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VII. Von Damaskus nach Palmyra.
Zurück nach Beirut
9. März. Während des Aufenthalts in Damaskus hatte sich der Prinz schlüssig gemacht, trotz aller Unbill des Wetters die nach Palmyra geplante Reise wirklich anzutreten. Vizekonsul Kaufmann Lütticke zu Damaskus, der Palmyra von einem früheren Besuche her schon kannte, stellte sich dem Prinzen zur Verfügung und übernahm die Führung. Am 9. früh brach man auf. »Wir waren 150 Menschen (darunter 60 Tscherkessen und kurdische Reiter) und 200 Tiere. Den ersten Gruß brachten uns sechzehn in rasendem Galopp über die Ebene daherjagende Beduinen, ihren Scheich an der Spitze. Ein braun und weiß gestreifter Burnus umhüllt den Körper, aus der Vermummung des Kopfes schaut ein dunkelbraunes Gesicht mit martialischem Schnurrbart; die nackten Beine stecken in unbehilflichen Stiefeln, und eine dreizehn bis vierzehn Fuß lange Lanze wird in den Händen geschwungen. Ihre Rosse, durchweg Stuten, sind von kleinem Bau.« Man kam bis zu dem Lehmdorfe Qutaife, wo man lagerte.
10. März. Fortsetzung der Reise. »Wir kampierten in der Wüste hart neben einer Ruine, die den Namen Chan-el-ahmar führte. Als die Nacht über die Wüste hereingebrochen war, veranstaltete Mr. Alexandre eine Soirée dansante. Unter der Beleuchtung von zwei mit brennenden Holzscheiten angefüllten Fackelständern, deren Flammen die Ruine mit einem roten Schimmer überzogen, traten alle nichteuropäischen Mitglieder der Expedition, von den Tscherkessen bis zu den Libanesen, zum Tanze an, um ihre Nationaltänze und Gesänge zum besten zu geben. So tanzten und sangen die Urahnen der heutigen Völker auf der Westseite des großen asiatischen Erdteils bereits vor Tausenden von Jahren, und wenn nun jetzt die flammenden Hölzer zu erlöschen drohten und die Sänger und Tänzer nach Licht riefen, gossen ihre Kameraden ganze Flaschen voll Petroleum in die glimmenden Kohlen hinein. Zuletzt erschien ein syrischer Diener Mr. Alexandres, ein wahrer Virtuose, und entlockte der syrischen Doppelflöte die wundervollsten Weisen.«
11. März. Weitermarsch. Nachtquartier in dem Jagd- und Wüstendorfe Qariatên. Der Scheich von Qariatên erscheint, um den Prinzen im Lager zu begrüßen.
12. März. Weitermarsch. Der Wüstenwind nimmt den Charakter eines Orkans an, und als man sich im »großen Zelt« zur Mittagstafel setzen will, bricht alles unter dem Sturm zusammen. Das Nachtquartier an der Quelle der »Steinböcke« war von gleichem Charakter. Schreckliche Stunden.
13. März. Weitermarsch. Unerträgliche Staubwolken. Kein Zeltaufschlagen möglich, ebensowenig Herrichtung einer ordentlichen Mahlzeit. Spätnachmittag kam Palmyra in Sicht. Der Prinz versammelte seine Begleiter um sich und sagte, während er nach dem Trümmerfelde hinüberwies: »Es ist ein Jugendtraum, der mir im Alter in Erfüllung geht. Als ich noch ein kleiner Knabe war, empfing ich einmal ein Bilderbuch zum Geschenk, das unter anderen Darstellungen auch die der Ruinen von Palmyra enthielt. Die Abbildung und der poetische Name fesselten meine Aufmerksamkeit dermaßen, daß mich eine wahre Sehnsucht plagte, dereinst mit eigenen Augen die Wunder von Palmyra zu sehen. Mein ganzes Leben hindurch habe ich das Bild nicht aus dem Gedächtnis verloren und stets den Wunsch gehegt, den Jugendtraum wahr zu machen. So nahe dem Ziel, bin ich hocherfreut, die Wirklichkeit mit dem Ideale meiner Kindheit vergleichen zu können.«
Gegen sieben war man da, und die Reiter stiegen von ihren Pferden, um bei der »Quelle an der Mühle« zu rasten. Leider war es eine stinkende Schwefelquelle und der Aufenthalt in ihrer Nähe nicht bloß unerfreulich, sondern auch ängstlich, weil man nicht wußte, woher Trinkwasser genommen werden solle. Zum Glück zeigte sich's bald, daß Vizekonsul Lütticke mit seiner Versicherung, »das Wasser verliere durch Kaltwerden und Stehen sehr bald seinen Schwefelgeruch und sei dann vortrefflich«, recht behielt, und ehe die Nacht einbrach, bot der »Platz um die Mühle« das Bild eines bunten und heiteren Lagerlebens. Gegen zehn hatten wir ein treffliches Souper, und um elf suchten wir unsere Zelte und unsere Betten auf, um von Palmyra, Salomo, seiner Tochter Belkis und der tapferen Königin Zenobia zu träumen.
