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2. Das Moor.

a) Landschaftlicher Charakter.

Marsch, Geest und Moor vergegenwärtigen uns gewissermaßen die menschlichen Temperamente. Die Marsch repräsentiert, auf den ersten Blick erkennbar, das Phlegmatische. Ihre ewigen schnurgeraden Linien, die wagerechte, ruhige Ebene mit dem einförmigen Grün, die träge fließenden Binnengewässer, der zähe tonige Boden, die schweren behäbigen Tiere, die Bevölkerung, alles ist ein Bild des ruhigsten Phlegmas, wie keine andere Gegend es bietet. Die leichte Geest dagegen ist durch und durch sanguinisch. Hier ist alles Wechsel, bald ernst, bald heiter, bald dürr, bald fruchtbar, bald Tal, bald Hügel; hier dämmeriger Wald, dort schattenlose Sandwüste; hier grünender Wiesengrund und wallende Kornfelder, dort steiniges unfruchtbares Heideland; hier rauschende Mühlenbäche, dort stille rohrumflüsterte Teiche, – alles in schroffen Gegensätzen, wie der Ausdruck eines sanguinischen Gemüts. Wie das Geestvieh leichter und lebhafter ist als das Vieh der Marsch, so oft auch der Menschenschlag. Im Moor endlich findet die tiefste Melancholie ihren Ausdruck, den der köstlichste Frühlingsmorgen und der sonnigblauste Sommertag nicht ganz verscheuchen können, der aber bei trübem, wolkigem Himmel, im Spätherbst und zur Winterzeit wahrhaft grauenerregend auf die Seele zu wirken vermag. Nie wird man von diesem Eindrucke so mächtig berührt, als wenn man kaum noch die Wiesen der Marsch durchwanderte und nun plötzlich das Moor betritt. Mit einem Male ist man in einer andern Welt. Alles heitere Grün ist verschwunden, nichts zu erblicken als ödes schwarzbraunes Land von unheimlichem, verbranntem Ansehen, begrenzt von einer ernsten tiefblauen Ferne. Die schwarzen Torfhaufen, von einigen weißstämmigen Birken umgeben, sind die alleinige Unterbrechung der traurigen Ebene. Da und dort wallt eine graue Rauchmasse still zum Himmel, sodaß man sich oft in einer vulkanischen Gegend glauben könnte, und ringsum herrscht eine Stille, ein Todesschweigen, die das Herz mit Grauen erfüllen.

»An der holländischen Grenze,« sagt der Botaniker Griesebach in seiner trefflichen Schrift über die Moore Ostfrieslands, »habe ich das pfadlose Moor von Bourtange überschreitend einen Punkt besucht, wo, wie auf offenem Meere, der ebene Boden am Horizont von einer reinen Kreislinie umschlossen ward und kein Baum, kein Strauch, keine Hütte, kein Gegenstand von eines Kindes Höhe auf der scheinbar unendlichen Einöde sich abgrenzte. Auch die entlegeneren Ansiedlungen, die im Birkengehölz verborgen noch lange wie blaue Inseln in der Ferne erschienen, sinken zuletzt unter diesen freien Horizont hinab. Dieses Schauspiel, auf festem Boden fast ohnegleichen, überall hinauf abgerundeter Heiderasen und über dem Schlamm gesellig lebende Halbgräser, das Auge einschränkend, zugleich seltsam das Gemüt mit der Gewalt des Schrankenlosen ergreifend, versetzt uns in ursprüngliche Naturzustände, wo eine organische, jedoch einförmige Kraft, alles überwältigend, gewirkt hat.«

Die Heide ist in ihrer menschenleeren Einsamkeit ähnlichen Ausdrucks. Auch sie macht das Herz still und schwermütig; aber ungleich unheimlicher ist der Charakter des Moores. Die Heide zeigt noch ein wechselndes Auf und Ab, oft in den weichsten Wellenlinien, das Moor ist eine starre unbewegte Ebene; in der Heide ruht das Sonnenlicht warm auf den rotgelben Sandblößen und gibt mit den roten, grauen und weißen Steinen, die da umherliegen, ein reizendes Spiel von Lichtern, Schatten und Reflexen, das Moor, alle Strahlen einsaugend, aller lichten Farbentöne entbehrend, zeigt nichts als sein trauriges Braun und wieder Braun. Über die Heide weht der Hauch der Romantik um die wacholderbewachsenen Grabhügel verschollener Helden und Nordlandsrecken, um den halbversunkenen granitenen Hünenstein, der einsam und wie ein graues Rätsel aus sagenvoller Runenzeit uns anschaut. Über dem schweigenden Moor aber schweben nur Teufelssagen, gerade so unheimlich und schwarz wie es selbst ist. Die Heide hat ein emsig wimmelndes Tierleben. Es schwirrt die Heidelerche über ihr, muntere Eidechsen schlüpfen hurtig durch das blühende Kraut, schnelle Laufkäfer, oft von schönen glänzenden Farben, bevölkern alle Sandblößen, die kleinen reizenden Heidschmetterlinge, azurblau und glänzend wie Atlas, oder auch feuerfarbig, flattern und spielen, und eine Unzahl schwirrender Grillen, summender Bienen und anderer Insekten wimmeln und schwelgen auf den süßduftenden Blüten, sodaß alles lebt und webt, wohin man horcht. Wie anders das Tierleben in den Mooren! Auch in ihm spricht sich die düstere Stimmung der Landschaft aus; es ist spärlich und still, stiller als in jeder andern Gegend. Da haust nur noch das Birkhuhn, die menschenscheue Rohrdommel läßt in stiller Nacht ihren unheimlichen Laut hören; die Sumpfeule nistet auf dem Erdboden und in Binsenbüschen, und man sieht sie, selbst am Tage, oft mit lautlosem Fluge wie ein graues Gespenst über das braune Land schweben; hier und da fliegt eine Moorschnepfe vor dem Wanderer auf oder eine Bekassine, die ihr heiseres »Rätsch« ausstößt. Sonst ist alles stumm, denn auch Insekten hegt das Moor nur äußerst wenige. Einer seiner Hauptbewohner aber ist die giftige, braungefleckte Kreuzotter, die man an heißen Tagen oft spiralförmig zusammengerollt in der Sonne liegen sieht. Auch die übelriechende Ringelnatter ist häufig. Frösche und Wassersalamander beleben die stillen Lachen.

