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Im Gebirgsdialekt »Albe«, böhmisch »Labe«.
Wie am Scheitel des Brockens sich eine feuchte Moos- und Moorwiese hinaufzieht, die einem Schwamme gleich die Feuchtigkeit der Wolken aufsaugt, so lagern an der Schneekoppe gleichfalls solche Schwämme. Der eine, die Elbwiese, reicht unserm Elbstrome die erste Muttermilch. Ringsum hohe Berghäupter, nirgends ein Blick in die Ebene, oben der Himmel mit seinen Wolken, die das Bett des zarten Kindes mit ihrem weichen, aber kalten Flaum decken, während das Unterbett den größten Teil des Jahres über der weiße Schnee ist. Man zählt wohl sieben Quellwasser, die aus ebensoviel hochgelegenen sumpfigen Schluchten zwischen der Schneekoppe, Teufelswiese, Sturmhaube und dem Ziegenrücken ihr Wasser auf der Naworer Wiese zusammenziehen. Diese Wiese wird freilich vorzugsweise Elbwiese genannt, und doch liefert sie nicht die stärkste der Elbquellen, sondern muß diesen Vorzug der weißen Wiese einräumen, deren Höhenlage überdies noch die aller übrigen Elbquellen um 30 m übertrifft. Sie liegt auf dem östlichen Gebirgsflügel (die Elbwiese auf dem westlichen), wohl eine Quadratstunde groß, lehnt sich an den oberen Gipfel der Schneekoppe und bricht hier als Rand des Riesengrundes, dort zum düstern Teufelsgrunde ab. Das Weißwasser ist von vornherein ein starker Bach und zieht auch die stärkeren Zuflüsse an, unter denen das Silberwasser, der krumme Seiffen, der Sturmgraben und das Mädelwasser die bedeutendsten sind. Unterhalb des »Festungshübls«, von einer großen Granitgruppe also genannt, vereinigt sich das Weißwasser mit dem »Elbseiffen«, der nach einem prächtigen Sturze von der Höhe der Elbwiese in beständigen Fällen durch den wilden Elbgrund herabbraust. Auch das Weißwasser bildet in seinem Laufe durch den langgedehnten schauerlichen Teufelsgrund eine Reihe von Kaskaden, deren mehrere durch die Stärke und Höhe ihres Gefälles und die wild erhabene Gestaltung ihrer Umgebung zu den sehenswürdigsten Gegenständen des Riesengebirges gehören. Und doch bieten die beiden ersten Hauptnebenflüsse der Elbe, die Aupa und Iser, noch großartigere Szenen dar, ja der Iser gebührt unter den Flüssen des Riesengebirges selbst vor der Elbe die erste Stelle.
Es ist in den Haupt- und Nebenflüssen der Elbe eine Jugendlust und Frische, eine Kraft und Tollkühnheit, an welche die Flüsse des Böhmerwaldes oder Erzgebirges, Thüringer Waldes oder Harzes nicht im entferntesten hinanreichen. Es fehlen dort aber auch diese mächtigen, stufenweise übereinander gelagerten Granitblöcke, welche das Riesenkind ohne Gnade zu den waghalsigsten Sprüngen hinreißen. Gneisgranit liegt unter den Quellen und steht an den Ufern als eine geschlossene Kette von Polizeisoldaten, welche der mutigen Tochter des Gebirges den Weg nach der böhmischen Grenze weisen und sie zu einem gehorsamen kaiserlichen Untertanen machen. Bald wird das Bett weicher, und von Spindelmühl bis Hohenelbe bildet Glimmerschiefer die Unterlage. Wenn wir nicht irren, verirrt sich zuweilen noch bis in die norddeutsche Ebene ein Stück dieses Gesteins, um Zeugnis von dem fernen Quellgebiet zu geben. Die Ufer werden weniger steil, das Gefälle sanfter; die Elbe tritt in das Gebiet des Steinkohlengebirges ein; aber wenn sie auch schon zahlreiche Mühlen treibt, so ist sie doch noch an den Schultern zu schwach, um Kähne mit einem großen Tiefgang zu tragen. Die Hauptumgebung in Böhmen bildet ferner der Quadersandstein mit seinen Gefährten, und er ist es, der ihr die Tür öffnet, aus welcher ihr die Moldau entgegentritt. Diese kommt von Süden und hat schon früher die Richtung des Flusses, den man nun bis zur Nordsee mit dem Namen der Elbe beehrt; sie ist früher schiffbar als die Elbe, und doch entgeht ihr die Ehre, ihren angeerbten Namen weiter als bis zur Vereinigung mit ihrer Nebenbuhlerin zu führen. Die Moldau verläßt nämlich kurz vor ihrem Ende den geraden Weg nach Mitternacht und wendet sich nach Osten, um sich erst dann wieder nach Norden zu wenden. Die Elbe dagegen hat schon eine geraume Strecke vorher ebenfalls eine Wendung gemacht, sodaß bei der Zusammenkunft beider nicht die Elbe, sondern die Moldau die Herzukommende, also die Untergeordnete wird.
