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Der Krieg gegen Österreich
Liebenberg, den 15. April
Über die in der Nachbarschaft sich tarnenden Kriegswolken sind wir alle sehr verlegen, denn ein jeder kann uns ins Land laufen. Alles wird übrigens aufgeboten, um gegen Spanien oder Österreich zu ziehen. Letzte Woche lag wieder ein Regiment sächsischer Kürassiere bei Bergsdorf; sie führten sich gut auf und gingen nach Brandenburg, wo sie weitere Ordre erwarteten. Sie hofften auf nichts Erfreuliches und verwünschten den Krieg. Nun soll noch ein sächsisches Infanterieregiment hier durchpassieren. Dieses ist das letzte, welches von Danzig kommt. Ich denke, daß es am Main oder an der Elbe irgendwo schiefgehen muß und deshalb alle Festungstruppen, die meist alte Soldaten sind, herangezogen werden.
L., den 4. Juni 1809
Mehrere von unsern vormaligen Soldaten haben bei den Österreichern Dienste genommen; selbst aus Berlin sind welche desertiert, um zu ihnen zu gehn.
L., den 8. Juni
Hier ist man in der Erwartung, daß der französische Kaiser, der alles an sich zieht, um eine Übermacht zu haben, wegen der letzthin verlorenen Schlacht bei Aspern und Eßling sich an dem Erzherzog Karl zu rächen suchen wird. Noch sind in keiner Schlacht so viele französische Generale von vorzüglichen militärischen Kenntnissen geblieben oder verwundet als in dieser; es muß schrecklich hergegangen sein. Die Donau hat manchen Körper nach dem Schwarzen Meere befördert, der vor vier Monaten noch in Spanien lebte. Wenn es wahr ist, daß Krieg nötig ist, um die Welt von zu großer Volksmenge zu säubern, so muß ich doch bekennen, daß diese Säuberung etwas stark ist. – Was hier von Truppen steht, wird komplettiert und nach und nach bekleidet; auch die Artillerie instand gesetzt. Dabei wird fleißig exerziert. Aber das alles ist bloß Vorsorge und scheint mir nicht auf Teilnahme an dem Kriege abzuzwecken. Wollte Gott, es wäre einmal Friede; aber bei Versperrung aller Wege dazu, wo soll er herkommen?
30. August 1809
Des französischen Kaisers böses Gewissen sieht und bemerkt Gefahr und Aufstand und will doch nicht Buße tun. Am wenigsten in Tirol, wo man durch Füsiladen und harte Behandlung den Aufstand erneuert hat, und zwar in solcher Wut, daß ein Teil der Rheinbündler-Truppen und der Bayern vernichtet ist. Der Verlust von Vlissingen wird auch sehr ärgern. An Stelle des von Stettin ausmarschierten 22. Regiments kam neuerdings das in Spanien ruinierte 27. wieder durch Zehdenick. Früher gehörte es zum Soultschen Corps, stand in hiesiger Gegend und war damals über 1800 Mann stark. Anjetzo, trotzdem schon eine Konskriptions-Ergänzung dazu gestoßen ist, zählt es nur 450 Mann. Von den alten Offizieren war keiner mehr dabei, so hat Spanien damit aufgeräumt. Möchten sie doch alle so siegen.
L., den 13. September 1809
Ich war vorige Woche in Berlin, aber der Aufenthalt daselbst ist mir ganz zuwider. Ich habe da nichts von frischer Luft, und ein Gang Unter den Linden will auch nicht viel besagen. Wenn ich hier in Liebenberg bin und Unbehaglichkeit fühle, setze ich mich aufs Pferd und befinde mich besser.