14. März. In Palmyra. Die Lage hart an der östlichsten Grenze der syrischen Wüste, an der Straße von Damaskus nach den Euphratländern, dazu die hier vorhandenen Wasser und Brunnen machten Palmyra früh zu einer Karawanen- und Handelsstadt. Der rasch anwachsende Reichtum der Kaufherren ließ ebenso rasch Denkmäler und großartige Anlagen entstehen, die freilich den Charakter schneller Gründungen trugen. Palmyra ist eine Gründerstadt im besten Sinne des Worts. Ihre Bauherrn, schnell emporgekommene Kaufleute mit allen guten und schlechten Eigenschaften derselben (den Hochmut nicht ausgeschlossen), ruhten von ihren Werken in stolzen Familiengräbern aus, die sich in etagenhohen Türmen oder in den Felsenkammern zu beiden Seiten der westlichen Gebirgseinfassungen befinden. – Wieder eine Sturmnacht.
15. März. Wie schon am Tage zuvor wird alles besucht, gezeichnet, photographiert; namentlich werden Inschriften abgeschrieben. In der Nacht wieder Sturm.
16. März. Dieser Tag (16. März) bezeichnet das Datum der nun wieder eingeleiteten Heimkehr des Prinzen nach Berlin. Gegen Mittag Begegnung mit dem Beduinenscheich Satam, der sich dem Prinzen schon in Palmyra vorgestellt hatte. Der Prinz ist Satams Gast. Dann scheidet man. Nachtquartier in der Nähe der »Steinbocksquelle« schrecklichen Angedenkens.
17. März. Bis zum Dorfe Qariatên, wo der Prinz schon am 11. gelagert hatte. Von hier aus wird jetzt abgezweigt, um den weiteren Rückweg über den Antilibanon zu machen.
18. März. Bis zum Dorfe Bridj am Fuße des Antilibanon.
19. März. Über den Antilibanon, bis (hinabsteigend) zum Dorfe Ras-Baalbek.
20. März. Geburtstag des Prinzen. Gratulation um sieben Uhr früh. Die Reisegesellschaft überreichte dem Prinzen eine kleine Zahl auserlesener Münzen (»Antikas«), die man schon in Damaskus als ein passendes Geschenk erstanden hatte und die nun dem Geburtstagskinde die größte Freude machten. Dann Aufbruch vom Dorfe Ras-Baalbek, um, nach zehnstündigem Ritt, die Tempelruinen von Baalbek (Heliopolis) zu erreichen. Nachtquartier im »Hôtel Palmyra«, wo man's nach acht im Zeltlager zugebrachten Sturmnächten himmlisch fand. Herrliche Mahlzeit. Die Geburtstagsfeier des Prinzen, am Morgen in Ras-Baalbek begonnen, wird am Abend in Baalbek fortgesetzt. Vorher, in den Spätnachmittagstunden, hatte man noch Zeit gefunden, die wichtigsten Ruinen zu besuchen, namentlich den größeren und kleineren Sonnentempel.
21. März. Aufbruch von Baalbek nach Poststation Schtora, und zwar unter Benutzung der türkischen Post. In Schtora – nach Entlassung der aus Damaskus mitgenommenen türkischen Begleitung – Mittagsmahl und Postwechsel. Dann mit der französischen Post über die Libanonstraße nach Beirut (nicht nach Damaskus) zurück. Ankunft noch zu guter Stunde. Hôtel d'Orient. Begrüßung. Briefe, Nachrichten aus der Heimat. Wieder eine Sturmnacht. Aber man ist unter Dach und Fach. Auf der Reede liegt die »Nymphe«; schon von den Bergen aus (zur Mittagsstunde) hatte der Prinz das Schiff in aller Deutlichkeit erkannt.
22. März. Kaisers Geburtstag. Parade an Bord der Glattdeckskorvette »Nymphe« (Kapitän Dietert), die bestimmt ist, den Prinzen über Rhodus, Athen und Neapel nach Livorno zu führen. »Nach der Parade nahm der Prinz Abschied von allen, die ihn bis an Bord der ›Nymphe‹ begleitet hatten: von Oberst Achmed Bey und Major Ismael Bey, den beiden Adjutanten des Sultans (beiden liefen die Tränen über die Wangen), vom deutschen Konsul und den sonst noch anwesenden deutschen und türkischen Beamten. Vom Ufer aus winkten die Diakonissinnen mit ihren jungen Pflegebefohlenen dem scheidenden Prinzen, und 3¼ Uhr stach die ›Nymphe‹ in See.«
VIII. Von Beirut nach Livorno
23. März. (Karfreitag.) Stürmische Fahrt. Trotzdem Gottesdienst auf Deck. »Er wurde durch das Gesangbuchlied ›O Haupt voll Blut und Wunden‹ eingeleitet, übte im Angesicht der entfesselten Elemente eine erschütternde Wirkung auf mich aus, und ich schäme mich auch heute nicht der Tränen, die mir in den Augen standen.«