Die Elbe geht nun von Melnik an, dem Vereinigungspunkte mit der Moldau, als deren lachende Erbin auf dem ihr schon längst eigenen Terrain, dem der Kreideformation, noch einige Meilen fort. Da tritt ihr in der Gegend von Lobositz, aus der Tiefe der Erde aufsteigend, Vulkan in den Weg und wirft ihr einen Damm von Basalt, Trachyt und Phonolith entgegen. Aber des Pluto Sohn ist nicht mehr stark genug gegen die neptunische Tochter; das Wasser siegt über das Feuer; die Elbe zieht als Hilfstruppen die Wogen der Eger an sich und durchbricht den aufgetürmten Wall, dessen Werkstücke fortan zu beiden Seiten ihr eine Ehrenpforte bauen, an deren Romantik sich die Siegerin jetzt täglich erfreut. Aber schon wenige Kilometer weiter stellen sich zwei neue Bergriesen, das Erzgebirge und das Lausitzer Gebirge, in geschlossener Phalanx ihr entgegen, mit dem Harnisch des Granits (und Syenits) und dem kristallinischen Schiefer (Gneis, Glimmerschiefer, Tonschiefer) gepanzert. Indes gerade an der Stelle, wo dieser Wall der Elbe von neuem den Weg versperrt, sind seine Rücken und Flanken mit jenen die Elbe schon an ihrem oberen Mittellauf begleitenden Schichten von Kreide und Quadersandstein bedeckt, deren widerstandslose Natur dem Strome den siegreichen Durchbruch durch das neue Hindernis ermöglicht. Leicht war der Kampf zwischen Fels und Wasser trotzdem nicht, ungezählter Jahrtausende bedurfte es, ehe der ganze Wall bis auf die harten Grundgesteine durchschnitten war und die Elbe mit der stolzen Ruhe des Siegers ihre Fluten hindurchführen konnte. Dafür ist aber auch der Kampfpreis ein überaus köstlicher. Gerade die Natur des Quadersandsteins wieder ließ in dem Elbdurchbruch ein Landschaftsbild von lieblicher Romantik entstehen, das ihresgleichen auf deutscher Erde sucht und das mit Recht den Namen der Sächsischen Schweiz verdient. Es vereinigen sich hier nicht bloß die malerischen Gestalten der starren, senkrechten Felsen mit dem lebensvollen Bilde eines großen fließenden Gewässers, das eine schöne Vegetation und eine lachende Industrie an seine Ufer fesselt, sodaß zwischen beiden Mächten ein unübertreffliches Gleichgewicht herrscht, sondern es sind auch die Gruppen so gedrängt, daß für den Besucher fast alle Vermittelungsglieder der langgestreckten und langweiligen Wege hinwegfallen. Er biegt nur um eine Ecke, und ein neues liebliches Gelände tut sich lachend hervor.