Diese auffallende Ärmlichkeit des Tierlebens erklärt sich vielleicht aus der eigentümlichen Eigenschaft des Bodens, auf lange Zeit die Winterkälte zu bewahren. Nirgends hält sich das Wintereis so lange, wie im Moore. Mitten im Juni ist es vorgekommen, daß die Torfgräber hier in einiger Tiefe noch auf gefrorenes Erdreich stießen. Wenn alles rings umher lange schon grünt und blüht, liegt das Moor noch tot und winterlich da und feiert erst seinen Lenz, wenn andere Gegenden ihn fast vergessen haben.

Die Moorflora ist jedoch charakteristisch und merkwürdig. Wir finden die reizendsten wie die seltsamsten Pflanzengebilde, und eine Sommerwanderung durch das Moor ist für den aufmerksamen Beobachter deshalb höchst unterhaltend, so einförmig und düster die Landschaft. Die größere Menge der Moorpflanzen besteht aus sehr kleinen Holzgewächsen, deren Zweiglein meist am Boden sich hinstrecken oder doch nur wenig von ihm sich erheben. Fast alle diese Gewächse haben harte, lederartige, immergrüne Blätter, deren Farbe völlig mit dem tiefen Ton des Bodens harmoniert und meist sehr dunkel ist, ebenfalls ins Braune oder Graue spielend; ebenso sind sie fast alle von herbem, zusammenziehendem Geschmacke und viel Gerbstoff enthaltend, doch entwickeln einige die niedlichsten und zartesten Blüten, die man sehen kann, und späterhin manch blaue und rote eßbare Beere. Da ist der aromatische Gagelstrauch zu erwähnen, die nordische Myrte, wie man ihn genannt hat, dann der besonders für die Moore Nordostdeutschlands charakteristische Sumpfporst, ferner die schöne Sumpfheide mit ihren roten Blumenköpfchen und die gemeine Heide. Dazwischen windet sich mit liegenden Zweigen die schwarze Rauschbeere; weiter findet man hier und da die reizende Andromeda mit ihren dunkelgrünen Blättern und sanft geröteten Blüten. Sie wird an Zartheit noch übertroffen durch die Moosbeere, die auf blaßgrünen Moospolstern scharlachrote Beeren in köstlicher Farbenwirkung zeigt. – Zu diesen kleinen ausdauernden Holzgewächsen gesellen sich echte Sumpfpflanzen und Wassergewächse, die wundersame fußhohe Parnassia mit ihren Blüten von feinstem Weiß, der interessante, »fleischfressende« Sonnentau, der seltsame Wasserschlauch, die weiße Calla, das gelbe Narthecium, das sammetbraune Comarum, das seidenflockige Wollgras und manche andere.

Wildwachsende Bäume dagegen fehlen heutzutage fast gänzlich, wenigstens in unsern Mooren. Angepflanzt werden indes fast alle Arten, insbesondere aber Birken. Wie in den Marschen die Weide und Esche, im Sumpfe die Erle, auf Lehmboden die Eiche und Buche, im Sande die Föhre, so ist die Birke der echte Baum der Moore, und ihre blendendweißen Stämme, die bei jeder Hütte aufragen, stechen grell, fast gespenstig ab gegen das dunkle Braun des Bodens, der durch sie nur noch tiefer und schwärzer erscheint. –

Es sei vergönnt, hier gleich ein paar Worte über das Volk in den Mooren beizufügen. An die Fehnkolonisten und Anbauer der übrigen großen Moorkanäle darf aber dabei nicht gedacht werden. Bei ihnen haben Kultur, Handel und Verkehr mit Nachbargegenden jene andere Einwirkung verhindert. Ganz anders aber ist das bei den einzelnen Kolonisten und Torfbauern der öden entlegenen Moorstrecken, die nur im Sommer mit der Außenwelt in sparsame Berührung kommen, im Herbst und Winter hingegen, wo kaum ein Fuhrwerk sie erreichen kann, in der entsetzlichsten Einsamkeit ihre Tage zubringen. Traurig ist das Leben solcher Torfbauern, wenn sie auch selten mit bitterer Armut zu kämpfen haben; denn abgerechnet den Verdienst durch Torfhandel, können leicht ein paar Äcker des wohlfeilen Landes bestellt werden, um so viel Korn, Buchweizen und Kartoffeln zu gewinnen, als zur Nahrung seiner Besitzer nötig.

Da sitzen sie in ihren kleinen schwarzgeräucherten Hütten die lange trübe Winterzeit hindurch, ohne die geringste geistige Anregung, ohne Nachricht vom Treiben der bunten Welt und selbst oft ohne körperliche Beschäftigung. Sogar einen Verkehr unter sich kennen sie meist nicht; denn ihre Wohnungen liegen fast immer ganz vereinzelt und in ansehnlichen Entfernungen voneinander.