Neues weiß man hier gar nicht. Oft hört man ganz widersprechende Nachrichten. Die Friedensbedingungen, hieß es, wären: daß Salzburg, Tirol und Vorarlberg dem Herzoge von Würzburg zufallen sollten, wohingegen Bayern Würzburg bekäme. Galizien käme zu Warschau, der König von Sachsen würde König von Polen und der Herzog von Weimar König von Sachsen. Ich verbürge die Wahrheit der Nachricht nicht, so viel aber scheint mir gewiß, daß man vor Tirol Respekt bekommen hat, wo der Herr Duc de Danzig (General Lefebvre) Gott hat danken müssen, daß er mit heiler Haut aus den Bergschlupfen entkommen ist.
Mißstimmung über den Gang der inneren Politik
Liebenberg, den 25. April
Die französische Niedertracht wächst mit jedem Tag und ruiniert uns noch das bißchen von Anstand, Gesinnung und guter Sitte, was wir uns aus besseren Tagen gerettet. Über die Spioniererei in Magdeburg hat uns Frau von A. denn doch eine Beschreibung gemacht, die alles übertrifft; Freunde müssen bei verschlossenen Türen und alsdann auch nur sachte sprechen. Und in den Zeitungen wird der Welt tagtäglich von unserem Glück und Wohlbefinden erzählt.
L., 6. Juni
Bei der hiesigen Regierung ist man mit Verabschiedungen neuerdings sehr liberal gewesen. Der Direktor Groote trat freiwillig zurück, aber die Räte von Winterfeldt, Bonsery, Nagel sind entlassen worden. Alle drei waren während des Aufenthalts der Franzosen viel in Verpflegungsmagazin- und Lieferungssachen gebraucht worden. Andere Räte und kleinere Beamte der Regierung sind auf kleine Pension gesetzt worden. Ich werde aus dem ganzen Verfahren nicht klug; hat man Ursach zu Mißvergnügen gegen Beamte, so lasse man sie richten und strafen, aber das démettre et chasser, ohne einen Grund anzuführen, setzt Beamte in die Kategorie eines Knechts, dem ich ohne weiteren Grund sagen kann: Du ziehst ab.
L., 10.Juli 1809
Ich kann mich mit der Umänderung unserer Staatsverfassung nicht befreunden und pflichte denen bei, die da sagen: früher hätten wir mittelmäßige Doctores gehabt, nun aber wären wir unter die Hände der Quacksalber geraten. Ich kann noch nicht einsehen, daß bei den Neuerungen mehr Ordnung und Tätigkeit eintrete; ich gehöre aber auch freilich zu den alten dummen Alltagsmenschen. – Daß Danckelmann nicht nach Berlin berufen und daselbst angestellt worden ist, ist verdrießlich. Aber nach meiner Ansicht von unserer Gesamtlage war es eigentlich nicht möglich. Denn verhehlen wir uns nicht, es ist eine Clique da, die über alles disponiert, und die wird sich hüten, andre als ihrem Kreis Angehörige in die Nähe des Thrones zu ziehen. Klage darüber zu führen ist unstatthaft und gilt für illoyal, unter Umständen auch für revolutionär. So steht es um unsere bürgerliche Freiheit! Etwas Freies soll weder gedruckt noch geschrieben werden. Friedrich ließ drucken und schreiben und bekümmerte sich um nichts.