Mit dem Durchbruche durch das böhmische Tor und seine Außenwerke begrüßt die Elbe die norddeutsche Ebene. Doch soll sie zunächst davon nur einen Vorgeschmack haben, und diesen hat sie, indem sie, ausruhend von den Kämpfen mit den Berggeistern, ein Mittagsmahl in dem Dresdener Kessel einnimmt, den sie mit dem eigenen Wasser füllt und in den der nordische Gott einige Brocken aus seiner Vorratskammer wirft. Ja man kann sagen: In dem Tal von Dresden genießt sich die Elbe selbst; sie kommt hier zum ersten Male zu sich selbst, zur gemächlichen und doch nicht abstumpfenden Ruhe. Die Mittagshöhe ihres Naturlebens ist erreicht, die Arbeit getan, welche dem späteren Alter die Ruhe sichern soll. Aber noch einmal beginnt ihr Kampf mit den harten Naturmächten; unterhalb Dresdens begegnet sie der Nachhut der am böhmischen Tor geschlagenen feindlichen Hauptarmee, und der Granit hat hier auch seinen jüngern Bruder, den Porphyr, zu Hilfe gerufen, wie ihrerseits die Elbe sich durch allerlei Gewässer, gleichsam durch Flankeurs, verstärkt. Der Kampf ist kurz und leicht; der Feind ist schwach und weicht bald zurück. Die Felsenufer werden niedrig und niedriger, ziehen sich mehr und mehr, besonders auf dem rechten Ufer zurück. Die Glocke von St. Afra verkündet, daß die vorüberziehende Göttin in die arva (Gefilde) Norddeutschlands eintritt.
Es beginnt ihr Unterlauf; ihr Angesicht färbt sich, das reine Wasser des Felsenbettes wird trübe. Doch es hebt bei dem Eintritt in die norddeutsche Ebene, nach der Arbeit des Kampfes, für die Elbe die Arbeit des Segens, des positiven Schaffens an. Das Diluvium der deutschen Ebene hat ihr zwar die allgemeine geognostische Unterlage in den Ton-, Lehm- und Sandschichten gegeben; aber sie gräbt sich nun ihr Bett mit Leichtigkeit selbst und hat daher Zeit und Muße, um nicht mehr an sich allein, sondern auch an ihre Umgebung zu denken und die mitgebrachten Schätze, gleich dem Nil, als fruchtbringendes Alluvium ihrer Nachbarschaft mitzuteilen. Diese Arbeit war früher nur durch die Gestaltung des umgebenden Landes begrenzt. Ihr Arm reichte so weit, als die überflutenden Wogen gingen, indem sie an sich selbst, d. h. an ihrer erschöpften Kraft, oder an dem Fuße der Höhenzüge ihr Ziel fanden. Hatte die Elbe in ihrem Oberlauf vorwiegend eine negative Arbeit, d. h. das Hinwegräumen vollbracht, so verrichtete sie hier vorwiegend eine positive, indem sie nicht bloß fruchtbaren Schlamm nach rechts und links auf die Felder führte und so in geognostischer Hinsicht die horizontale Talsohle bildete, die als das ureigne Gebiet der Elbe, gleichsam als ihre Hausmacht, zu betrachten ist, sondern auch neue Richtungen ihres Stroms und neue Ufer schuf. Da natürlich diese Überuferungen der Elbe im Tiefland auch mancherlei Schäden für die angrenzenden Fluren und namentlich Gefahren für die nahe dem Strome gelegenen Siedelungen mit sich brachten, so wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts das Überschwemmungsgebiet wesentlich eingeschränkt durch die Errichtung künstlicher Dämme oder Deiche, die heute den ganzen Unterlauf der Elbe bis zu seiner Mündung in fast ununterbrochener Linie auf beiden Ufern begleiten.
