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Die märkische »Fronde« war besiegt.
Was noch erübrigt, ist ein kurzer Bericht über die Lebensausgänge beider Brüder.
Dietrich von Quitzow, landesflüchtig, setzte seinen Widerstand trotz alledem nach Möglichkeit fort und gefiel sich darin, dem neuen Machthaber in Mark Brandenburg an den benachbarten Fürstenhöfen: Pommern-Stettin, Mecklenburg-Stargard und Erzbistum Magdeburg, allerlei Feinde zu wecken, was ihm bei seiner Klugheit und mehr noch infolge der nie schlummernden Eifersüchteleien auch gelang. Bei den Fehden, die sich daraus entspannen, ward er regelmäßig mit der Führung der aufgebrachten Streitkräfte betraut, und so läßt sich von ihm sagen, daß sein Leben, das, in den Jahren bester Kraft, nach der Verweserschaft der Mark, ja vielleicht nach der Herrschaft innerhalb derselben gestrebt hatte, mit einer Condottiere-Stellung endigte. Heute hier und morgen da seine Kriegsdienste zur Verfügung stellend, war er in Zeiten, die der eigentlichen Landsknechtschaft vorausgingen, ein »Kriegsoberst«, wie die beiden folgenden Jahrhunderte (das 16. und 17.) deren so viele sahen. Aber auch in dieser fortgesetzten Fehde gegen den Burggrafen, der inzwischen zum Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg erhoben war, erlag er, trotz gelegentlicher Erfolge, doch insoweit, als die Nachbarfürsten ihm allmählich, und zwar einer nach dem andern, ihr Ohr zu verschließen begannen. Und so war er eines Tages »dienstlos« geworden, und krank und gebeugt durch das Scheitern auch seiner letzten Pläne, zog er sich ins Braunschweigische zurück, wo seine Schwester Mathilde, seit vielen Jahren an Heinrich von Veltheim vermählt, auf Schloß Harpke wohnte. Wie hier seine letzten Tage vergingen, darüber verlautet nichts Bestimmtes, da Wusterwitz sich darauf beschränkt, in aller Kürze zu berichten: »Im Jahre 1417 ist Dietrich von Quitzow, so der Mark mancherlei Schaden zugefügt und sie heftig beleidigt hat, in dem der Familie von Veltheim zuständigen Schlosse Harpke gestorben und zu Kloster Marienborn (deren Priorin eine Tochter Heinrichs von Veltheim war) begraben worden.«K. Fr. von Klöden, in seinem mehrfach von mir zitierten Buche »Die Quitzows und ihre Zeit«, widmet dem Hinscheiden Dietrichs von Quitzow ein ganzes Kapitel, das, in seinen Einzelangaben jedes historischen Anhalts entbehrend, doch bemerkenswert ist durch Schönheit und Tiefe. Wie denn überhaupt gesagt werden muß, daß sich in diesem nicht genugsam gewürdigten vierbändigen Werke neben viel überraschlich Prosaischem auch viel überraschlich Poetisches findet. In dem vorerwähnten Kapitel sehen wir Dietrich von Quitzow in einer von Veltheimschen Waldhütte, wohin er sich menschenscheu zurückgezogen hat. Die letzten, die sich hier an ihn drängen und ihm in prahlerischer Weise von ihrer Vornehmheit und ihrer Freiheit erzählen, sind Zigeuner, deren große Worte (zu denen die begleitenden Diebestaten so wenig stimmen) ihn mehr demütigen als alles andere, weil er, im Vernehmen dieser Worte, dem anspruchsvollen Zerrbilde der Freiheit ins Gesicht starrt. Schwerlich werden ihm Betrachtungen wie diese den Tod verbittert haben, aber alle diejenigen, die von einer Schuld der Quitzows überzeugt sind, müssen diese Szene für dichterisch gut ersonnen ansehen.
Johann von Quitzow – der schon seit seiner Fehde (1408) mit Köne von Wulffen auf Schloß Grabow einäugig war und, wie berichtet wird, einen finsteren und furchtbaren Anblick gewährte – sahen wir zuletzt, als er, eingebracht durch die Knechte Heinrichs von Schwarzburg, in der Kirche zu Plaue geschlossen im Stocke saß, um dann andren Tages als Gefangener des Erzbischofs von Magdeburg nach Schloß Calbe hin abgeführt zu werden. Dort blieb er Gefangener, bis er, nach etwas mehr als zwei Jahren, 1416, wieder freikam und, in die Prignitz zurückkehrend, unter nunmehr erfolgender Neubelehnung mit dem alten Familienbesitze: Lenzen, Quitzöwel und Kletzke, seinen Frieden mit dem Kurfürsten machte.
