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Wie die erste »Schlacht am Kremmer Damm« und genau achtzig Jahre später die Niederwerfung der Quitzows durch Eroberung ihrer Burgen ihre dichterische Behandlung fanden, so auch der Kampf um Ketzer-AngermündeWoher die Bezeichnung Ketzer- oder plattdeutsch Kettr-Angermünde kommt, diese Frage hat seit mehr als einem Jahrhundert die märkische Geschichtschreibung beschäftigt. Einige meinen, im 13. und 14. Jahrhundert hätten sich unter den Einwohnern von Angermünde viele Ketzer befunden, andere meinen, Ketzer bedeute Kietzer, noch andere heben hervor, daß Ketzer ein Handwerksausdruck sei und bei den Wollarbeitern eine Spindel voll Garn bedeute. Ketzer-Angermünde kann also bedeuten: eine Ketzer-Stadt oder eine Kietzer-Stadt oder eine Tuchmacher-Stadt. Alle drei Annahmen haben etwas für sich, und ich habe, der Reihe nach, jede einzelne für richtig gehalten, bin aber schließlich doch wieder zu 1 zurückgekehrt und glaube jetzt: Ketzer bedeutet Ketzer in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes. Nach Gereken starben in Angermünde um 1336 vierzehn der Ketzerei angeklagte Bewohner den Feuertod. Es sollen Luciferaner, Anhänger des Bischofs Lucifer von Cagliari, gewesen sein. Mir scheint es jetzt das wahrscheinlichste, daß der Beiname der Stadt von diesem Vorgang her datiert., der als der Rehabilitierungs- und erste Loyalitätsakt des bis dahin frondierenden märkischen Adels betrachtet werden kann. Auch die diesen Vorgang behandelnde Volksballade – deren eigentlicher Held Kaspar Gans ist – ist wie die vom »Kremmer Damm« nicht märkischen, sondern pommerschen Ursprungs und zeichnet sich wie diese durch ein Treffen des Balladentons aus. Einige Stellen sind inhaltlich nicht ganz leicht verständlich, werden es aber, wenn man die Wusterwitzsche Beschreibung, die wir in unserem vorigen Kapitel gaben, zur Erklärung mit heranzieht. Die Ballade selbst aber lautet:
Ein neues Lied euch gesungen sei: Nach dem Winter kommt der Mai, Das haben wir wohl vernommen; Und daß Kettr-Angermünde märkisch ward, Das soll dem Markgrafen frommen. Johann von Briesen ließ sich jagen »Gnäd'ger Herre, was zu halten stand: Da ließ der Herzog entbieten und holen |
Der nun folgenden Strophe fehlen zwei Mittelzeilen, aber den drei verbleibenden entnehmen wir unschwer, daß man von Vierraden aufbrach und über den Vierradener Damm hin auf Angermünde zuritt.
Da ritten sie weiter, und, kaum heran, Angermünde ward ihnen aufgetan, Alle haben dem Herzog geschworen, Und alle riefen: »Stettin, Stettin«, Und Brandenburg war verloren. Aber draußen, hinter Wall und Graben, Die Gans, der wollt es nicht behagen, Die Gans aber wuchs in Grimme noch, Da gingen die Schwerter die klinker die klang, Das war des Herzogs schwerster Tag, Er sprach es und ritt im Zuge vorn, Das war zu Vierraden. Auf Schlosses Brück Der aber, der dies Lied euch sang, |
So das Lied von der Eroberung von Ketzer-Angermünde, an das ich, eh ich zu einer Schlußbetrachtung über die Quitzows und ihr Recht oder Unrecht übergehe, noch einige literarische Bemerkungen knüpfen möchte.