Schon auf königlich sächsischem Gebiete drängen die Höhen am linken Elbufer härter heran als auf dem rechten und ziehen sich so auf preußischem bis nahe vor Wittenberg, sodaß bis dahin der Strom mehr auf dem rechten Ufer die oben angedeutete Arbeit zu leisten vermochte. Von Wittenberg an, das ja auch in der Geschichte der christlichen Kirche Änderungen hervorrief, wechseln diese Rollen; die Höhen treten am rechten Ufer heran und ziehen sich vom linken zurück. Diese Wendung ist aber zugleich ein Hinlenken nach dem Harze und seinen Vorbergen, die bei Magdeburg weit nach Osten auslaufen. Man sollte meinen, die friedlich gewordene und kampfentwöhnte Elbe müßte, den Harz fliehend, sich nach Osten wenden, wo ihr der Feind Brücken, wenn auch nicht goldene, gebaut hat. Aber es ist, als fühle sie sich von ihm angezogen. Indessen beschleicht sie bloß die feindlichen Vorposten und zieht weiter, ohne ihnen ein Gefecht geliefert zu haben. Zwar tritt der märkische Sand bei Hohenwarte (in der Nähe von Burg) herausfordernd an den Fremdling aus Böhmen heran und hebt vor ihm den Kopf, allein er zieht bald wieder ab und überläßt von Tangermünde an bis zum Einfluß der Havel seine Rolle dem altmärkischen Sande. Es muß als charakteristische Eigentümlichkeit der Höhen an der Elbe in der norddeutschen Ebene hervorgehoben werden, daß, so wenig bedeutend sie auch an sich und in Hinsicht auf eine durch sie hervorgerufene Naturszenerie sind, sie doch den angedeuteten Wechsel fast bis zum Ausflusse in die Nordsee fortsetzen. Bei Blankenese (unweit Hamburg) erheben sie sich, der vor ihrem Tode noch einmal aufflackernden Flamme gleich, noch einmal zu nicht unbedeutender Höhe über den Elbspiegel und bilden eine treffliche Naturlandschaft. Hier hört der Kampf der Elbe mit dem Berggeiste auf; dieser stirbt, ein Kind geworden, einen schönen friedlichen Tod; aber auch jene überlebt den letzten Sieg nicht lange; denn der aufhörende Reiz des Gegensatzes (zwischen Berggeist und Flußgott) ist der Tod, und ihr Grabdenkmal die größte deutsche Handelsstadt.
Wir sind hier an den Punkt gelangt, die für das Verkehrsleben von Norddeutschland so wichtige Elbschiffahrt in nähere Betrachtung zu ziehen.
Daß für die Güterbeförderung der Wasserweg billiger ist als der Landweg, ist bekannt. Was aber die Schnelligkeit anbetrifft, so ist die Fahrt stromaufwärts eine ebenso langsame als mühsame. Segel können nur zeitweilig benutzt werden, und ihre Kraft in der Bekämpfung des Stromes ist gering. Man mußte also Menschen- und Pferdekraft zu Hilfe nehmen, um den schwerbeladenen Elbkahn aufwärts zu ziehen. Die Elbschiffahrt war, solange es keine Dampfschiffe gab, in den Händen einzelner Frachtschiffer, die über die nötige Anzahl von Kähnen und Menschen verfügten. Selbst noch im Jahre 1876 gehörten 103 Elbfahrzeuge zwanzig Magdeburger Schiffsherren. Als aber die alten Verkehrsmittel durchaus nicht mehr genügten, entstanden neben den Großschiffern Gesellschaften, welche es unternahmen, der Dampfschiffahrt auch auf der Elbe Raum zu schaffen.
So ward eine regelmäßige Dampfschiffahrt zwischen Hamburg und Magdeburg (meist für Frachtgüter) und von Dresden aus durch die Sächsische und Böhmische Schweiz (vorwiegend für Personen) eingerichtet.
Bei solcher Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs konnten die alten Lasten und drückenden Grenzzölle und Vorrechte einzelner, welche jahrhundertelang die freie Entwickelung der Elbschiffahrt gehemmt hatten, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nach dem Vorgehen Österreichs, das im Jahre 1851 die Elbzölle aufgehoben hatte, wurden auch von den übrigen Regierungen der Elbuferstaaten die Zölle auf Hauptartikel ermäßigt und durch eine Kommission, die 1858 in Hamburg zusammentrat, die gänzliche Ablösung der Elbzölle vorbereitet. Ebenso sprach sich der erste deutsche Handelstag, der vom 13. bis 18. Mai 1861 in Heidelberg tagte, für kräftigere Wahrnehmung der deutschen Handels- und Schiffahrtsinteressen und für Abschaffung der Elbzölle aus. Im Jahre 1862 gelang es dann dem unausgesetzten Bemühen der preußischen Regierung, eine abermalige Herabsetzung der Elbzölle zu ermöglichen, die zwar nicht ganz befriedigte, doch aber eine Anzahl der wichtigsten Artikel der Elbe wieder zuführte, die sonst den Eisenbahnen zur Beförderung überwiesen worden waren.