Darin war ihm Kaspar Gans, wenn auch nur um einige Monate, zuvorgekommenIn dieser Versöhnung mit dem Kurfürsten die Vorhand zu gewinnen ward unserem Kaspar Gans zu Putlitz durch einen besonderen Umstand erleichtert, auf den hier noch nachträglich als auf ein höchst wichtiges und vielleicht entscheidendes Ereignis in der Geschichte jener Tage hingewiesen werden mag. Ausgangs 1413, an demselben 30. November, an welchem Johann von Quitzow das siegreiche Gefecht gegen die Magdeburger führte, das dann mit der Gefangennahme Peter von Kotzes und Gebhards von Plotho schloß, an ebendemselben Tage wurde der gerade damals in Fehde mit dem Brandenburger Bischof liegende Kaspar Gans von dem bischöflichen Hauptmann Johann von Redern im Dorfe Dalgow bei Spandau gefangengenommen und über Pritzerbe nach Ziegesar ins Gefängnis geführt. Dort saß er noch, als zwei Monate später zur Belagerung der vier Schlösser Golzow, Beuthen, Friesack, Plaue geschritten wurde, so daß er den Bedrängten keine Hülfe bringen konnte. Dadurch war die Widerstandskraft der Quitzowschen von Anfang an halbiert und schuf ihnen eine Niederlage, die, bei Vollzähligkeit ihrer Streitkräfte, vielleicht ausgeblieben wäre. Niemand erkannte dies klarer als der, dem der Sieg zugefallen war, und wenn Kaspar Gans in dem Entscheidungskampfe des frondierenden Adels auch nur gefehlt hatte, weil er, als Gefangener, fehlen mußte, so wird der Burggraf doch nicht gesäumt haben, ihm auch diesen Zufall zum Guten anzurechnen. und genoß des Vorzuges, diese seine verwandelte Gesinnung in einer am 25. März 1420 statthabenden Aktion gegen die Pommern glänzend betätigen zu können. Der hier in Rede stehende Kampf führt den Namen der »Erstürmung von Ketzer-Angermünde« und bildet den Schluß der Wusterwitzschen Aufzeichnungen über die Vorgänge jener interessanten Epoche. Der Bericht selbst aber lautet:
»Mittwochs nach Judica haben die Märkischen die Stadt Angermünde, welche an die siebenzig Jahr von den Herzogen zu Stettin innegehabt war, bestritten und eingenommen, und weil sie das neben der Stadt gelegene Schloß nicht gleicherweise haben erobern können, haben sie von der Stadt aus das Schloß, das von einem Kastner der Herzoge von Stettin verteidigt wurde, zu belagern begonnen. Außer dem Schloß aber hat besagter Kastner auch das zum Schloß hinaufführende Stadttor in Händen gehabt und besetzt gehalten. Als nun Herzog Casimir von Pommern, der sich nach Schloß Vierraden hin zurückgezogen hatte, vernahm, daß das Schloß und das eine Tor noch in Pommerschen Händen sei, hat er beschlossen, die Märker aus der Stadt Angermünde wieder hinauszujagen. Und als in diesem Augenblicke durch Kundschaft bekannt geworden, daß sich die Märker auf dem Angermünder Marktplatze nicht bloß wohl verschanzt, sondern auch Herrn Kaspar Gans zu Putlitz mit 400 Reitern außerhalb der Stadt in den Hinterhalt gelegt hätten, hat Ritter Detleff von Schwerin dem Herzog Casimir eindringlich geraten, er solle sich erst auf des Putlitzen Reiterhaufen werfen und diesen von der Stadt abtrennen, damit er, der Herzog, desto besser und fast ohne Widerstand in die Stadt eindringen könne. Diesen Ratschlag hat Herzog Casimir aber nicht annehmen wollen und ist mit seinem hellen Haufen unbehelligt durch das Tor eingedrungen, das von seinem Kastner noch innegehabt wurde. Desgleichen hat er in drei Gassen drei seiner Banner aufgerichtet. Der Markgraf aber, der