Das deutsche Volkslied beziehungsweise die deutsche Volksballade gefeiert zu sehen ist seit den Tagen Herders und der Romantiker etwas Herkömmliches geworden, darüber aber, daß neben diesem allgemein Volksliedmäßigen auch noch eine historische, nach der dichterischen wie landesgeschichtlichen Seite hin gleich ausgezeichnete Volksballade geblüht hat, ist man hinweggegangen, entweder weil man die Tatsache nicht genügend gekannt oder sie sich nicht recht zum Bewußtsein gebracht hat. Und doch ist in niederdeutschen Landen (auf welche sich meine Bemerkungen ausschließlich beziehen) ein, um es zu wiederholen, speziell historischer Balladenschatz gezeitigt worden, der an Schönheit und Bedeutung hinter dem englisch-schottischen nicht zurückbleibt, ja ihn vielleicht in diesem und jenem übertrifft. Jede der von mir mitgeteilten Balladen kann als ein Beweis dafür gelten, und Dichtungen wie die vom »Kremmer Damm« und von »Ketzer-Angermünde« reichen an die Chevy-Jagd, die Schlacht bei Otterburn, den Aufstand in Northumberland und viele andere Percy- und Douglas-Balladen heran.Zwischen der den Douglas- und Percy-Kampf behandelnden Chevy-Jagd und der den Kampf zwischen Markgraf Ludwig und Herzog Barnim behandelnden Kremmer-Damm-Ballade tritt eine große Verwandtschaft zutage, wie folgende Gegenüberstellung zeigen mag:
Chevy-Jagd Das ist der Hirsch, den ich gesucht, Lord Douglas hört's. Er ruft ihm zu: Doch hör mich, Percy, Schande wär's Es sei all unser Streit gelegt Das gab ein Stechen und ein Haun, O Christ es war für Herz und Sinn Und immer schwankte noch die Schlacht Kremmer Damm Trompeter, sage dem Herzog an, Und wenn es hier drüben ihm nicht behagt Drauf der Herzog: »Er woll ihm Rede stehn, Drauf ging es auf den Damm hinauf, Die Märkischen konnten nicht bestahn, Und mählich wichen sie Schritt um Schritt Aber vor Kremmen hielten sie an... Es ist nicht möglich, sich gegen die Wahrnehmung einer geradezu frappierenden Ähnlichkeit zu verschließen, die vor allem inhaltlich, desgleichen in Ton und Bau, zutage tritt und nur zu kleinem Teil aus der von derselben Hand herrührenden Übersetzung beider Balladen erklärt werden kann. Es ist mir ganz unzweifelhaft daß man in Schottland entweder die pommersche oder in Pommern die schottische Ballade gekannt haben muß. Ist die pommersche Ballade echt, so muß sie die ältere sein, denn das Ereignis, das ihr zugrunde liegt: die Schlacht am Kremmer Damm, fällt in das Jahr 1334, während das der englisch-schottischen Ballade zugrunde liegende Ereignis, die Schlacht bei Otterburn, erst in das Jahr 1388 fällt. Bischof Thomas Percy, der Herausgeber der berühmten altenglischen Balladensammlung, die seinen Namen trägt (Percy's Reliques of Ancient English Poetry), setzt sogar die Chevy-Jagd noch um ein Jahrhundert später, in die Zeit Heinrichs VI. Und so hätten wir denn eventuell einen neuen Triumph altdeutscher Lied- und Balladendichtung zu verzeichnen. Aber freilich, ist die Kremmer-Damm-Ballade, die zuerst im Jahre 1756 auftaucht, echt? Sosehr ich es wünsche, so kann ich doch Zweifel nicht ganz unterdrücken. Ihnen Ausdruck zu geben ist hier nicht der Platz, ich würde mich aber freuen, mit einem Balladensachkundigen, der außerdem des Plattdeutschen mächtig ist, also mit Männern wie Klaus Groth, Adolf Wilbrandt, Karl Eggers, Heinrich Seidel, in einen Meinungsaustausch über diesen Punkt eintreten zu können. Das plattdeutsche Original findet sich im 21. Stück der »Greifwaldschen Nachrichten« und daraus abgedruckt in Buchholtz' »Geschichte der Churmark Brandenburg«, Teil II, S. 383.
».... Nun denn, wohlan!« rief Percy da,
»Dies Feld sei unsere Schranke,
Noch schlüpfte keiner mir hindurch,
Sei's Schotte oder Franke.
Nun lohnt es sich zu jagen,
Es brennt mein Herz, Mann gegen Mann,
Die Schlacht mit ihm zu schlagen.«
»Da soll mich Gott verderben,
So wahr ein Lord ich bin wie du,
Du oder ich muß sterben.
Und Schimpf an unsrem Leben,
So vieler Mannen schuldlos Blut
Mit in den Kauf zu geben.
In unsre beiden Speere...«
»Verdammt sei der«, rief Percy da,
»Der andren Sinnes wäre...«
Manch breite Wunde klaffte,
Längst unser englisch Bogenvolk
Nicht mehr den Bogen straffte.
Ein Leid, nicht auszusagen,
Wie stöhnend da in Sand und Blut
Die Menschenknäule lagen.
Da endlich...
Markgraf Ludwig, der tapfere Held,
Zum Damme sah man ihn reiten,
Er dachte: »Die Pommern stehen im Feld
Und wollen den Damm überschreiten.
Ich hätte groß Verlangen,
Ihn und seine Ritter, Mann für Mann,
Hier drüben zu empfangen.
So wollt ich ihm versprechen,
Auch auf dem Luch-Damm, unverzagt,
Eine Lanze mit ihm zu brechen.«
Nichtkommen, das dünk ihm Sünde,
Und sie wollten sich treffen und wollten sehn,
Wer das Spiel am besten verstünde.«
Dicht standen da die Märker,
Die wehrten sich einzeln und zu Hauf,
Doch die Pommern waren stärker.
Das Loch war ihr Verderben,
Viele mußten da liegen gahn
Und ohne Wunde sterben.
Vor Kremmen weiter zu fechten –
Die Pommern folgten in festem Tritt,
Die Ritter mitsamt den Knechten.
Die Märkischen standen da Mann an Mann
Und waren nicht zu vertreiben.