Nach dem Kriege von 1866 und der Bildung des Norddeutschen Bundes, der viele alte Verkehrsschranken beseitigte, trat für die meisten Flüsse Deutschlands eine allgemeine Abgabenfreiheit ein, mit Ausnahme der Elbe, da mehrere Uferstaaten auf ihr altes Vorrecht nicht völlig verzichten wollten. Endlich ward durch ein Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870 für den Elbstrom vom 1. Juli desselben Jahres ab die langersehnte Abgabenfreiheit durchgesetzt.
Wie die drückenden Abgaben war aber auch die geringe Tiefe des Fahrwassers der Elbe seit langer Zeit ein Hemmnis des Verkehrslebens gewesen. Das in so viele Staaten und Staatchen zersplitterte Deutschland hatte es zu keiner durchgreifenden und nachhaltigen Regulierung seiner Ströme, zu keiner Herstellung eines normalen Fahrwassers gebracht. So ward die Tiefe der Elbe immer geringer, und Messungen am Elbpegel bei Magdeburg ergaben eine allmähliche Abnahme der Wassermenge von 55 cm für den hundertjährigen Zeitraum von 1730 bis 1830. Im Hochsommer sinkt die Elbe, da sie nicht, wie der Rhein, in der Gletscherregion des Gotthard entspringt, noch tiefer; im Jahre 1874 zeigte der Magdeburger Pegel schon im Juni nur 37 cm. Die Fahrrinne des Stromes konnte nur in einer Tiefe von 63 cm erhalten werden.
Nun fehlte es zwar nicht an gesetzlichen Vorschriften für die Regulierung; schon in der Elbschiffahrtsakte vom 23. Juni 1821 und in der Additionalakte vom 13. April 1844 war die Ausführung aller hierauf bezüglichen Bestimmungen eingeschärft worden; doch blieb es zumeist bei frommen Wünschen. Auch die Prüfungen von Wasserbaumeistern in den fünfziger Jahren brachten keine durchgreifende Abhilfe der Übelstände. Erst die von der preußischen Regierung im Jahre 1861 eingesetzte Elbstrombaudirektion, unter dem Oberpräsidium in Magdeburg, hatte entschiedenen Erfolg. Auf Grund der Erfahrungen, die man bei früheren Strombauten der Elbe und insbesondere bei den großen seit dem Jahre 1822 auf der böhmischen Strecke zwischen Tetschen und der sächsischen Grenze ausgeführten Stromkorrektionen gemacht hatte, wurde jetzt ein einheitlicher Elbregulierungsplan festgestellt, nach dem die Korrektion des Stromes innerhalb der Königreiche Sachsen und Preußen vorgenommen wurde.
Sie umfaßt teils solche Arbeiten, die dauernd fortgesetzt werden müssen, teils einmalige große Bauten. Zu den ersteren gehören die Abbaggerung von Sandbänken, die der Strom fortgesetzt, besonders zuzeiten der Hochflut, ablagert, und die sich fortwährend verändern, indem sie, der Gewalt des Wassers folgend, abwärts wandern; ferner die Befestigung abbröckelnder Uferstrecken, das Heben von Steinen und Baumstämmen und die Bezeichnung der jeweilig besten Fahrrinne durch sog. »Mäler«, das sind Stangen mit Strohwischen, wie sie auf der sächsischen Strecke Verwendung finden, und durch Landbaken, am Ufer aufgestellte Tafeln mit entsprechenden Zeichen, wie sie seit einigen Jahren innerhalb des preußischen Gebietes gebraucht werden. Viel schwieriger waren die eigentlichen Korrektionsbauten, das Wegsprengen von Felsenriffen, die Beseitigung von starken Krümmungen durch Begradigungswerke oder Durchstiche und die Vertiefung des Fahrwassers durch das Einbauen von parallelen Steindämmen, die den Stromlauf verengern, sodaß das Wasser zwischen ihnen nun schneller fließt und so allmählich sein Bett selbst vertieft. Durch all diese Maßnahmen ist erreicht worden, daß die Fahrzeuge innerhalb des Korrektionsgebietes bei einem mittleren Niedrigwasserstande in den einzelnen Stromabschnitten etwa folgende Tiefen vorfinden: innerhalb des Königreichs Sachsen 0,80 m, von der sächsischen Grenze bis zur Saalemündung 1,20 m, von dort bis zur Havelmündung 1,30 m und von hier abwärts 1,50 m und darüber.
