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»Wenn ich Ihnen wieder schreibe, so wird es geschehen, um Ihnen einen Plan vorzulegen, der, denk ich, Ihre Zustimmung finden soll«, so hieß es am Schlusse des zuletzt mitgeteilten Briefes, aber es scheint nicht, daß es zu Vorlegung dieses oder irgendeines anderen Planes kam. Als der junge Freiherr in seinen brieflichen Mitteilungen fortfuhr, war das, was sich in jenem Briefe mehr oder weniger mysteriös angekündigt hatte, bereits ausgeführt, und anstatt einer zu diskutierenden Sache lag einfach eine Tatsache vor. Diese Tatsache hieß: Ehe zwischen Baron Knyphausen und Frau von Elliot. Am 1. Oktober 1783 hatte die Heirat stattgefunden, indessen zunächst nur heimlich und nach gegenseitigem Übereinkommen auch nur »auf Versuch«. Dem jungen Freiherrn aber, nachdem er die betreffende Mitteilung lange hinausgeschoben, lag es jetzt ob, über all dies an seinen »Herrn Vater« zu berichten. Er tat dies in einem langen und weit zurückgreifenden Exposé, weit zurückgreifend deshalb, weil er das Mißliche seiner Situation einsah und sich von einer im Zusammenhange gegebenen historisch-psychologischen Darstellung am ehesten noch eine gute Wirkung auf das Herz seines alten Vaters versprechen mochte.
Hoppenrade, 1. März 1784
Seit meinem letzten an Sie gerichteten Briefe haben sich Dinge vollzogen, die Sie, mein hochgeehrtester Herr Vater, aus dem einen Umstande schon, daß diese Zeilen das Datum Hoppenrade tragen, erraten werden. Ich habe mich, nachdem bereits am 30. Juni die Scheidung ausgesprochen war, am 1. Oktober v. J. mit Frau von Elliot, geborenem Fräulein von Kraut, verheiratet, aber heimlich und, was am verwunderlichsten erscheinen mag, auf Probe.
Die Reihe von Ereignissen, die zu diesem Schritte führte, bitt ich Ihnen noch einmal vor Aug und Seele stellen zu dürfen. Ich werde dabei manches, was ich schon in früheren Briefen sagte, wiederholen müssen, aber diese Wiederholungen werden kurz sein und keinen anderen Zweck verfolgen, als einen Zusammenhang in meiner Erzählung und einen Überblick über das Geschehene herzustellen.
Fräulein Charlotte von Kraut (ich nenne sie mit Vorliebe bei diesem ihren Geburtsnamen) wurde, dank ihrer Mutter, mit kaum sechzehn Jahren einem Manne ohne Geist und Herz, dem englischen Gesandten Mr. Elliot, vermählt. Auch er war jung, nicht über vierundzwanzig, und glich mehr einem Pagen als dem Minister und Bevollmächtigten einer großen Macht. Das Verhältnis zwischen beiden gestaltete sich bald so, wie sich's erwarten ließ und wie sich's überall gestalten wird, wo sich ein Kind mit einem Narren verheiratet. Indiskreter als irgendwer, den ich in meinem Leben kennengelernt habe, gefiel er sich darin, auf seiner regelmäßigen Vormittagstournée häusliche Szenen und eheliche Geheimnisse vor aller Welt auszukramen. Dabei kam es ihm auf die schreiendsten Widersprüche nicht an, und wenn er heute seine Frau an den Pranger gestellt hatte, konnte man sicher sein, sie morgen von ihm in den Himmel erhoben zu sehen. Dazwischen fielen Andeutungen, daß seine Frau gestört sei und zum mindesten der Überwachung, vielleicht sogar einer gelegentlichen Internierung bedürfe. Hinter Äußerungen wie diese, deren Unberechtigtheit Elliot selbst am besten kannte, stand übrigens nicht er, sondern die Mutter der jungen Frau, die mehrerwähnte Madame de Verelst, ein hochmütiges, von einem unsinnigen Verlangen nach Macht und Besitz beherrschtes Weib, das nur den einen Wunsch kannte, die leibliche Tochter, ihr einziges Kind, unter Kuratel