L., 13. September
Der Großkanzler ist nun wieder in Berlin; von den übrigen Ministern hört man nichts. Dagegen höre ich, daß der Accoucheur Dr. Ripke nach Königsberg abgegangen ist. Ich bedaure die Königin über ihre Fruchtbarkeit, denn sie kann das viele Kindern nicht aushalten, zumal ihre Lage, wie die des ganzen Staates, sehr unangenehm auf ihr Gemüt wirken muß. – Es wird nun also wirklich an Rückkehr des Hofes von Königsberg nach Berlin gedacht. Am äußeren Jubel wird es bei der Gelegenheit nicht fehlen, ob er aber innerlich und dauernd sein wird, steht leider sehr dahin. Es kann sein, daß das Alter mich mürrisch und von schweren Begriffen macht, muß aber gestehen, daß ich alle Veränderungen als verderblich ansehe. Ich kann in den Neuerungen nichts Besseres finden, als das Alte war, im Gegenteil, alles arbeitet einem reinen Despotismus in die Hand. Anstatt den König dem Volke zu nähern, entfernt man ihn von ihm; einige Faiseurs wollen alles machen und machen auch alles. Was nebenher der Menschenschinder im großen Babel mit all seinen königlichen Sklaven aushecken wird, wird bald zutage kommen. Uns und allen Völkern kann es nur nachteilig sein. Alles läuft darauf hinaus, auch Chef der Kirche sein zu wollen und das abendländische Kaisertum mit voller Despotie wiederherzustellen. Zum Schlusse fehlt nur noch, daß auch Kaiser Alexander das orientalische Reich wieder aufrichtet; dann sitzen wir und Österreich in der Mitte, geprellt von dem einen, gestoßen vom andern.
Königs Geburtstag. Theatersachen
Berlin, 5. August 1809
Vorgestern war hier zu Königs Geburtstag ein prächtiges Konzert im Saale des Komödienhauses, und zwar zugunsten des Friedrichs-Instituts, des Mittags großes Diner bei Prinz Ferdinand, abends Ball von 300 Personen bei Minister von der Goltz. Die Stadt war ziemlich erleuchtet, meistens im Innern der Häuser. Das Konzert habe ich gehört. Unsere besten Stimmen sangen einen Akt aus einer von Righini komponierten Oper. Die Singakademie sang die Chöre sehr schön; eins, welches ein paar Crescendo-Passagen hatte, war ordentlich rührend. Schade war es, daß viel Regen fiel. Den Abend vorher sah ich Iffland den »Amerikaner« spielen; er war glänzend und hat uns alle bei herzlichem Lachen erhalten.
Berlin, 8. August 1809
Der Tod der Madame Schick macht alle Theater- und Musikliebhaber traurig; mir erschien sie als Sängerin nicht so vorzüglich, aber ihr Ruf von guten Sitten machte sie mir schätzbar.
Berlin, 31. Dezember 1809
Interessieren wird Dich vielleicht, daß die Bethmann, die das Publikum durch einen dummen Auftritt wegen ihrer Tochter sehr beleidigt hatte (deshalb übrigens auch in Hausarrest war), nun durch eine öffentliche Abbitte wieder zu Gnaden aufgenommen ist. Von dem elenden Vorfall wurde so viel gesprochen als wie vom letzten Friedensschlusse, denn es gehört zum Geiste der Zeit, daß die Komödianten nicht nur auf dem Theater, sondern auch im Publikum etwas vorstellen.
Der Brand der Petrikirche
Berlin, den 25. September 1809
In der Nacht vom 20. d. hatten wir hier die fürchterliche Szene des Brandes der Petrikirche. Ich glaubte, der nächstgelegene Stadtteil würde abbrennen, denn der Sturmwind trieb das Feuer bis weit über meine Wohnung hinaus. In der Stralauer Straße fingen zwei Häuser und der Waisenhausturm Feuer; jene wurden gerettet, aber der Waisenturm brannte ab, nicht ohne Gefahr für das ganze umliegende Viertel. An der Petrikirche selbst war nichts zu tun, als sie brennen zu lassen; der Turm fiel zum Glück in sich zusammen, vierzehn Häuser aber, die nächsten unter dem Winde nach der Grünstraße zu, sind teils ganz abgebrannt, teils sehr beschädigt. Was das Feuer sehr vermehrte, war das, daß die auf dem Kirchensöller mietsweis aufgestellten Buchniederlagen von Haude und Spener und von Pauli gleich von den Flammen ergriffen und die Blätter brennend umhergetrieben wurden. Ohne die guten Anstalten zum Löschen, die Menge der Spritzen, besonders der Prahmspritzen, und ohne die herbeiströmenden Menschen würde gewiß ein Viertel der Stadt abgebrannt sein. Du kannst Dir eine Vorstellung von den Flammen machen, wenn ich Dir sage, daß es um zwei Uhr in der Nacht so hell vom Feuer wurde, daß ich bequem kleinen Druck lesen konnte. Die Urheber des Feuers sind gestern eingezogen worden. Es ist zunächst eine Schusterfrau, die einen bloßen Tischladen zum Verkaufe hat, den sie dann des Abends, für eine Erkenntlichkeit an den Küster, in die Kirchenhalle setzte. Da es kaltes Wetter war, hatte sie einen Feuertopf, um die Beine zu wärmen, gebraucht und diesen Feuertopf, ohne die Kohlen auszuschütten, am Abend samt ihrem Tisch und Stuhl in die Halle gesetzt. Und daraus ist der Brand entstanden. Vermutlich wird diese Kirche zunächst in Schutt und Trümmer bleiben; denn wo soll das Geld herkommen? Über dreißig kleine Krämer, die ihre Buden an der Kirche hatten, haben alles verloren.