Im Gegensatz zum Rhein, der in seinem Ober- und Mittellauf bis Mainz seinen höchsten Wasserstand im Sommer hat, wenn die 300 Gletscher, die seine Quellen bilden, ihm die Fluten ihrer Schmelzwässer zusenden, führt die Elbe als Mittelgebirgsstrom im Sommer die geringste Wassermenge. Dann werden die obengenannten Tiefen oft bei weitem nicht erreicht, und die größeren Fahrzeuge müssen den Betrieb einstellen, was natürlich für den gesamten Flußverkehr und die von ihm abhängige Großindustrie an den Ufern der Elbe eine empfindliche Schädigung bedeutet. Das letzte besonders ungünstige Jahr in dieser Beziehung war das Jahr 1904, welches derart außergewöhnlich niedrige Wasserstände brachte, daß der Großschiffahrtsbetrieb während nahezu dreier Monate ruhte oder doch stark beeinträchtigt war. Regelmäßig wird die gesamte Schiffahrt im Winter durch Frost unterbrochen. Sie hört in den meisten Jahren gegen Mitte Dezember auf und wird erst nach dem Aufbruch und Abgang des Eises, selten vor Mitte Februar wieder eröffnet. Immerhin kann die Elbe nach erfolgter Korrektion auf ihrer ganzen überhaupt schiffbaren Strecke (800 km) jährlich etwa acht Monate lang befahren werden; zwei Monate (im Sommer) sind nur die besten Strecken schiffbar, und zwei Monate (im Winter) ruht die Schiffahrt ganz.
Höchst wichtig für die Entwickelung der Elbschiffahrt war eine neue Beförderung der Flußfahrzeuge, die imstande war, mit den Eisenbahnen in Wettbewerb zu treten – die Kettenschifffahrt. Diese besteht darin, daß ein eigenes Schiff als Schlepper oder Remorkeur dient, dem man die Lastschiffe anhängt. Die auf dem Verdecke des Schleppers stehende Dampfmaschine setzt zwei Trommeln (Rollen) in Bewegung, um welche man eine endlose Kette oder ein endloses Seil mehreremal schlingt, so, daß es sich stetig auf- und abwickelt. Längs des ganzen vom Schiffe zu befahrenden Weges wird die »endlose« Kette auf dem Boden des Flusses oder Kanales ausgespannt und nur an ihren Endpunkten befestigt. Die auf dem Hinterteile des Schiffes befindlichen beiden Rollen, welche, je nachdem sich der Arm (Rollenträger) dreht, abwechselnd in Anspruch genommen werden, vermitteln den Ablauf der Kette, die von dem Schiffe auf dessen Vorderseite aus dem Wasser gehoben, durch Rollen unterstützt, eine über das Deck des Schiffes führende hölzerne Rinne passiert, mehrmals die Treibrollen umschlingt und dann wieder in den Fluß hinabsinkt.
Während die Räder oder Schrauben des gewöhnlichen Dampfschiffes am Wasser einen nur geringen Widerstand finden und allein durch schnelle Drehung diesen Mangel ersetzen können, wodurch aber viel Kraft verloren geht, kann die Maschine des Kettenschleppers ihre volle Kraft auf die Drehung der Trommeln verwenden, verbraucht also nicht so viel Kohlen wie das Dampfboot. Um so mehr ist jener den Eisenbahnen gegenüber im Vorteil.