24. März. Stürmische Fahrt. Von der Reisegesellschaft nur der Prinz und Hauptmann von Kalckstein bei Tisch.
25. März. (Ostersonntag.) Stürmische Fahrt. Kapitänlieutenant Hildebrandt, Erster Offizier auf der »Nymphe«, erzählt dem Prinzen von seiner Nordpolexpedition von 1868 bis 70. »Er hatte neun volle Monate mit dreizehn Gefährten auf einer Eisscholle und sieben Wochen auf offenen Booten zugebracht dabei in steter Gesellschaft eines wahnsinnig gewordenen Gelehrten, Dr. Buchholz, den er wie ein Kind überwachen mußte. Nach maßlosen Leiden erreichte man Grönland und schließlich die Heimat.«
26. März. Stürmische Fahrt. Um drei Uhr Ankunft in Rhodus. Zweistündiger Besuch in der Stadt. Um sechs Uhr wieder in See. Das Wetter bessert sich.
27. März. Um neun Uhr früh zwischen Naxos und Paros; um sieben Uhr abends im Hafen von Piräus.
28. März. Alles früh auf Deck. Umblick. Um 8½ mit der Eisenbahn nach Athen. Erste Fahrt durch die Stadt. Um zwölf im Hôtel de la Grande Bretagne. König Georg I. und sein Bruder, der Kronprinz von Dänemark, begrüßen den Prinzen. Der Prinz zum Frühstück im Schloß. Nach dem Frühstück: Schliemann-Museum, Mykenä-Museum, Tanagra-Museum. Spazierfahrt in der Umgegend von Athen. Um 7½ der Prinz und seine Begleiter zum Diner im Schloß. Großfürst Konstantin. Dieser sprach mit Brugsch über die Zukunft des Orients und die Aufgaben Rußlands als des einzigen Vermittlers zwischen dem fernsten Osten und den europäischen Völkern. Vor allem hob der Großfürst hervor, daß Rußland die Aufgabe habe, »die Horden Chinas von Europa fernzuhalten«.
29. März. Fahrt nach Eleusis. Um zwei Uhr wieder im Hôtel de la Grande Bretagne. 4½ Uhr Abschied von Athen. 5½ wieder an Bord der »Nymphe«. Der französische Admiral erscheint an Bord, um den Prinzen zu begrüßen. Um sechs Fortsetzung der Reise.
30. März. Fahrt. Sturm.
31. März. Etwas besseres Wetter.
1. April. Auf hoher See.
2. April. Um vier Uhr früh der Ätna in Sicht.
3. April. Um sechs Uhr früh Neapel in Sicht. Um acht vor Anker. Botschafter von Keudell und die Generale von Cranach und von Alvensleben begrüßen den Prinzen. Besuch der Stadt (Aquarium); Besuch der nächsten Umgebung. Pompeji.
4. April. Vesuv. Sorrent. Amalfi. Rückkehr nach Neapel.
5. April. Fortsetzung der Reise. Nachmittags in Nähe von Ostia-Rom.
6. April. In der Frühe zwischen Elba und dem Festland. Um Mittag im Hafen von Livorno.
IX. Von Livorno bis Dreilinden
7. April. Von Livorno nach Pisa. Von Pisa (durch die Tunnel) nach Genua. Ankunft drei Uhr nachmittags
8. zum 9. April. Von Mailand bis Ala.
9. April. Über den Brenner.
10. April. Abfahrt von München.
11. April. Ankunft in Großbeeren. Von da nach Dreilinden.
Kurze Zeit danach war Diner in Dreilinden, zu dem in erster Reihe die Teilnehmer an der Orientreise geladen waren. Als man sich von der Tafel erhoben hatte, führte der Prinz seine Gäste in den neu angebauten, geschmackvollen Billardsaal. Ein reich bemaltes altägyptisches Totenbild lag auf dem grünen Tisch. Es war die Mumie der Amonssängerin, die Tudrus, der thebanische Konsularagent, in nächtlicher Stunde (vgl. S. 380) von Luxor aus auf das Deck der Dahabieh geschmuggelt hatte. Die bunte Kartonhülle wurde geöffnet, die Mumienbinden gelöst, und der braune, wohlerhaltene Körper einer Jungfrau, die in der Blüte ihres Daseins das Zeitliche verlassen hatte, enthüllte sich vor den Blicken der Anwesenden. Kein Amulett, kein Schmuckgegenstand, keine Papyrusrolle fand sich an dem Leibe der heiligen Tempelmagd vor. Die Enttäuschung war eine allgemeine. Die Jungfrau hatte schließlich die weite Reise nach Dreilinden zurückgelegt, um, nach dem Befehl des Prinzen, ihre letzte Ruhestätte in der Ägyptischen Abteilung der Königlichen Museen in Berlin zu finden.
Wer sie dort sehen will, frage nach Nr. 8284.