Nicht darf diese Schilderung geschlossen werden, bevor nicht noch einer Eigenschaft gedacht ist, durch die das Moor auch für die Geschichtskunde zu den interessantesten Bodenbildungen unserer Erdrinde gehört, nämlich als Bewahrer und Erhalter von Kulturresten einer mehr als tausendjährigen Vergangenheit.

Nicht nur, daß tief im Grunde der braunen Umhüllung jene schon erwähnten untergegangenen Waldreste uns ihre Rätsel aufgeben, nicht nur, daß zwischen ihnen die oft mächtigen Gebeine fast oder völlig ausgestorbener Tiere lagern, ungeheure Geweihe des Riesenhirsches, des Elen, und der Schädel des wilden Urs, oder selbst wohl das Gerippe des Mammuts; auch des Menschen Werk und ihn selber bewahrt aus dunklen Zeiten die dunkle Pflanzenmasse oft in wunderbarer Weise fast unverändert, mag auch droben ein Jahrhundert nach dem andern mit seinen Wandlungen darüber hinrollen, sie getreulich den Forschern der Vorzeit überliefernd, wie in solcher Weise keine andere Bodenart.

Im Vertorfungsprozesse, dieser Verkohlung auf nassem Wege, von all den harzigen und Gerbsäure enthaltenden Gewächsen, aus denen das Hochmoor besteht, entwickelt sich dabei eine teils dem Holzessig ähnliche kreosothaltige, teils dem Holzteer gleichende Flüssigkeit, und beide sind eben jene ausgezeichneten Erhaltungsmittel, die solche Resultate liefern.

Die wohlerhaltenen römischen Holzbrücken, die sogenannten Pontes longi, auf denen die Heere des Germanicus und Caecina durch Friesland zogen, die Pfahldämme Karls des Großen in der Gegend von Bederkesa im ehemaligen Herzogtum Bremen, auf denen er von der Weser nach der Elbe vordrang; der hochinteressante reiche Fund von Süderbrarup im Schleswigschen, ein vierzig Fuß langes sogenanntes Wikingerboot mit vielen Römerwaffen, die aber durch spätere seltsame barbarische Zutaten und Anhängsel geschmückt waren; das goldene, mit römischen Münzen behangene Halsband von Sievern (bei Bremerlehe); wunderbar erhaltene Leichen bald in Tierfellen, bald in groben Wollstoffen, bald ebenfalls mit römischem Schmuck (goldene Spangen für Arm und Fuß); endlich jener weibliche Körper von Haraldskivr in Jütland, mit Ketten an einem Pfahle befestigt, gar für den der armen Königin Gunilda von Norwegen gehalten, die der König Harald Blaatand 965 gewaltsam in das Moor senken ließ, endlich jener berühmte, im Jahre 1817 in einem Moore Ostfrieslands gemachte Fund eines menschlichen Skelettes, dessen Bekleidung vollkommen erhalten war, obwohl es nach wissenschaftlicher Schätzung sicher weit über tausend Jahre im Boden gelegen haben mußte Die Kleidung bestand aus einem groben, härenen, gewalkten (nicht gewebten) kurzen Rocke ohne Nähte und Knöpfe, mit einfachen Löchern für Hals und Arme, sodann Beinkleidern aus gleichem Stoffe, ebenfalls ohne Knöpfe und durch einen Lederriemen um den Leib gehalten, endlich aus Schuhen, die aber nichts anderes waren, als Stücke von Tierfell, die noch mit rötlichen Haaren bedeckt waren. Auch diese wurden vermittelst Riemen, die durch Löcher liefen, um den Fuß geschnürt, aber trotz ihrer primitiven Gestalt entbehrte diese Fußbekleidung keineswegs einiges Schmuckes. Er bestand aus einer Reihe von Sternen oder Rosetten, die nicht ohne Geschmack durch sauber ausgeschnittenes Laubwerk untereinander verbunden waren. Alles wurde sorgfältig ausgehoben und befindet sich jetzt neben anderen Landesaltertümern in einer Sammlung zu Aurich. – das alles sind Moorfunde, mit deren weiterer Aufzeichnung Seiten gefüllt werden könnten. – Welche Dinge aber mag die geheimnisvolle dunkle Tiefe noch bergen?

Aus: H. Allmers, Marschenbuch. (Etwas gekürzt.) Oldenburg, Schulzesche Hofbuchhandlung (A. Schwartz).

b) Entstehung und Verwertung der Moore.

Von Professor Dr. C. A. Weber, Bremen.

Wer mit der Bahn durch das nordwestdeutsche Tiefland nach den Badeorten an der Nordsee fährt, erblickt hier und da in der flachen, heidebedeckten Landschaft viereckige Gruben mit senkrechten Wänden, die aus einer bräunlichen oder schwärzlichen Erdart bestehen. Im zeitigen Frühjahr kann er die Bewohner des Landes in den Gruben damit beschäftigt sehen, die braune Erde mit scharfen, spatenartigen Messern in länglichen Stücken herauszuschneiden und sie daneben zu trocknen. Es ist Brenntorf, der hier gewonnen wird, und die Orte, wo es geschieht, sind Moore.