Auf Betreiben der Hamburg-Magdeburger Dampfschiffahrts-Gesellschaft wurde die erste Kette versuchsweise zwischen Buckau und der Neustadt von Magdeburg in einer Strecke von 5,6 km versenkt. Der Schleppdampfer, den Verhältnissen der Elbe angepaßt, also mit geringem Tiefgange, mit Ausnahme des Decks ganz aus Eisen erbaut, hatte eine Länge von 51,3 m und größte Breite von 6,7 m. Obwohl auf genannter Strecke eine starke Strömung zu überwinden ist und zwei Brücken zu durchfahren sind, fielen die ersten Probefahrten so günstig aus, daß schon am 1. September 1866 der regelmäßige Betrieb beginnen konnte.
Im Jahre 1869 bildete sich die »Kettenschleppschiffahrts-Gesellschaft der Oberelbe«, die 1871 ihren Betrieb eröffnete, 1881 die Firma »Kette, Deutsche Elbschiffahrtsgesellschaft« annahm und 1904 mit mehreren anderen Gesellschaften zu den »Vereinigten Elbschiffahrtsgesellschaften, Aktiengesellschaft in Dresden«, zusammengeschlossen wurde. Es wurde in der Elbe eine Kette von 670 km Länge, von Hamburg bis Aussig in Böhmen, gelegt, die aus drei Teilen (Hamburg-Magdeburg, Magdeburg-Schandau, Schandau-Aussig) bestand. Allerdings hat sich im Laufe der Jahre gezeigt, daß diese Art des Schiffahrtsbetriebes infolge der starken Abnützung der Kette doch recht kostspielig ist. Deshalb wurde 1898 die Kette auf der Strecke von Hamburg bis Magdeburg wieder herausgenommen. Dort verrichten jetzt ausschließlich freifahrende Dampfer den Schleppdienst.
Augenblicklich laufen 31 Kettendampfer an der Elbkette, während die in den letzten Jahren stark vermehrte Zahl der freifahrenden Schlepper im ganzen Elbgebiet, also einschließlich der schiffbaren Nebenflüsse und Kanalstrecken, annähernd 600 beträgt. Insgesamt sind im Elbgebiet etwa 1000 Dampfer (Personen-, Güter-, Schlepp-, Kettendampfer und Dampffähren) und 350 Barkassen beheimatet. Dagegen beträgt die Zahl der Segelschiffe und Kähne rund 12 000. Die letzteren sind gelegentlich von gewaltigen Dimensionen, die die der Dampfer um das Vielfache übertreffen. Die größten unter ihnen sind bis zu 80 m lang und 12 m breit und haben eine Tragfähigkeit bis zu 24 000 Zentnern. Dabei tauchen diese in den letzten Jahren meist aus Eisen hergestellten Ungetüme bei voller Ladung nur 2,10 m in das Wasser. Die große Mehrzahl der Elbkähne hat eine Tragfähigkeit von 8000 bis 16 000 Zentnern bei einer Länge von 60-70, einer Breite von 7-8 und einem Tiefgang von 1,4 bis 1,8 m. Fünf oder sechs solcher Riesenkähne, geschleppt von einem rasselnden Kettendampfer, das ist ein charakteristisches Bild des Elbverkehrs. Eine besondere Art von Elbfahrzeugen bilden die eisernen flachgedeckten Petroleumtankkähne, welche amerikanisches oder aus Rußland und Galizien stammendes Petroleum entweder unmittelbar in wannenartigen Räumen oder in eisernen Zylindern befördern.
Die Verbesserung des Fahrwassers durch die Elbkorrektion, die Vervollkommnung der Verkehrsmittel und der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands haben in den letzten Jahrzehnten eine derartig gewaltige Steigerung des Elbverkehrs bewirkt, daß er heute dem Rheinverkehr ebenbürtig zur Seite steht. Nach der Statistik des sächsisch-österreichischen Hauptzollamtes zu Schandau verkehrten in den letzten Jahren durchschnittlich 2300 Dampfer und 8300 andere Schiffe zu Tal und etwa ebensoviel zu Berg. Dazu kommen noch mehr als 2000 Holzflöße. Das Gesamtgewicht der von diesen Fahrzeugen beförderten Gütermengen beträgt einschließlich des geflößten Holzes (400 000 Tonnen) auf der Talfahrt rund 3 Millionen Tonnen, zu Berg ½ Million. Die Verfrachtung im Aussiger Hafen ist hinsichtlich des Tonnengewichts weitaus bedeutender als die gesamte Güterverfrachtung in Österreichs erstem Seehafen, in Triest.
