Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

8. Kapitel

Friedrichs Diplomatie. Bündnisse mit Magdeburg und Sachsen. Anscheinende Begleichung der Streitfrage. Huldigung und erneute Provokationen

Friedrich hatte der Schlacht am Kremmer Damm nicht beigewohnt, ebenso waren die Quitzows, »die intellektuellen Urheber« des Pommerneinfalls, nicht zugegen gewesen. Frühere Geschichtsschreiber lassen freilich, im Widerspruch dazu, beide Brüder unmittelbar an der Seite der Pommernherzöge dem Kampfe beiwohnen, Riedel aber, und nach ihm alle Neueren, haben das Nichtstichhaltige dieser Annahme dargetan. Die Quitzows handelten klüger und warteten in einer ihnen durch Schloß Friesack und Schloß Plaue gegebenen Flanken- und Rückenstellung den Ausgang ab, um, wenn alles gut ging, durch ein nachträgliches Eingreifen die burggräfliche Sache rasch zu vollem Ende führen, im Falle des Mißlingens aber sich als schuldlos und unbeteiligt hinstellen zu können. In gleicher Weise verfuhr die ganze märkische »Fronde«, die, wohl wissend, was auf dem Spiele stand, konsequent an ihrem negativen Verhalten festhielt. Sie begnügte sich damit, den Burggrafen als nicht vorhanden anzusehen, hütete sich aber, ihn durch offene Feindseligkeit zur Anwendung von Gewaltmaßregeln herauszufordern. Man ließ es an List auf beiden Seiten nicht fehlen, diplomatisierte hüben und drüben, und während die »Renitenten« eine friedfertige Gesinnung und in Einzelfällen sogar eine freundschaftliche Haltung heuchelten, gab sich Friedrich seinerseits das Ansehen, an diese Friedfertigkeit zu glauben. Er ging darin so weit, die Quitzows zu Gaste zu laden, und obgleich er ihre wahre Gesinnung sehr wohl kannte, mag er doch nicht ohne Hoffnung auf einen allmählichen Wandel der Dinge gewesen sein und wenigstens eine Zeitlang an die Möglichkeit gedacht haben, ihre Herzen durch Entgegenkommen gewinnen zu können.

Darin sah er sich nun freilich getäuscht, und als ihm dies feststand, entschloß er sich, wie Wusterwitz schreibt, »als ein gütiger Beschützer und Beschirmer seiner Untertanen einen großen Mut zu fassen und mit Rat frommer Herrn zu bedenken, wie der Mark zu helfen sei. Da fand er denn, daß Freundschaft und Vereinigung mit den benachbarten Fürsten und Herren am ehesten geeignet sein würde, diese Hülfe zu schaffen und einen festen Zaun der Beschirmung um die Mark zu ziehen.«

Und von diesem Augenblick an wurde dann auch alles Nötige zum Abschlusse solcher hülfeschaffenden Bündnisse getan, unter welchen Bündnissen das mit Mecklenburg, insonderheit aber das mit dem Erzbischofe von Magdeburg und dem Herzoge Rudolf zu Sachsen obenan stand.

Diese trotz aller Heimlichkeit sehr bald bekannt werdenden Vorgänge blieben nicht ohne Wirkung auf die Mitglieder der »Fronde«, die, rasch erkennend, gegen wen sich das alles richtete, momentan nachzugeben beschlossen, um zunächst besser Wetter abzuwarten. In der Tat erschienen sie bald danach vor dem Burggrafen, um ihm die bis dahin verweigerte Huldigung zu leisten, und schoben durch diesen am 4. April 1413 in Berlin vollzogenen Akt freiwilliger Unterwerfung die schon damals drohende Katastrophe um fast Jahresfrist hinaus. Aber der Hang, nach eigenem freien Ermessen zu handeln und ein obrigkeitliches Regiment nur insoweit gelten zu lassen, als es ihnen zu Willen war, steckte den Quitzows zu tief im Blut, als daß sie sich desselben auf die Dauer und einem bloß äußerlichen Unterwerfungsakte zuliebe hätten entschlagen können. »Wir haben nun den Rechtszustand anerkannt und sind, nachdem wir dem Nürnberger gehuldigt, keine Rebellen mehr gegen König Sigismund und seinen Willen. Aber wie wir des Königs Recht gewahrt haben, so wollen wir nun auch das unsere wahren, und das unsere heißt: ›Recht der Absagung und freien Fehde‹.« So mochten ihre Gedanken gehen, und schon innerhalb der nächsten Tage geschahen Dinge, die dieser Anschauung vom Rechte freier Fehdeführung Ausdruck gaben.

Sehen wir, wie.

Unter den vielen Landesschlössern, die während der Jobstschen Herrschaft »in Versatz« gegeben waren, war auch Schloß Trebbin, ein »Raubschloß«, wie Wusterwitz es nennt, das um die Zeit, als der Burggraf ins Land kam, von drei Brüdern von Maltitz gehalten wurde. Bei Gelegenheit der »Auslösungen«, die nun begannen, ja sich recht eigentlich als erste Pflicht des neuen Statthalters herausstellten, kam auch Schloß Trebbin an die Reihe, dessen derzeitige Besitzer jedoch die Herausgabe des Schlosses gegen Rückempfang der Pfandsumme verweigerten, vielleicht weil sie den Quitzows nahestanden und Hülfe von ihnen erwarten mochten. All dies wurde Veranlassung, daß Burggraf Friedrich, dem sich auf diesem Zuge die gesamte »renitente« Partei, die Quitzows mit eingerechnet, anschloß, am 23. April 1413 vor dem »Raubnest« erschien und es nach zweitägiger Belagerung einnahm.