gestellt oder eingesperrt – oder mindestens an einen entfernten Punkt der Erde verschlagen zu sehen, alles nur, um das Vermögen dieser Tochter verwalten, das heißt also, ebendies Vermögen sich und ihrem Herrschergelüst dienstbar machen zu können. Es bestand zu diesem Zweck ein vollständiges Komplott zwischen Schwiegermutter und Schwiegersohn und gipfelte zunächst in Heraufbeschwörung eines öffentlichen Skandals, um an ebendiesem die geistige Gestörtheit oder doch wenigstens die verdorbene Moral der Tochter demonstrieren zu können. Es wurde dies alles auch wirklich inszeniert und lief auf ein angedichtetes, absolut lächerliches Liebesverhältnis hinaus, das die junge Frau zu dem alten holländischen Gesandten unterhalten haben sollte. Sie wissen davon, mein teurer und hochgeehrter Herr Vater, indem ich mich entsinne, gerad über diesen Punkt ausführlicher an Sie geschrieben zu haben. Es war dies um die Zeit, als ich von Ostfriesland nach Rheinsberg zurückkehrte. Was ich hier am Hofe des Prinzen sah, empörte mich; ich machte mich also zum Verteidiger der unglücklichen Frau, sprach für sie, riet ihr und erregte dadurch jene Zorn- und Wutausbrüche, die, wie Sie sich gütigst erinnern wollen, erst zur gewaltsamen Wegnahme der Papiere, dann aber zu dem Fürstenberger Überfall und dem Baruther Rencontre führten. Ein Gutes nur begleitete diese Vorgänge: die Scheidung ward eingeleitet.
Und hier, mein teurer hochgeehrter Herr Vater, bitte ich nunmehr, etwas ausführlicher werden zu dürfen, weil ich in allem Folgenden nicht mehr bloß zu rekapitulieren, sondern auch Neues zu sagen haben werde.
Der erste Schritt war, daß man die junge Frau dem Gedanken einer Scheidung zugänglich zu machen suchte. Dies hielt bei den Gefühlen, die sie hegte, nicht schwer, und alles, was sie forderte, lief darauf hinaus, daß nicht eine Schuld ihrerseits, sondern einfach eine gegenseitige unüberwindliche Abneigung als Grund der Trennung angegeben werden möge, was ihr denn auch bewilligt wurde. Bald danach aber erschrak sie heftig, als sie den beigebrachten Motiven entnehmen mußte, daß nicht »unüberwindliche Abneigung«, sondern ein unerlaubter Briefwechsel die Scheidungsklage veranlaßt habe. Die junge Frau, wie sich denken läßt, wollte gegen diese Perfidie protestieren, indessen ihr nebenher auch noch im Solde der Gegenpartei stehender Anwalt gab ihr zu verstehen, daß es mit der »unüberwindlichen Abneigung« immer ein mißliches Ding sei, jedenfalls aber zeitraubend, und daß es kein besseres Mittel für sie gäbe, die Scheidung rasch durchzusetzen, als das Zugeständnis, einen solchen unerlaubten Briefwechsel geführt zu haben. Übrigens wurde ihr aus diesem Zugeständnis kein weiterer Schaden erwachsen; es handle sich einfach um Anerkennung der Tatsache. So, halb beschwatzt und halb in die Enge getrieben, gab die geängstigte, freilich zugleich auch von einem äußersten Verlangen nach Scheidung erfüllte Frau nach, nachdem man ihr noch die Zusatzworte zugestanden hatte, »daß sie sich, infolge von Eifersüchteleien ihres Gatten und eines jeden anderen Verkehrs beraubt, in gewissem Sinne gezwungen gesehen habe, mit befreundeten Personen wenigstens eine Korrespondenz zu führen«. Ob dieser ihr zubewilligte Satz in der Folge wirklich aufgenommen worden ist, hab ich nicht in Erfahrung bringen können, und nur eines, mein teurer und hochgeehrter Herr Vater, möge hier noch stehen, um Ihnen die schändliche List zu zeigen, mit der von seiten Elliots und seiner schwiegermütterlichen Komplicin in dieser Angelegenheit verfahren wurde.