Die auf der Elbe beförderten Güter sind teils Rohstoffe, teils Erzeugnisse der zahlreichen Großindustrien, die sich, angelockt von der Wohlfeilheit des Wasserverkehrs, an den Rändern des Stromes niedergelassen haben Ein Posten Sandstein, der zu Schiff von Pirna bis Hamburg 8 M. kostet, würde mit der Bahn 20 M. kosten, bei Holz ist das Verhältnis wie 1:5, ein Ziegelkahn, der in Dresden mit 300 000 Ziegeln beladen wird, schafft diese Ladung für 1600 M. nach Hamburg; auf der Bahn, wo sie nicht weniger als 80 Wagen füllen würde, betrüge die Fracht 10 000 M., das gibt also ein Verhältnis von 1:6.: der Zuckerraffinerien, der Eisen-, Glas- und Sägewerke, Spinnereien, Webereien, der Riesenetablissements der chemischen und keramischen Industrie, der Schiffsbauwerften, Brauereien, Strohstoffabriken usw. Stromabwärts tragen die Frachtschiffe vor allem böhmische Braunkohle, sodann Getreide, Obst und Glaswaren, Pirnaische Sandsteine, Ziegel, ferner Zucker, Melasse, Sirup und Düngesalze aus der Magdeburger Gegend. Zu Berg gehen vorzugsweise ausländische Getreide, Hülsenfrüchte, Steinkohlen, Petroleum und andere Mineralöle, Düngestoffe, Mehl und Mühlenfabrikate usw. Das auf der Elbe geflößte Holz kommt in der Hauptsache aus dem Böhmerwalde auf der Moldau und aus dem Frankenwalde auf der Saale.
Wetteifert die Elbe in bezug auf den Güterverkehr mit dem Rhein, so hat sie ihn im Personenverkehr bereits überflügelt. – Wie sich der Personenverkehr auf dem Rhein im wesentlichen auf die Strecke von Mainz bis Köln beschränkt, so auf der Elbe auf die sächsische und die benachbarte böhmische und preußische Strecke. Den Anlaß zur Einführung der Personendampfschiffahrt auf der Elbe bildete der zahlreiche Besuch, zu dem die Schönheit der Sächsischen Schweiz und der nach oben sich anschließenden böhmischen Strecke des Elbtals lockte. Er wird gepflegt von der im Jahre 1836 in Dresden gegründeten »Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft«, die am 26. Juni 1837 das erste Dampfschiff von Dresden nach Meißen laufen ließ. Heute besitzt die Gesellschaft 39 Dampfer, die zwischen Mühlberg-Dresden-Leitmeritz in 87 Stationen verkehren. Die Zahl der beförderten Personen steigt mit jedem Jahre; so hat sie sich beispielsweise von 1½ Millionen im Jahre 1881 auf 3½ Millionen im Jahre 1901 vergrößert, damit aber die Personenverkehrssumme des deutschen Rheins um mehr als die Hälfte geschlagen. Dresden ist sowohl seiner Lage als seiner Bedeutung nach Mittelpunkt dieses Verkehrs. Am stärksten ist er stromaufwärts bis Pillnitz, denn bis zu dieser Sommerresidenz des sächsischen Herrscherhauses reiht sich auf beiden Seiten des Stromes ein Villenort an den andern, und alle stehen in engen Beziehungen zu Dresden. Weiter aufwärts locken die Schönheiten der Sächsischen Schweiz und des Böhmischen Mittelgebirges den Reiseverkehr bis Leitmeritz. Von Dresden stromabwärts ist der Verkehr am stärksten bis Meißen. Von dort an, wo die Elbe in das Tiefland eintritt, wird er immer schwächer bis Mühlberg.
Vgl.: Die Elbe im Dienste der Schiffahrt und des Handels von G. Zilling. (Aus allen Weltteilen, XIII, 3. 1881.)