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Hoppenrade kommt unter ein Kuratorium (von Rabe) und wird an den Amtmann Haupt verpachtet. 1819–36
Nach dem Ableben der Frau von Arnstedt (1819) hätte der einzige Sohn derselben, der vorerwähnte, damals in Düben stehende Husarenlieutenant von Arnstedt, die Güter übernehmen und jeder seiner drei Schwestern ihren Anteil auszahlen oder verzinsen müssen. Er empfand indes, daß er weder der wirtschaftlichen noch der geschäftlichen, am allerwenigsten aber einer sich vielleicht erhebenden finanziellen Schwierigkeit auch nur annähernd gewachsen sei, weshalb er sich mit seinen Schwestern dahin einigte, daß man dem Landrate Grafen von Wartensleben und neben diesem dem Kammerdirektor von Rabe eine Generalvollmacht über Hoppenrade-Löwenberg erteilen und ihr und der Güter Schicksal in die Hände dieser beiden Kuratoren niederlegen wolle. Graf Wartensleben war nur ein Name, der Kammerdirektor von Habe jedoch, der von jetzt ab in seiner Kuratoreneigenschaft auf fast vierzig Jahre hin erst in den Vordergrund und später wenigstens in die Mitte der Szene tritt, unterzog sich seiner Aufgabe mit Ernst und Eifer, wenn auch zeitweise mit nicht ausreichendem Erfolg, und schritt sofort zur Verpachtung der großen Güterkomplexe. Hoppenrade, das uns hier ausschließlich interessiert, kam bei dieser Gelegenheit an den Amtmann Haupt in Pacht, einen renommierten Landwirt, und nach dem Tode desselben an den jüngern Haupt. Aber weder der eine noch der andere, von Förderung der Kulturen gar nicht zu sprechen, zeigte sich auch nur imstande, den Betrieb au niveau zu halten. Unter dem älteren Haupt waren wenigstens die Pachtzahlungen immer noch prompt geleistet worden, unter dem jüngeren nahm auch das ein Ende. Ja, der eintretende Verfall war ein so vollkommener, daß nicht einmal mehr die Steuern und Abgaben bezahlt werden konnten. So kam es denn, daß sich 1836 der Pächter, der jüngere Haupt, für insolvent erklärte.
Hoppenrade bleibt unter dem Kuratorium von Rabe, wird aber, statt an die Familie Haupt, an den Kammergerichtsrat von Wülknitz verpachtet. 1836–56
Die Folge dieser Insolvenz wurde notwendig die Sequestration der Güter gewesen sein, wenn nicht, in so bedrängter Lage, der Kammergerichtsrat Otto von Wülknitz, einer der Schwiegersöhne der Frau von Arnstedt, ein kühnes und kluges Spiel gespielt und dadurch sein und seiner Anverwandten Vermögen gerettet hätte. 1836 trat er, ohne sich durch die Hauptsche Bankrutterklärung abschrecken zu lassen, in die Pacht ein und schritt ungesäumt zur Wiederherstellung einer auf jedem Gebiete devastierten Wirtschaft.
Er würde dies, bei den bedeutenden Mitteln, die dazu nötig waren, einfach nicht gekonnt haben, wenn ihm nicht kurz vorher ein kleines, aber ziemlich wertvolles Gut, das Gut Hohenthurm bei Halle, durch Erbschaft zugefallen wäre. Er verkaufte Hohenthurm für 80 000 Taler, teilte diese Summe mit seiner miterbenden Schwester, einer Frau von L'Estocq, und warf nun den ganzen ihm verbleibenden Rest von 40 000 Talern in Hoppenrade hinein. Alles gewann dadurch rasch ein anderes Ansehen, und schon Anfang der vierziger Jahre ließ sich an einem zufriedenstellenden Resultate nicht mehr zweifeln, immer vorausgesetzt, daß der Ausgang des 1809 erst vorläufig abgeschlossenen und seitdem von seiten der Familie von Bredow wieder aufgenommenen Erbschaftsprozesses nicht alles wieder in Frage stellte. Wülknitz indessen, ein eminent kluger Mann und speziell durch seine juristische Kenntnis unterstützt, erwies sich auch auf diesem Gebiet als glücklich und überlegen und hatte den Triumph, eine hüben und drüben mit Aufwand aller Kraft geführte Streitsache zum zweiten Male zu seinen und seiner Anverwandten Gunsten entschieden zu sehen.Um diese Zeit soll Wülknitz einem Anverwandten die Lebensregel mit auf den Weg gegeben haben: Wenn du einem Bredow begegnest, so wisse, er ist dein Feind.. Ob die Bredows ebenso summarisch verfahren sind, weiß ich nicht. In jedem Falle war ihnen stark mitgespielt worden.