Das einzige Schuldobjekt, wenn denn schon von einem solchen die Rede sein soll, war die Korrespondenz. Aber wie stand es mit dieser? Es waren einfache Briefe, wie sie zwischen Freunden und Bekannten gewechselt zu werden pflegen, und die wenigen, aus denen vielleicht etwas in gesetzlichem Sinne Straffälliges hergeleitet werden konnte, waren ununterzeichnet. In der Tat, niemand mehr als Elliot selbst war von der au fond absoluten Bedeutungslosigkeit dieses angeblichen Schuldmaterials überzeugt. Aber was demselben an wirklicher Schuld fehlte, damit mußt es künstlich ausgestattet werden, und so trug denn Elliot eine beständige Sorge, daß die sogenannte »Schuldkorrespondenz« immer nur als ein mit vielen Gerichtssiegeln ausgestattetes Riesenkonvolut erschien, auf dessen Öffnung und Befragung er »aus Anstandsgefühl und zarter Rücksicht gegen seine Frau« zu verzichten vorgab. In Wahrheit aber lag es so, daß das geöffnete Konvolut gar nichts bewiesen haben würde, während es mit seinen sieben Siegeln ein großes Geheimnis darstellte, das zu lüften und zur Kenntnis von aller Welt zu bringen im Interesse der Gesellschaft und der Sittlichkeit am besten unterbliebe. Sie haben hierin ein Musterbeispiel, wie verschlagen man verfuhr. Und das alles um nichts weiter als um ein paar Dutzend Briefe willen, in denen ich eine gequälte Frau gewarnt und ihr zur Bekämpfung ihrer Gegner ein paar Ratschläge gegeben hatte.
Ja, das war alles. Und doch muß ich in diesem Augenblicke selber ausrufen: Oh, diese leidige Korrespondenz! Denn so wenig sie nach der Seite wirklicher Schuld hin bedeutet, so viel bedeutet sie gesetzlich und leider auch praktisch. Ausschließlich auf diese zugestandene Korrespondenz hin heißt es jetzt in dem Scheidungsurteil: »daß sich die gesetzlich Geschiedene ohne vorgängigen Dispens nicht wieder verheiraten dürfe«, eine Klausel, die hundert Ungelegenheiten im Gefolge hat. Allerlei Schritte sind freilich schon geschehen und geschehen noch, um diese Klausel aus dem Urteile herauszuschaffen, aber vergeblich, vergeblich wenigstens bis zu diesem Zeitpunkte, wobei gesagt werden muß, daß diese Schritte sehr wahrscheinlich einem geringeren Widerstande begegnet sein würden, wenn sich die durch Mad. de Verelst inszenierte Familienkabale nicht bis in die Gerichtshöfe hinein fortsetzte. Was zur Partei dieser Dame gehört, hat ein für allemal einen Trumpf darauf gesetzt, mich wenigstens in meinen Plänen und Wünschen scheitern zu sehen, in Plänen und Wünschen, die man darauf zurückführt (ich darf sagen, törichterweise), daß mir mehr an dem Besitz einer großen Erbschaft als an dem Besitz einer schönen und liebenswürdigen Frau gelegen sei. Jeder beurteilt eben andere nach sich selbst und sucht hinter der Tür, hinter der er selber gestanden.
Erbschaft! Ich weiß nicht, ob ich Ihnen früher schon über diesen Erbschaftspunkt geschrieben habe, fast bezweifl ich es. So gestatten Sie mir denn einige kurze Notizen, die vielleicht ein Interesse für Sie haben werden.
Das Erbe, um das es sich in den Hoffnungen und Befürchtungen so vieler Personen handelt, ist die sogenannte Löwenbergsche Herrschaft, ein Komplex von Gütern, unter denen Löwenberg und Hoppenrade die bedeutendsten sind. Nun, diese Löwenbergsche Herrschaft ist zur Zeit ein Bredowscher Besitz und wurde durch den verstorbenen Propst von Bredow, insonderheit aber durch das Vermögen der reichen Gemahlin desselben, einer Schwester des Hofmarschalls von Kraut, erworben. Sie ersehen hieraus unschwer, auf welche Verwandtschaftsgrade hin das Erbe von seiten der Tochter des Hofmarschalls einst angetreten werden wird.