Rückkehr der königlichen Familie
Liebenberg, 14. Dezember 1809
Gestern hörte ich von Berlin her, daß die Schlächter in egalen Uniformen den König einholen wollen und daß ihn die Gärtnertöchter anreden und ihm mit einem Gedichte Langeweile machen werden.
Berlin, den 26. Dezember 1809
Deinem Wunsche gemäß erfolgt hierbei eine kurze Geschichtserzählung vom Einzuge des Königs. Dieser Einzug war wegen des Frohsinns, der herrschte, außerordentlich rührend. Auch das Wetter begünstigte ihn, und der 23. war der einzige Tag, an welchem die Sonne ununterbrochen schien.
Drei Tage vor der königlichen Ankunft bekam der alte brave Lestocq seine Demission. – Auch diesen Mann mußte man abdanken, weil der allgemeine Wütrich – noch aus Groll wegen Major Schills irren Ritterzuges – solches als eine Satisfaktion verlangt hatte. Auf ein Verlangen von derselben Seite her ist Feldmarschall Kalckreuth zum Gouverneur ernannt worden. Lestocq kennt den ganzen Zusammenhang, er weiß, daß er ein Opfer der Politik ist, und wird vermutlich auf die Propstei nach Brandenburg ziehen. Der König hat ihn auf die ehrenvollste Art empfangen und ihn ganz allein zu einem Familiendiner gebeten; er behält sein volles Gehalt und ist zufrieden, so wie auch sie, die, nach so viel Unruhe, nun endlich Ruhe zu finden hofft. Kalckreuth wird hier nicht gern gesehen werden; er soll Ende Januar eintreffen, übrigens ohne seine Frau, die an der Luftröhrenschwindsucht ohne Hoffnung darnieder liegt. Vielleicht stirbt sie, eh er abreist.
Das Urteil gegen den Generallieutenant von Wartensleben hat uns, nebst noch anderen, die »Hamburger Zeitung« mitgeteilt; ich weiß nicht, warum man es nicht bei uns auch durch den Druck bekanntmacht. Unseres Fräuleins du Troussel Vater hat wohlgetan zu sterben, denn vermutlich hätt er ein Todesurteil bekommen. Der alte Romberg und der Kommandant Knobelsdorf zu Stettin würden ein gleiches Schicksal gehabt haben, wenn sie nicht zur Ewigkeit abgereist wären. Dem Wartensleben gönnt ein jeder sein Schicksal. Übrigens sehe ich, daß manche Militärs bloß nach Gunst wieder angestellt werden, dagegen andere, die tüchtige Kerls sind, zurückstehn müssen.
Der französische Gesandte soll sich gegen die Königin über die Freude des Volks beim Einzuge mit den Worten geäußert haben: »On voyait, que les acclamations n'étoient pas commandé.«