Die Moore sind aber nicht eine Eigentümlichkeit des deutschen Nordwestens, sondern durch das ganze norddeutsche Tiefland und weit darüber hinaus durch die Länder des Nord- und Ostseegebietes verbreitet. Im mittleren und südlichen Deutschland beschränken sie sich mehr auf die Gebirge; doch ist die bayrische Hochebene wieder reich an ihnen, und in den Tälern der Alpen sind sie keine seltene Erscheinung. Eher kann man sie ganz allgemein als eine Eigentümlichkeit der gemäßigten Zonen beider Hemisphären bezeichnen, obwohl sie auch in die wärmeren Zonen hineinreichen und selbst den Tropen nicht völlig fehlen. Auch sind sie keineswegs nur mit Heide bewachsen, sondern auch in Mitteleuropa tragen sie eine mannigfaltige Vegetationsdecke, bald grüne Wiesen, bald Wald, bald Röhricht und andere Pflanzenbestände.

Unter Moor versteht man ein Gelände, das aus einer ansehnlichen Schicht jener dunkeln verbrennlichen Erdarten besteht, die aus zersetzten Pflanzenmassen hervorgegangen sind und als deren für uns wichtigste der Torf schon genannt ist.

Torf entsteht immer, wenn die Pflanzenreste nicht wie in einem guten Acker- oder Waldboden durch Vermoderung oder wie in einer Düngergrube durch Fäulnis zersetzt werden. Beides sind Vorgänge, die sich stets unter der Einwirkung von Bakterien vollziehen. Nur wo diese winzigen Lebewesen ferngehalten werden, sei es, daß ein Übermaß von Feuchtigkeit, wenigstens im größeren Teile des Jahres, die zu ihrem Gedeihen erforderliche Luft abschließt, oder daß infolge der Zersetzung Stoffe entstehen, die ihnen schädlich sind, da vermag sich Torf zu bilden.

Bei der Vertorfung verwandeln sich die Pflanzengewebe in weiche, wasserreiche, gallertige Massen, die nach dem Eintrocknen nicht wieder durch Benetzung vollkommen aufgeweicht werden können. Dabei können die Pflanzen ihre Gestalt mehr oder minder unverändert beibehalten, sodaß man sie beim Auseinanderbrechen der Torfstücke wie in einem Herbarium daliegen sieht, oder sie zerfallen so vollständig, daß man nichts mehr von ihrer Gestalt zu erkennen vermag. In den Gewässern werden die darin lebenden Pflanzen, wie Algen, Wasserlinsen, Seerosen usw. von Wassertieren zerfressen. Die zerbissenen Stücke sinken samt dem Kote und den Leichen der Tiere auf den Grund und bilden dort eine schlammige, langsam vertorfende Masse, die man seit alter Zeit mit einem fast allen germanischen Sprachen gemeinsamen Worte als Mudde bezeichnet. Im Gegensatz zu den Mudden bestehen die eigentlichen Torfarten aus nicht völlig zerfressenen ganzen Pflanzen oder doch größeren Pflanzenteilen. Beide sind durch mannigfache Übergänge miteinander verbunden. Aber die Torfe wie die Mudden, besonders die letzteren, zeigen auch, indem sie sich mit Sand oder Ton vermischen, ebenso zahlreiche Übergänge zu den rein mineralischen Erdarten.

Schon aus dem eben Gesagten ergibt sich, daß Torf kein einheitliches Material darstellt, sondern daß es sehr verschiedene Torfarten gibt. Auch die aus ganzen Pflanzen entstandenen zeigen je nach den Arten, die an ihrer Bildung beteiligt waren, sehr bemerkenswerte Unterschiede. Man bezeichnet sie daher nach den sie hauptsächlich erzeugenden Pflanzen. Einige der häufigsten sind Schilftorf, Seggentorf, Bruchwaldtorf, Heidetorf, Wollgrastorf und die mannigfaltigen Moostorfe, insbesondere Astmoostorf und Bleichmoostorf. Wie die Namen andeuten, sind sie der Hauptmasse nach aus Schilfrohr, aus Seggen, aus Erlenbruchwald, aus Heidesträuchern, aus Wollgräsern, aus Ast- und Bleichmoosen erzeugt.

Ein Moor ist sehr selten nur aus einer einzigen Torfart gebildet, sondern man trifft in der Regel eine Mehrzahl solcher darin an. Am häufigsten sieht man beim Aufgraben eines Moores eine Anzahl verschieden dicker Schichten, deren jede aus einer andern Torfart besteht. In der Aufeinanderfolge der Schichten läßt sich eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen, am deutlichsten bei den Mooren, die aus einem ehemaligen Gewässer entstanden sind. Doch fehlt sie auch nicht den aus einem Röhricht, einem sumpfigen Wald oder einer nassen Heide hervorgegangenen. Denn die Moore sind keineswegs nur aus Gewässern, nicht einmal der Mehrzahl nach, entstanden, sondern mindestens ebenso häufig an anderen nassen oder quelligen Orten und finden sich daher nicht bloß in den Niederungen, sondern auch an Gehängen, in regenfeuchten Ländern, wie in Nordwestdeutschland nicht selten auf den Wasserscheiden, in Irland und Schottland selbst auf den breiten Gipfeln der Felsenhügel.