Solch Erfolg durfte den Burggrafen mit Genugtuung erfüllen. Aber diese Genugtuung war von kürzester Dauer, und ehe noch der Abzug angeordnet war, zogen die Quitzowschen, ohne sich um den Burggrafen zu kümmern oder ihm auch nur Kenntnis davon zu geben, aus dem Trebbiner Lager ab, um weiter südlich in das zunächst unter dem Abt von Zinna, mittelbar aber unter dem Erzbischof von Magdeburg stehende Dorf Hennickendorf einzubrechen. Mit den beiden Quitzows waren Wilkin von Arnim, Achim und Matthias von Bredow, Werner und Albrecht von Holzendorf, Wichard von Rochow, Ebeling und Henning von Krummensee, Claus von Kannenberg, Henning von Stechow, Ludwig Sparr und Herrmann von Bardeleben. In Hennickendorf nahm man den Bewohnern ihr Hab und Gut und trieb das Vieh nach Schloß Beuthen, um es daselbst in Sicherheit zu bringen. Als, wie sich denken läßt, Beschwerden über diese vom Zaun gebrochene Fehde beim Burggrafen einliefen und der Abt von Zinna Genugtuung für das Geschehene forderte, rächte man sich auf seiten der Verklagten (denen sich inzwischen auch Kaspar Gans zu Putlitz angeschlossen) einfach dadurch, daß man von neuem ins Zinnasche zog und die Klosterdörfer Bardenitz, Pechül, Mehlsdorf, Felgentreu, Frankenfelde und Frankenföhrde rein ausplünderte. Die Bauern wurden drangsaliert und weggeschleppt und andere, darunter der Frankenföhrder Schulmeister, erschlagen. Auf den Hülferuf der heimgesuchten Orte raffte der Zinnasche Klostervogt alles zusammen, was sich von Mannschaft in der Eile zusammenraffen ließ, und jagte damit den Quitzowschen nach, aber der Widerstand, den diese leisteten, war so stark, daß viele der Verfolger auf dem Platze blieben und der Vogt mit seinen drei Brüdern gefangengenommen wurde. Die Sieger setzten darauf unbehindert ihren Heimzug fort und brachten die Beute nach Schloß Golzow.

All dies war im Mai. Gleich danach kam abermals Zuzug aus der Prignitz, welchen Zuzug die gerade hier ihren stärksten Einfluß übenden Quitzows veranlaßt haben mochten. Unter denen, die kamen, waren folgende:

die von Rohr zu Freienstein, Neuburg, Neuhausen und Schrepkow;

die von Möllendorf zu Wittenberge, Kumlosen, Krampfer und Abbendorf;

die von Königsmarck zu Fretzdorf;

ferner die von Restorf, von Sack, von Hundenest, von der Weide, von Karstädt und von Wartenberg.

Auch aus der Altmark kamen Freunde: Matthias von Jagow, Ludolf und Gebhard von Alvensleben, Klaus von Kläden, Bernd und Werner von der Schulenburg, während andere, die nicht selber mit dabeisein wollten (unter ihnen der Betzendorfer Schulenburg), wenigstens ihre Pferde schickten. Dabei war die Zahl der Knechte so groß, daß allein Gehhard von Alvensleben mit sechzehn Gewappneten erschien.

Es muß dahingestellt bleiben, ob durch das Zusammenziehen einer so bedeutenden Macht, wie man sie zum »Auspochen« einiger Ortschaften sicherlich nicht brauchte, nicht vielleicht eine Demonstration gegen den Burggrafen beabsichtigt wurde. Da letzterer aber ein Zusammentreffen mit der Schar vorsichtig vermied, so begnügte sich die »Fronde« mit erneuten Einfällen ins Magdeburgische.

Parey wurde geplündert und verlor 3000 Stück Schafvieh und 360 Kühe.

So ging es monatelang unausgesetzt weiter, bis, im Spätherbst, ein abermaliger und durch besondere Kühnheit ausgezeichneter Raubzug ins Jerichowsche den Wandel der Dinge wenigstens einleitete. Hans von Quitzow, von dem Verlangen erfüllt, den magdeburgischen Erzbischof für Schädigungen abzustrafen, die dieser dem Wichard von Rochow und mit ihm der ganzen Zauche zugefügt hatte, zog, vom Havelland aus, auf Ferchland zu, woselbst er am 30. November auf die von dem magdeburgischen Hauptmann Peter von Kotze und dem Jägermeister Gebhard von Plotho geführten erzstiftlichen Mannschaften stieß. Die Begegnung fand an dem kleinen Stremme-Flusse statt, und der sich hier entspinnende Kampf endete so glücklich für Hans von Quitzow, daß alle Magdeburgischen, soweit sie nicht fielen, in seine Gefangenschaft gerieten. Unter den Gefangenen waren auch die beiden Führer, die nach Schloß Plaue gebracht und durch üble Behandlung und allerlei Peinigung zu Zahlung eines ungewöhnlich hohen Lösegeldes: 1600 Schock böhmische Groschen, veranlaßt wurden.

Erzbischof Günther, als er von dieser Niederlage hörte, war von tiefstem Unmut erfüllt und gab diesem Unmut in einem an Burggraf Friedrich gerichteten Schreiben Ausdruck, in dem er, alle Drangsalierungen, die gegenwärtigen wie die früheren aufzählend, auf Abstellung dieser ebenso der Ordnung wie der Freundnachbarlichkeit hohnsprechenden Zustände drang.


 << zurück weiter >>