Ich bitte jedoch, dieser allgemeinen Notiz auch noch einiges Besondere hinzufügen zu dürfen, um Sie, hochgeehrter Herr Vater, bestimmter in dieser Sache sehen zu lassen. Aus der Ehe des dompröpstlich Bredowschen Paares wurden im ersten Viertel dieses Jahrhunderts zwei Söhne geboren, unter die sich, unter gewöhnlichen Verhältnissen, der große Besitz geteilt haben würde. Beide Brüder indes fielen in Krankheit, ihre Krankheit wurde Geistesgestörtheit, und als die Dompröpstin (ihr Gatte war vor ihr gestorben) in die Jahre gekommen und ihres Ablebens gewärtig war, sah sie sich gezwungen, mit der Tatsache zweier erbunfähiger Söhne zu rechnen und über die Köpfe dieser Söhne hinweg in betreff ihres Vermögens zu testieren. In der Tat fand sich beim Tode der Dompröpstin ein Testament vor, in dem es der Hauptsache nach hieß, »daß bei Lebzeiten ihrer zwei geistesgestörten Söhne die Löwenberger Herrschaft unter bestimmten Modalitäten verwaltet, nach dem Hinscheiden dieser zwei Söhne jedoch der gesamte Besitz an ihren Bruder, den Hofmarschall von Kraut, eventuell an die Deszendenz ebendieses Bruders übergehen solle«. Die Deszendenz dieses Bruders aber, wie schon vorstehend hervorgehoben, ist das ehemalige Fräulein Charlotte von Kraut, geschiedene Frau von Elliot, seit 1. Oktober v. J. mir in heimlicher Ehe vermählt.
Im übrigen bleibt es zweifelhaft, ob die »Krautentochter«, wie sie der Volksmund zu nennen pflegt, das Erbe, das so viel von sich reden macht, antreten und, wenn antreten, auch behaupten wird. In diesem Augenblicke nämlich leben noch die beiden geistesgestörten Söhne der Dompröpstin und vertagen durch ihr einfaches Noch-am-Leben-Sein den Austrag einer komplizierten Erbschaftsfrage; von dem Moment an aber, wo der Tod derselben erfolgen und das zugunsten der Familie Kraut abgefaßte Testament in Kraft treten wird, wird aller Wahrscheinlichkeit nach gegen ebendies Testament ein Protest erhoben und die Rechtsgiltigkeit desselben, ich lasse dahingestellt sein, ob mit Grund oder Ungrund, von seiten der Bredowschen Familie bestritten werden. Über diese diffizilen Punkte jedoch will ich mich heute nicht weiter verbreiten. Dazu wird Gelegenheit sein, wenn jener Zeitpunkt eingetreten sein wird, von dem ich kaum weiß, ob ich ihn mehr wünschen oder fürchten soll.
Nur über den Wert dieses Erbes, dessen Einkünfte, laut Testament, schon jetzt zu weitaus größrem Teile der Krautschen Erbtochter, also meiner mir heimlich angetrauten Gemahlin, zufließen, bitt ich noch einiges sagen zu dürfen. Der Wirtschaftsertrag erreicht etwa die Höhe von 10 000 Taler, in welche Summe die Forsterträge mit eingerechnet sind. Meine Gemahlin, in ihrer Erbtochter-Eigenschaft, genießt außerdem das Wohnungsrecht in Hoppenrade sowie das Recht einer freien Wohnung im Bredowschen Hause zu Berlin. Es muß dabei bemerkt werden, daß die gegenwärtige Kuratorenwirtschaft eine Räuberwirtschaft ist und daß sich die zur Zeit verhältnismäßig geringen Erträge bei selbständiger und besserer Administration leicht verdoppeln lassen werden.