Bei einem norddeutschen Moore, das einen ehemaligen See ausgefüllt hat, wird die unterste Schicht gewöhnlich von kalk- oder tonreicher Mudde gebildet, über der sich eine fast rein organische Muddeschicht abgelagert hat. Darüber folgt dann meist Schilftorf, Seggentorf oder Astmoostorf. Die Ablagerung dieser Schichten füllte den See bis zu seinem ehemaligen Wasserspiegel auf, und ihre Reihenfolge ist bedingt durch die verschiedenen Ansprüche, welche die sie bildenden Gewächse an die Tiefe des Gewässers stellten, das natürlich flacher und flacher wurde, je mehr Torf sich ablagerte. Über dem nun vermoorten Seegrunde pflegte sich in der Folge ein Erlenbruchwald anzusiedeln, der eine mehr oder minder dicke Schicht von Bruchwaldtorf hinterließ. War die Bodenerhöhung so weit vorgeschritten, daß die hinsichtlich ihrer Ernährung anspruchsvollen Erlen das fruchtbare Wasser im Grunde nicht mehr genügend mit ihren Wurzeln zu erreichen vermochten, so gediehen sie nicht mehr und an ihre Stelle traten die genügsamen Birken oder die anspruchslosen Föhren. Auf dem von ihnen geschaffenen dichtern Torfboden sammelte sich hier und da in kleinen Tümpeln das wenig fruchtbare Regenwasser an, in dem nur die allergenügsamsten Pflanzen noch leben können. Dazu gehören besonders die Bleichmoose oder Sphagnumarten. Diese Moose bilden dichte Polster, die, indem sie das auffallende Regenwasser auffangen und nach den Rändern abfließen lassen, ihren Umfang beständig vergrößern, die Wurzeln der Föhren und Birken überwuchern und dadurch die Bäume töten. Über deren Stümpfen breitete sich endlich weithin ein dichter Bleichmoosteppich aus, in dem meist nur spärlich noch Heidesträucher und Wollgräser gedeihen und der im Laufe der Jahrhunderte eine mächtige, sich als ein flacher Hügel emporwölbende Schicht von Bleichmoostorf unter sich anhäufte.

Der Bleichmoostorf zeigt bei vielen Mooren eine zweifache Ausbildung, die man als den Jüngern und den ältern Bleichmoostorf unterscheidet. Der jüngere ist hellbraun gefärbt, läßt die Moose noch deutlich erkennen und bildet die obere ziemlich lockere Lage. Der ältere ist so stark zersetzt, daß man nur selten noch deutlich die Moosreste in ihm zu erkennen vermag, seine Farbe ist schwarzbraun, er ist dicht und bildet die untere Lage. Zwischen beiden findet sich eine dünne Zwischenlage, die man den Grenzhorizont nennt. Er bezeichnet eine jahrhundertelange Unterbrechung der Bleichmoostorfbildung infolge eines Trockenerwerdens des Klimas während dieser Zeit.

Ein Moor, das die geschilderte Entwicklung genommen hat, läßt beim Aufgraben oben die folgende Schichtenfolge erkennen:


10. Jüngerer Bleichmoostorf (ca. 1,5 m).


9. Grenzhorizont, meist Wollgrastorf, ca. 20 cm.


8. Älterer Bleichmoostorf (ca. 1,5 m).


7. Föhrenstubbenschicht (ca. 30 cm).


6. Erlenwaldtorf (ca. 30 cm).


5. Schilftorf (ca. 1 m).


4. Mudde (von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern).


3. Seekalk oder Kalkmudde (0-2 m und darüber).


2. Schwemmton (0-1,5 m und darüber).


1. Sand oder Moräne.

Natürlich zeigt nicht jedes Moor genau diesen Aufbau. Viele Moore enthalten nur die vier obersten Schichten, manchen fehlt wenigstens die eine oder die andere Schicht, je nachdem die örtlichen Verhältnisse während der Entstehung des Moores diese oder jene Vegetation begünstigten oder ihr Gedeihen hemmten.

Von Wichtigkeit ist es nun, zu wissen, daß nicht alle Moore bis zur Bildung einer Bleichmoostorfschicht gekommen sind, sondern nur bis zu einer der anderen Schichten.

Wie wir schon wissen, zeigen nämlich die verschiedenen Torfarten Unterschiede, und diese fallen bei der Urbarmachung der Moore und ihrer technischen Verwertung sehr ins Gewicht. So haben die unteren Schichten etwa bis zum Bruchwaldtorf, die aus der Berührung mit fruchtbarem Wasser entstanden sind, selber eine gewisse Fruchtbarkeit für den Pflanzenbau auf Mooren, deren Oberfläche sie bilden, wogegen der Bleichmoostorf, der unter dem alleinigen Einflusse des unfruchtbaren Regenwassers entstanden ist, einen ungemein armen Boden darbietet. Die zwischen dem Bruchwaldtorf und dem Bleichmoostorf befindlichen Torfarten stellen Übergänge von den fruchtbaren zu den unfruchtbaren Torfbodenarten dar. Man hat es deshalb zweckmäßig gefunden, die Moore nach der Entwicklungsstufe, die sie erreicht haben, zu klassifizieren.

Solche, deren Oberfläche aus einer sich emporwölbenden Schicht Bleichmoostorf besteht, heißen Hochmoore, solche, bei denen sie aus einer der nächst tieferen Schichten gebildet wird, Übergangsmoore, und endlich solche, bei denen sie aus einer der Schichten von der Mudde bis zum Bruchwaldtorf gebildet wird, Niedermoore. Da die Übergangsmoore und die Niedermoore gewöhnlich im Gegensatz zu den Hochmooren als ebene, mehr oder weniger wagerechte Flächen erscheinen, so faßt man sie auch unter dem Namen der Flachmoore zusammen.

Die Vegetation, die ein Moor ursprünglich bedeckt, entspricht natürlich seiner Entwicklungsstufe. Je nach dieser war es bald ein Schilfröhricht, bald ein Seggenried, bald ein Astmoosteppich, ein Erlenbruchwald, ein nasser Föhren- oder Birkenwald oder ein Bleichmoosrasen.