Das war im Sommer 1848. Von diesem siegreichen Prozeßschluß an, der endlich einen bis dahin nie dagewesenen Sicherheitszustand geschaffen hatte, durchdrang ihn nur noch der eine Wunsch, das bis dahin lediglich in Pacht gehabte Hoppenrade zu seinem freien Eigentum zu machen. Dazu waren, voraufgehend, drei Dinge nötig,
erstens: Zustimmung der Familie behufs Aufhebung der Fideikommißeigenschaft von Hoppenrade,
zweitens: entsprechender Antrag und Durchsetzung dieses Antrages bei den Gerichten und
drittens: Abfindung aller Gläubiger aus den alten von Arnstedtschen Zeiten her, will sagen, Abfindung aller der Geldleute, die bis dahin an das Fideikommiß-Hoppenrade mit ihren endlosen Geldansprüchen nicht herangekonnt hatten, das Allod gewordene Hoppenrade dagegen sofort mit Beschlag belegt haben würden.
Am meisten Schwierigkeit unter diesen drei Punkten bot der erstgenannte: die Zustimmung der Familie.
Dies hing so zusammen.
Es lag selbstverständlich bei Beginn dieser Umwandlungsangelegenheit Herrn von Wülknitz ob, allen anderen Erbschaftsberechtigten gegenüber – deren Interessen nach wie vor von dem Kurator und Kammerdirektor von Rabe wahrgenommen wurden – Erklärungen darüber abzugeben, bis zu welcher Höhe Hoppenrade, seinen Erträgen nach, von ihm, Wülknitz, bezahlt werden könne. Die Summe, die von W. bei dieser Gelegenheit nannte, war keine geringe. Frau von Kettler indes, eine scharf rechnende Frau, fand sie zu niedrig, protestierte mithin und schuf aus dieser Anschauung heraus allerlei Schwierigkeiten. Ihnen zu begegnen würde nun freilich dem klugen Wülknitz, der unter andern auch die Klugheit hatte, den Bogen nie zu straff zu spannen, ein leichtes gewesen sein, wenn nicht der Widerstand der damals in Dresden lebenden Frau von Kettler von Berlin aus, und zwar durch niemand anders als durch den Kurator und Generalbevollmächtigten von Rabe, beständig genährt worden wäre. Was diesen zu diesem Widerstande bewog, ob Kuratoren-Herrschergewohnheit oder Launenhaftigkeit oder bloß die Lust, einem andern die Pläne zu kreuzen und das Spiel zu verderben, ist nicht recht ersichtlich, aber das steht fest, daß er sich von Anfang an gegensätzlich, ja geradezu feindlich gegen Wülknitz stellte, den er doch, aller zuzugebenden Eigennützigkeit des letzteren unerachtet, als einen Retter der Familie hätte begrüßen müssen. Aber davon war er weit entfernt und faßte vielmehr seine Kuratorenstellung einfach dahin auf, daß die beiden unschuldigen und bedrohten Parteien, Kettler und Oertzen, gegen die beständig machinierende Partei Wülknitz unter allen Umständen geschützt werden müßten. Dieser in der Persönlichkeit beider begründete Antagonismus zeigte sich im großen und kleinen, und als Wülknitz, um nur ein Beispiel zu geben, unmittelbar nach der Pachtübernahme die doch mindestens nicht zu verachtende Summe von 40 000 Talern in das devastierte Hoppenrade hineingesteckt hatte, schrieb Rabe an Baron Oertzen: »Er wird bald damit ausgewirtschaftet haben; uns aber kommen die 40 000 Taler unter allen Umständen zugute.«
Das waren nicht Worte, die freundliche Beziehungen anknüpfen konnten, und so ging denn der Krieg durch volle zwanzig Jahre hin. Im Vorteil blieb auch hier wieder Wülknitz, weil er doch der gescheitere war, was von Rabe selbst schließlich anerkannt wurde. »Respekt vor Wülknitz. An dem hab ich meinen Mann gefunden. Der hat mich überlistet.« Und Wülknitz seinerseits versicherte: »Wo Rabe hinsieht, gibt es ein Loch; sein Blick brennt bis auf die Haut, und wenn ich den dicksten Flaus anhabe.« Beide waren märkische Naturen, wie sie nicht schöner gedacht werden konnten, scharf und schneidig, auch wohl, wenn es nichts kostete, mit Gemütlichkeitsallüren, aber immer eulenspiegelsch, vorsichtig und sarkastisch. Unter allem, was in ihrer Seele blühte, war die blaue Blume der Romantik, insonderheit aber die des romantischen Vertrauens am spärlichsten vertreten.
Im Jahre 56 (nach andern Angaben erst am 4. Dezember 58) war Wülknitz auf jedem Punkte Sieger, alles war geglättet, und er erstand Hoppenrade für die Summe von 350 000 Talern.
Hoppenrade wird freier Besitz des Kammergerichtsrats von Wülknitz. 1856 bis 60
Wülknitz, so sagt ich, war Sieger, und dieser endliche Sieg war ihm zu gönnen, ihm, der auf jedem erdenklichen Gebiete so viel Rührigkeit und Energie gezeigt hatte. Denn was sich auch, wie wohl kaum zu bestreiten, von Selbstischem in sein Tun mit eingemischt haben mochte, das Geleistete war groß, und alle Teile hatten schließlich ihren Vorteil davon. Aus den brachliegenden Ländereien waren wieder gut bestellte Felder, aus dem niedergeschlagenen 9000-Morgen-Forst ein neu heranwachsender Wald und aus dem vernachlässigten Viehstand eine Stammschäferei geworden.