sein Kriegsvolk in die Häuser gelegt und sich selbst mit etlichen Reitern und unter Benutzung vieler Wagen auf dem Marktplatze verschanzt hatte, hatte sich, müde von der Kriegsarbeit des voraufgegangenen Tages, zur Ruhe begeben. Als nun Herzog Casimir unter dem Schlachtrufe ›Stettin, Stettin‹ in die Stadt eindrang, ist der Kurfürst von diesem Zuruf erwacht und unter Aufrichtung seines Banners mit den Pommern in einen harten Streit geraten, darin Detleff von Schwerin und Ritter Peter Trampe samt vielen anderen an der Spitze der Herzoglichen erschlagen worden sind. Und weil Kaspar Gans zu Putlitz in ebendiesem Augenblick mit seinen 400 Reitern auch angegriffen und die Pommern in die Mitte genommen hat, so daß sie sich hinten und vorn haben wehren müssen, ist es ihnen unmöglich gewesen, etwas Treffliches auszurichten, und haben sie durch das Tor, durch das sie hineingekommen, auch wieder zurückweichen müssen. Und bald danach hat der Markgraf mit gewaffneter Hand auch den Kastner aus dem Schlosse getrieben, bei welcher Gelegenheit 300 Pommern und Polen und über 500 Pferde gefangengenommen sind.«
So Wusterwitz.
Hiermit schlossen die Kämpfe jener Zeit auf Jahrzehnte hin ab, und Kaspar Gans und Hans von Quitzow – deren Leben, von frühster Jugend an, ein Nebeneinander dargestellt hatte – fanden sich auch jetzt wieder freundnachbarlich zusammen, ebenso mit ihrem reichen Besitze wie mit ihren gewandelten Anschauungen. Ihre Bekehrung zu dem neuen hohenzollernschen Machthaber war eine ehrliche und aufrichtige.
Von beiden überlebenden Führern der »Fronde« noch ein Schlußwort.
Johann von Quitzow, abwechselnd auf seinen ihm wieder zugefallenen Schlössern: Lenzen, Quitzöwel und Kletzke, lebend, starb 1437, im siebenundsechzigsten Jahre seines Alters, kinderlos. Sein reiches Erbe fiel vorwiegend an die beiden Söhne seines älteren Bruders Dietrich: Dietrich und Köne von Quitzow, worüber eine bei Raumer sich findende Urkunde der Hauptsache nach das Folgende besagt: »... Und dieweilen Hans von Quitzow Ritter seliger nach seinem Tode viele Güter, Pfandschaft, Habe, Geld und Gut, auch Schulden und Briefe hinterlassen hat, sprechen wir, Markgraf Friedrich, kraft dieses Briefes aus, daß seine Witwe, Frau Agnese von Quitzow, den Brief, darin ihr 3000 Gulden von dem Rate zu Lüneburg verschrieben sind, zu ihrem Nutzen haben und behalten soll. Desgleichen soll obgenannte Frau Agnese von der Orbede zu Perleberg und Kyritz auf kommenden Sankt-Walpurgis- und Martinstag 80 Schock an Landeswährung nehmen und alle fahrende Habe, die Hans von Quitzow nachgelassen hat, samt ihrem Leibgedinge zu Kletzke. Dietrich und Köne von Quitzow aber sollen alle Leben, Erbe, Geld, Briefe, Pfandschaft und Gut, die Hans von Quitzow sonst noch nachgelassen, behalten und besitzen und davon alle Schulden und Erbnahmen entrichten und bezahlen...« So nüchtern und geschäftsmäßig lautete, was der »großen Fehde« voraufgegangener Jahre folgte.
Kaspar Gans war seinem Freunde Johann von Quitzow um sieben Jahre vorausgegangen und schon 1430 zu Dom-Havelberg begraben worden. An einem Pfeiler der Kirche hängt ein Schild mit der gekrönten Gans und der einfachen Inschrift: »Herr Jaspar Gans von Potlist.« Des Tages von Ketzer-Angermünde gedenken weder Bild noch Inschrift, uns aber mag es gestattet sein, in unsrem nächsten Kapitel in Kürze noch einmal auf diese Haupttat im Leben Kaspar Gans' zurückzukommen.