Die Kultur hat aber darin einen Wandel bewirkt, wenigstens bei den allermeisten Mooren Mittel- und Westeuropas, indem sie sie entwässerte, um sie ihren Zwecken dienstbar zu machen. Dadurch allein wurden schon die meisten der genannten Pflanzendecken vernichtet und durch andere mehr Trockenheit liebende ersetzt, und der Mensch hat mit Axt und Feuer, mit Hacke und Pflug nachgeholfen. Die Flachmoore bedecken jetzt an Stelle der Röhrichte, der Riede und der Wälder der Vorzeit Wiesen, die Hochmoore an Stelle der bunten Bleichmoosrasen eintönige braune Heiden.

Die Kultur hatte wohl Ursache, sich der Moore zu bemächtigen. Bedecken sie doch im Deutschen Reich allein schätzungsweise etwa dreißigtausend Quadratkilometer, wovon mehr als zwanzigtausend allein auf Niederdeutschland entfallen. Ihre Verwertung ist teils technischer, teils landwirtschaftlicher Art.

In technischer Hinsicht hat die größte Bedeutung die Gewinnung von Brenntorf, die freilich durch die Steinkohle und Braunkohle in neuerer Zeit sehr eingeschränkt worden ist. Nach der Herstellungsweise unterscheidet man Stichtorf, Backtorf und Maschinentorf.

Stichtorf bereitet man, indem man den Torf mit besonderen: Schneidegeräten in Gestalt großer Ziegel, Soden genannt, aus dem Moore sticht und sie entweder auf der Erde oder auf leichten Lattengerüsten, die im feuchten Gebirgsklima mit einem Schindeldache versehen sind, langsam trocknet. Backtorf wird hergestellt, indem man den frisch gestochenen Torf mit Wasser zu einem Brei knetet, ihn in gleichmäßiger Schicht auf ebener Erde ausbreitet und, nachdem er halb trocken geworden ist, zu Soden zerschneidet, welche wie Stichtorf völlig getrocknet werden. Zur Verfertigung des Maschinentorfs dienen besondere, durch Dampf- oder elektrische Kraft getriebene Maschinen, in denen die Torfmasse ohne Zusatz von Wasser gemischt und geknetet wird. Den steifen Brei preßt die Maschine in Gestalt eines langen Bandes heraus, das ein Arbeiter in Soden zerschneidet, die in gleicher Weise wie bei den anderen Verfahren getrocknet werden.

Von einem guten Brenntorf verlangt man, daß er dicht, schwer und vollkommen lufttrocken sei, und daß er beim Verbrennen nur wenig Asche liefere. Den besten Brenntorf liefert der ältere Bleichmoostorf der Hochmoore.

Neuerdings ist es gelungen, Torf, ohne ihn vollkommen zu trocknen, in Kraftgas zu verwandeln, das man z. B. zur Herstellung von Elektrizität verwendet. Daneben wird wertvoller Düngestoff als Nebenerzeugnis gewonnen.

Aber auch den getrockneten Torf verwendet man zum Betriebe einer inmitten eines großen Hochmoors angelegten Zentrale, von der aus elektrische Kraft weithin fortgeleitet wird, sodaß die in dem Moore aufgespeicherte Energie der ganzen umgebenden Landschaft auf die bequemste Art zur Erzeugung von Licht und Betriebskraft zugängig gemacht wird.

Eine andere an die Moore geknüpfte wichtige Industrie ist die Erzeugung von Torfstreu. Dazu kann man allerdings nur den jüngern Bleichmoostorf verwenden. Er besitzt nicht nur ein sehr hohes Aufsaugungsvermögen für Flüssigkeiten und bindet daher die flüssigen Ausscheidungen der Tiere im Stalle auf das beste, sondern wirkt auch auf gewisse darin enthaltene kostspielige Dungstoffe, die sonst leicht verloren gehen, in ausgezeichneter Weise erhaltend, sodaß dieses Streumittel bedeutende Vorzüge vor der Strohstreu hat, womit sie den Vorteil vereint, den Tieren ein weiches Lager zu gewähren. Daher sind in zahlreichen größeren Hochmooren Deutschlands und der Nachbarländer Torfstreufabriken angelegt, von denen der getrocknete Moostorf durch passende Maschinen zerrissen, abgesiebt und in Ballen gepreßt versandt wird.

Gelegentlich benutzt man den älteren Bleichmoostorf zur Herstellung von Torfkohle, indem man Maschinentorf in Meilern auf dem Moore verschwelt. Diese Torfkohle ist für gewisse metallurgische Zwecke geschätzt, weil sie arm an Asche und frei von schädlichen Beimengungen ist.

Untergeordnet ist die Verwendung des frischen oder präparierten Torfs in der Heilkunde zur Herstellung von Moorbädern.

Die meisten anderen Versuche, den Torf technisch zu verwerten, woran in der Neuzeit kein Mangel war, sind vollständig gescheitert und haben den Unternehmern sehr viel Geld gekostet.

Weitaus bedeutsamer und auf der ganzen Linie erfolgreicher als die industrielle Verwertung ist die landwirtschaftliche Nutzbarmachung der Moore.