Hier, mein teurer und hochverehrter Vater, haben Sie, soweit meine Kenntnis und Einsicht reicht, ein Bild der Lage. Lassen Sie mich hinzufügen, daß ich begründete Hoffnung habe, den eingangs erwähnten königlichen Dispens, aller Widersacherei zum Trotz, über kurz oder lang eintreffen zu sehn.In einem anderen Briefe heißt es über diesen königlichen Dispens: »Sollte der geschiedenen Frau von Elliot, meiner mir seit 1. Oktober v. J. heimlich angetrauten Frau, dieser Dispens verweigert werden, so wird sie den König wissen lassen, daß die ganze Löwenbergsche Herrschaft infolge dieser Verweigerung aller Wahrscheinlichkeit nach auf Miß Elliot übergehen, also Besitztum einer Engländerin werden wird. Und in der betreffenden Eingabe wird hinzugefügt werden, daß dies, nach allem in Erfahrung Gebrachten, auch dann noch geschehen wird, wenn die zur Zeit in England oder Schottland lebende Miß Elliot sterben sollte, da das aus Schwiegermutter und Schwiegersohn bestehende Komplott fest entschlossen ist, das Löwenberger Erbe lieber an ein untergeschobenes englisches Straßenkind als an meine Frau gelangen zu sehn.« Es scheint übrigens nicht, daß ein solches Skriptum tatsächlich an den König gerichtet wurde, die Verhältnisse machten es unnötig, jedenfalls aber war es sehr geschickt auf die Neigungen und Abneigungen des Königs berechnet. Ein solches Erbe gleichsam außer Landes gehn zu sehn war ihm, dem König, ein unerträglicher Gedanke. Ich sehne mich danach, weil ich dieser Heimlichkeiten müde bin und ein herzliches Verlangen trage, die, die vor dem Altar meine Frau wurde, auch vor der Welt als solche präsentieren zu können.
Und nun noch eines. Ich habe vorstehend mehrfach auf die Tatsache meiner heimlichen und sogar bloß versuchsweis abgeschlossenen Ehe hingewiesen. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen auch darüber noch ein Wort sage. Sie werden mir glauben, daß ich für das Sonderbare darin ein volles Gefühl habe, ja mir bewußt bin, das Lächeln der Welt dadurch herausgefordert zu haben. Eine Verheiratung »auf Probe« hat etwas Ridiküles. Aber trotz dieser klaren Einsicht erschien mir eine solche Vorsicht geboten. Wie lag es zwischen uns? Frau von Elliot und ich hatten zwar viel miteinander verhandelt, aber wir kannten uns eigentlich wenig. Ich fragte mich nach dem Charakter der Frau, deren Berater und Beschützer ich gewesen, und hatte keine rechte Antwort darauf. War sie gut und edel, oder war sie's nicht? Sie zeigte mir eine große Neigung und Anhänglichkeit und, was mehr war, eine mich geradezu rührende Bescheidenheit in bezug auf alles das, was ihr, ihrem eigenen Zugeständnisse nach, noch fehle; nichtsdestoweniger blieb ich in Zweifel, ob nicht der Einfluß der Mutter und vor allem das mehrjährige Zusammenleben mit einem eitlen, oberflächlichen und total depravierten Narren ihr ein für allemal eine Richtung auf das Niedere hin gegeben habe. Brauch ich Ihnen zu versichern, mein teurer und hochgeehrter Herr Vater, daß ich in meinem Herzen alle diese Zweifel mit einem »Nein« beantwortete. Dennoch fehlte mir Gewißheit, Gewißheit, die mir so nötig erschien, und so kamen wir denn beiderseits überein, unsere Verheiratung nicht bloß eine heimliche, sondern zugleich auch eine bloße Versuchsehe sein zu lassen. Es wurde stipuliert, daß wir, wenn wir nach einer bestimmten Zeit den Versuch als gescheitert betrachten müßten, in aller Stille wiederum uns trennen wollten, ein Weg, der um so leichter zu beschreiten sei, als den Gerichten nicht obliegen könne, Verträge wieder aufzuheben, die die Zustimmung der Landesgesetze noch gar nicht empfangen hätten.
Dieser Art war das Übereinkommen, das wir unmittelbar nach unserer Trauung trafen.
Die Zeit, die seitdem vergangen ist, hat mich in meiner Liebe bestärkt und als endliches Resultat ergeben, daß ich Sie hiermit, mein teurer und hochverehrter Herr Vater, um Ihre Zustimmung und Ihren Segen bitte. Sie werden mit Ihrer Schwiegertochter zufrieden sein; ebenso werden meine Brüder und Schwägerinnen sie des Namens nicht unwürdig finden, den sie nun führen soll. Dessen bin ich sicher. Sie hat übrigens selber schreiben wollen, und wenn es geschehen sollte, so bitt ich ihrem Briefe mit Ihrer stets bewiesenen Nachsicht und Güte zu begegnen.
Unterdessen nehmen Sie die Versicherung meiner tiefsten Ehrerbietung, mit der ich bin Ihr ganz ergebener und gehorsamer Sohn George.