Er hatte gewonnen, wonach er gestrebt, aber eigentliches Glück war doch nicht seiner Mühen Lohn gewesen. Er kam, wie schon mehrfach bemerkt, aus dem Kampfe nicht heraus, und wenn auch zuzugestehen ist, daß er sein lebelang nicht bloß kampfesmutig, sondern auch kampfeslustig war, so ward ihm doch schließlich des Kämpfens zu viel. Besonders hart litten die Seinen unter seiner beständigen Arbeit und Unrast, am meisten die Frau, die nicht nur die ruhigen und idyllisch-heiteren Prinz-Heinrich-Tage, wenigstens als Kind, noch mit erlebt hatte, sondern auf deren Herz und Gemüt auch alle die weichen und liebenswürdigen Eigenschaften ihrer Mutter, unsrer Krautentochter, übergegangen waren. Es ist erschütternd, in einem mir vorliegenden Briefe von ihrem Betroffensein zu lesen, als sie nach siebzehn Jahren, und nun als »Pächterin«, in das einst so schöne Schloß Hoppenrade zurückkehrte. »Das war also die Stätte meiner Kindheit und meiner Jugend; alle Tapeten von den Wänden gerissen und Löcher in den Dielen. Niemand da, der mich empfing, und da saß ich denn auf dem Koffer, der eben abgeladen war, und sah vor mich hin und in eine sorgenvolle Zukunft.«
Hoppenrade seit 1860
Und was nun noch zu berichten ist, ist kurz.
Hoppenrade blieb nur auf wenige Jahre hin ein freier und ritterschaftlicher Besitz in von Wülknitz' Händen. Am 15. Oktober 1860 bereits ging es durch Kauf an den Kammerherrn und Erbmundschenk von Vorpommern, Hellmuth von Heyden-Linden, über, der die ganze Kaufsumme bar auszahlte. Sämtliche Kinder und Enkel aus der Krautentochter-Deszendenz, und zwar, außer den Wülknitzens, drei Schwerine, drei Kettlers, drei Oertzens, empfingen ihren Anteil, und alle Beziehungen zu Hoppenrade waren gelöst.
Von Wülknitz selbst, nachdem er sich eine Zeitlang an Baugründungen in Berlin beteiligt hatte, ging nach der Schweiz. Daselbst starb er 1866 zu Montreux.
Auch Herr von Heyden-Linden, in Pommern reich begütert, hatte sich seines neuen märkischen Besitzes nur kurze Zeit zu freuen. Er starb bald danach, und Hoppenrade kam an seine beiden Enkel: Georg Freiherr von Werthern und Ida Maria Freiin von Werthern.
Ersterer ist der gegenwärtige Besitzer. Er hat die schönen Räume wieder herstellen lassen und bewohnt sie wenigstens zeitweilig.
Eine stille Stätte jetzt, dies abseits vom Wege gelegene Schloß, eine Stätte, von der niemand mehr spricht, am wenigsten vielleicht die, die tagaus, tagein es umwohnen. Aber von ihr, die hier auf ein paar Jahrzehnte hin ein poetisches und fast märchenhaft phantastisches Leben hervorzuzaubern wußte, von ihr erzählen sie noch, und in den Spinnstuben horcht alles auf, wenn von Elliot und seiner goldenen Kutsche, von den tausend Lichtern im Harenzacken-Wald und von dem Badegetümmel in Mon Caprice, versteht sich unter allerlei Zusätzen aus eigner erregter Phantasie, gesprochen wird.
Ja, die schöne, längst aus dieser Zeitlichkeit geschiedene Krautentochter, sie lebt fort an dieser Stelle. Von all denen aber, die nach ihr kamen, erzählt niemand mehr, und nur ein Grab im Park noch gibt Andeutung von dem, was später und bis in unsere Tage hinein hier halb zu Gast und halb zu Hause war. Ein Grab im Park und auf einem Steine die wenigen Worte: »Clara von Wülknitz, geboren am 10. September 1826, heimgegangen am 1. November 1850.«
Blumen und Efeu wachsen drüber hin, und zur Seite steht eine Gruppe von Zypressen und Weimutskiefern.
Einer Enkelin letzte Ruhestatt und darunter ein Leben, das vielleicht ernst und schwermütig gerade hier erlosch, an einer Stelle, wo die schöne »Grandmama« den Becher der Freude leerte, erst den Schaum und dann – den Rest.
Ohne Beziehungen zu Hoppenrade selbst, noch zu seiner vieljährigen Herrin, der schönen Frau von Amstedt, steht der schon auf S. 208 von uns erwähnte
Fähnrich von Arnstedt,
der uns in einem Schlußkapitel dieses Abschnittes beschäftigen soll. Nur eine Namensvetterschaft liegt vor, freilich begleitet von einer in mehr als einem Stück verwandten, keine Selbstbeherrschung kennenden Natur- und Temperamentsanlage, die die schöne Frau schließlich bis an den Rand des wirtschaftlichen Ruins, den Namensvetter aber aufs Schafott führte.