Schon in einer frühen geschichtlichen Zeit wurden die Niedermoore nach der Beseitigung der ursprünglichen Vegetation durch Entwässerung in Wiesen und Weiden verwandelt. Seit einigen Jahrzehnten hat man gelernt, den Ertrag dieser Flächen durch Anwendung geeigneter Düngemittel und durch angemessene Regelung der Feuchtigkeit nach Menge und Güte ganz erheblich zu steigern. In der Tat sind die ausgedehnten Bodenveredelungen, die vom Staate oder mit staatlicher Unterstützung in Moorniederungen ausgeführt werden, ein höchst vorteilhaftes Unternehmen, das nicht allein den betreffenden Besitzern zugute kommt, sondern auch der Gesamtheit des Volks, insofern, als um so mehr und um so besser Fleisch und Milch billig erzeugt werden können, je mehr gute Wiesen und Weiden im Lande vorhanden sind. Man kann zahlenmäßig nachweisen, daß nach der Vollendung der Melioration aller im Deutschen Reich vorhandenen Moorflächen eine noch dichtere Bevölkerung als gegenwärtig mit vorzüglichem Fleisch, mit ausgezeichneter Milch, ebensolcher Butter und mit Käse versorgt werden kann, die alle im Lande erzeugt sind, vorausgesetzt, daß der Einschleppung von Viehseuchen vorgebeugt wird.

Man richtet aber nicht bloß Wiesen und Weiden auf den Niedermooren ein, sondern erzeugt auch unmittelbar wertvolle Nähr- und Genußmittel für die Bevölkerung auf ihnen. In manchen Gegenden Niederdeutschlands treibt man auf Niedermooren einen ausgedehnten, durch große Sorgfalt ausgezeichneten, gewinnreichen Gartenbau, wobei besonders Gemüse gezogen werden, die infolge ihres hohen Wohlgeschmackes geschätzt sind. Selbst Ackerbau wird hier und da in großem Umfange auf den Niedermooren getrieben. Berühmt sind die von Rimpau und Cunrau in der Provinz Sachsen zuerst eingerichteten Dammkulturen, bei denen das Moor zum Zwecke einer ausgiebigen Entwässerung in breite, durch tiefe Gräben geschiedene Dämme geteilt wird, die man mit dem aus dem Untergrunde oder von benachbarten Anhöhen herbeigeholten Sande 12 cm hoch beschüttet. Nur die Sanddecke wird beim Pflügen gelockert, das Moor darunter bleibt ungerührt. Gedüngt wird, wie bei den meisten Niedermoorkulturen, mit Handelsdüngern, unter denen die Staßfurter Kalisalze eine wichtige Rolle spielen. Auf den Moordämmen baut man Kartoffeln, Zuckerrüben, Mohrrüben, Kohlrüben, Erbsen, Bohnen, Roggen, Hafer und andere Feldfrüchte mit hervorragendem Erfolge.

Weit später als die Niedermoore wurden die Hochmoore der Kultur erschlossen. Solche Moore kommen besonders in Oberbayern, im Schwarzwald, im Erzgebirge, im Harz, auf dem Eichsfelde, dem Solling, in der Eifel, in Ostpreußen, Pommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hannover und Oldenburg vor. Im nordwestdeutschen Tieflande finden sich, zumal im Emsgebiete, Hochmoore, die zu den größten der Erde gehören und mehrere hundert Quadratkilometer bedecken. Der Wanderer, der in den mittleren Teil dieser riesigen Flächen gelangt ist, sieht tatsächlich nichts als Himmel und Moor – eine ergreifende Einsamkeit und Öde, die im ursprünglichen Zustande kein Busch und kein Baum schmückt, kaum der Schrei eines Vogels belebt und wo der Fuß bei jedem Schritte tief in den weichen nassen Moosteppich sinkt, der eintönig den Boden deckt, so weit das Auge reicht.

Aber auch in die Hochmoore ist die Kultur siegreich eingezogen. Zuerst – vor reichlich zweihundert Jahren – in der Gestalt der Brandkultur. Man entwässerte das Moor mit flachen Gräben, hackte den Boden dazwischen auf, ließ im zeitigen Frühjahr, wenn er trocken genug geworden war, rasch Feuer über die brennbaren Schollen laufen und säte Buchweizen in die warme Asche. Fünf oder sechs Ernten konnten in dieser Weise auf derselben Fläche gewonnen werden. Dann aber war der arme Boden erschöpft und bedurfte einer zwanzig- bis dreißigjährigen Ruhe, bevor er wieder ein paar unsichere Buchweizenernten zu tragen vermochte. Die von Brandbau lebende Bevölkerung brauchte daher sehr große Flächen und führte bei der Unsicherheit der Ernten doch nur ein erbärmliches Dasein. Sie machte sich zugleich den anderen Bewohnern des Landes durch den erzeugten übelriechenden und qualmenden Moorrauch in empfindlichster Weise bemerkbar, wobei es ein schlechter Trost war, daß ihn auch andere Teile Europas, denen der Wind ihn zutrieb, in Gestalt von Höhenrauch zu genießen bekamen.

