeutend. Desto bedeutender dagegen entwickelte sich der kriegerische Verkehr. Das fruchtbare Donautiefland erschien den Nationen Skythiens oder Rußlands in ähnlicher Weise als gelobtes Land, wie die schöne Lombardei den Völkern Germaniens. Frei und ungehindert drangen alle Reitervölker und barbarischen Nomaden, die das Schwarze Meer, vom Kaukasus oder Ural kommend, umkreisten, hier zur Donau ein und ergriffen meist Besitz von der ganzen Donaugegend bis aufwärts zu den ersten Katarakten. So die alten Dazier und Geten, später die Goten und viele andere Völkerschaften während der Völkerwanderung; so die Hunnen, die Awaren, die Bulgaren, die Mongolen, die Türken und Tataren. Später drangen in dasselbe breite, weite, offene Steppentor zwischen Siebenbürgen und dem Pontus die Russen herein. Jedes Volk, das, den Pontus im Norden umwandernd, in Europa einzog, nahm vor allen Dingen zuerst das untere Donauland weg. Im Süden wird dieses untere Donauland von den hohen Mauern des Balkan oder Hämus umschlungen, der es von Thrazien scheidet. Der Balkan ist von mehreren Pässen durchschnitten, von denen im Westen der berühmte Schipkapaß (Porta Trajana), im Osten der Paß von Sliwen (Slivno) und seine Nebentore bei Varna und Schumla die wichtigsten sind. Durch diese Pässe gehen Handelsstraßen von Konstantinopel her ins untere Donaugebiet hinein, auf denen orientalische Waren zugeführt und Erzeugnisse der Donauländer ausgeführt werden. Die wichtigste Straße aus den unteren Donaugegenden geht unweit der Küste des Schwarzen Meeres über Varna und Schumla. Auch ist dies eine sehr gewöhnliche Heerstraße nach Norden gewesen, auf der Griechen, Römer und Türken zur Donau vordrangen und welche die Barbaren aus dem Norden, die Goten, die Bulgaren, dann die Ungarn und Russen häufig betraten, auf der sie einander einige der berühmtesten Schlachten lieferten.

Im Angesichte der Donau ausgebreitet liegt das Schwarze Meer, das sich mit seiner größten Ausdehnung in der Richtung des Donaulaufes von Westen nach Osten fort erstreckt und mit seinem äußersten Busen beim Phasis tief in die asiatischen Länder eindringt. Vermittels der Wasserstraße, die das Schwarze Meer in dieser Richtung eröffnet, tritt die Donau mit den Handelsstraßen in Verbindung, welche vom Lande des Goldenen Vließes und von Trapezunt aus sich zum Euphrat und Tigris, dann zum Kur nach Georgien und zum Kaspischen Meer hin auszweigen, und die nördlichen Äste der großen indischen Handelsstraße bilden. Es gab Zeiten, wo durch die Venetianer ein lebhafter Frachtverkehr zwischen der Donaumündung und diesem Ostende des Schwarzen Meeres unterhalten wurde, während die Deutschen (Regensburger, Wiener usw.) die indischen Waren von der Donau weiter aufwärts führten.

Bei der heutigen Ausdehnung des Weltverkehrs tut es der Donau, diesem Könige der europäischen Flüsse, gewaltigen Abbruch, daß sie in ein so beschränktes und verschlossenes Meerbecken mündet. Das Schwarze Meer bietet eine Fläche dar, die fast nur zur Hälfte die Ausdehnung des ganzen Donaugebietes hat, aus dem ihm die Gewässer zuströmen. Auch besitzt dieses Meer nur einen einzigen schmalen Ausgang zu anderen Meeren, den Bosporus. Daher ist es möglich, daß ein einziges Volk diese Küsten und das Meer selbst beherrschen und das enge Eingangstor jedem fremden Verkehre und Interesse versperren kann. Eine solche einseitige Sperrung hat auch der Pontus (das Schwarze Meer) häufiger erlitten als irgend ein anderes Meer. Erst waren die Griechen, namentlich die Milesier, hier die ausschließenden Herren, dann war es Mithridates. Hierauf kamen die Römer, und später kämpften die Genuesen und Venetianer lange um den Schlüssel zum Schwarzen Meere und entrissen ihn sich wechselweise. Endlich erschienen die Türken und übten das Monopol des Handels und der Schiffahrt mit Ausschluß aller anderer Nationen. Jetzt, nachdem die Türken von den Russen aus der Hälfte der Küstenlänge des Schwarzen Meeres verdrängt worden sind, ist das Meer wieder für den Handel aller Völker geöffnet. Aber die Beschaffenheit des Schwarzen Meeres und besonders der Umstand, daß dessen einziges Ausgangstor, der Bosporus, gleichsam eine zweite, äußere, leicht zu verstopfende Mündung des Donauflusses bildet, die erst zu anderen Meeren und Ländern führt, wird natürlich auf den Donauverkehr immer außerordentlich lähmend wirken. Außerdem führt der Bosporus mit seinen Fortsetzungen zum Ägäischen Meer eigentlich rückwärts und eröffnet daher der Donau keine weiten und direkten Verbindungskanäle. Es wird den Donaulanden in vielen Fällen leichter, sich über Triest, Saloniki, Konstantinopel auf Landwegen mit den Ländern jenseits des Meeres in Verbindung zu setzen, als von der Mündung aus auf dem Seewege über das Schwarze Meer, den Bosporus, den Hellespont und den Archipel.

Nach J. G. Kohl.

 


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