Es kostete weit mehr Mühe als auf dem Niedermoor, anstatt dieses unsichern Erwerbs auch auf dem Hochmoor ein brauchbares Kulturverfahren zu gewinnen. Zwar hatte man in Holland schon seit dem Ausgang des sechzehnten Jahrhunderts ein Verfahren entwickelt, das darauf hinauslief, das Moor planmäßig durch Kanäle zu erschließen, es planmäßig zur Brenntorfgewinnung abzugraben, den abgegrabenen sandigen, mit dem Torfabraum vermengten Untergrund mit Hilfe städtischer Fäkalien und Abgänge zu düngen und auf diese Weise nach Beseitigung des Moores große Flächen wertvollen Kulturlandes zu schaffen, auf dem freudig blühende, reiche Siedelungen mit einer rührigen, gewerbsfleißigen und geistig regsamen Bevölkerung emporwuchsen. Allein diese holländische Fehnkultur, wie sie heißt, gedieh auf deutschem Boden trotz vieler Bemühungen, sie da heimisch zu machen, nur ganz ausnahmsweise. Die wirtschaftlichen Bedingungen, die Absatzverhältnisse und die sonstigen Umstände, von denen das Gedeihen einer Siedelung abhängt, waren hier eben ganz andere als in Holland. Doch gelang es den Mooransiedlern hier und da auch ohne die günstigen Vorbedingungen der Holländer Mittel und Wege zu finden, um Ackerbau und Viehzucht ähnlich wie auf anderem Boden auf dem Hochmoore, wiewohl in wesentlich beschränkterem Umfange und mit weit bescheidenerem Erfolge, zu treiben. Insbesondere waren es einige Ansiedlungen in der Nähe von Bremen, die es dadurch zu einem leidlichen Wohlstande gebracht hatten.

Aber erst nachdem sich die Wissenschaft der Sache angenommen und die Bedingungen erforscht hatte, von denen das Gedeihen der Kulturpflanzen auf dem Moorboden abhängt, gelang es, die Hochmoore überall einer sichern landwirtschaftlichen Nutzbarmachung zu erschließen. Mit Hilfe von Kalkzufuhr zum Boden, durch passende Regelung seiner Feuchtigkeit, durch geeignete Düngung, geeignete Bearbeitung, sorgfältige Auswahl der diesem Boden am besten angepaßten Kulturgewächse oder Züchtung entsprechender Rassen derselben ist man nunmehr imstande, auf dem einst verrufenen Hochmoore verschiedene Feldfrüchte, wie Kartoffeln, Hafer, Roggen, Bohnen, Runkeln u. a. m., viele Gemüse, mancherlei Obstsorten, insbesondere Äpfel und Zwetschen, nebst Beerenfrüchten in unübertroffener Güte mit reichem und sicherm Ertrage zu bauen. Man hat gelernt, auch hier gute Wiesen und selbst vortreffliche Weiden anzulegen und damit die Vorbedingung einer gedeihlichen Viehzucht zu schaffen. Man lernte auf dem weichen Grunde Straßen und Häuser in zweckmäßiger und billiger Weise bauen, gesundes Trinkwasser für Menschen und Tiere beschaffen; selbst Ziergärten und schützende Gehölzanpflanzungen anzulegen gelang.

Durch alles dies ist man jetzt in der Lage, auch auf den weiten, von Natur öden und durch die Brandkultur noch stärker verödeten Hochmoorflächen in kurzer Frist Heimstätten für einen Teil unserer rasch wachsenden Bevölkerung zu schaffen, ländliche Siedelungen, in denen ein zwar arbeitsreiches, aber im Bewußtsein seines Erfolgs auch arbeitsfrohes, gesundes Geschlecht heranwächst.

Das ist die deutsche Hochmoorkultur. Sie ist nicht wie die holländische Fehnkultur aus jahrhundertelanger Erfahrung erwachsen, sondern verdankt ihren Ursprung der zielbewußten wissenschaftlichen Forschung, die mit rastlosem Fleiße ihre Ergebnisse beständig in der großen Praxis erprobte, und ist daher trotz ihres jungen Alters nicht weniger sicher begründet. Ihr Wesen besteht gegenüber der holländischen Fehnkultur darin, daß sie es nicht nötig hat, erst das Moor zu beseitigen, um danach den Untergrund urbar zu machen, was bei dem verminderten Absatz von Brenntorf in der Gegenwart ein wenig aussichtsvolles Unternehmen wäre, sondern daß sie gerade den nicht abgetragenen Boden in blühendes Kulturland zu verwandeln vermag. Wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten oder verlangen, verschmäht sie es selbstredend nicht, sich auch die Erfahrungen der holländischen Fehnkultur zunutze zu machen, immer nur das eine Ziel im Auge, nutzbare Werte auf jede Art zu schaffen.

Aber das eine hat die deutsche mit der holländischen Hochmoorkultur gemein, daß sie bei der Besiedelung der Moore eines weitausschauenden und wohlbedachten Planes bedarf, der Einrichtung von Verkehrswegen, seien es Kanäle oder befestigte Landstraßen, der klugen Wahl des Ortes für die Anlage der Hofstätten, der zweckmäßigen Abmessung der Größe der einzelnen Stellen, damit sich eine Siedlerfamilie darauf gut zu ernähren vermag und nicht Land ungenutzt liegen läßt, der Organisation der Gemeinden und der Anleitung der Siedler, damit sie keine ihr Dasein gefährdende Fehler unter den ihnen zunächst neuen und fremden Verhältnissen begehen, um nur einige der Einzelheiten zu nennen, auf die es ankommt.

Aber das alles sind Vorbedingungen, an die der Erfolg jedes kolonisatorischen Unternehmens, sei es daheim oder in der Fremde, geknüpft ist. Sie erfordern das Vorhandensein reichlicher Geldmittel. Hoffentlich mangelt es in den moorreichen Gebieten unseres Vaterlandes zukünftig nicht an deren Bereitstellung, damit die begonnene innere Kolonisation auch auf den Mooren rüstig voranzuschreiten vermag als ein nicht gering zu schätzender Beitrag zur Vermehrung unseres nationalen Wohlstandes und unserer nationalen Kraft.


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