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1858 war, nach einem von Stüler herrührenden Plane, mit dem Bau der neuen Kirche begonnen worden, und am 25. November 1859 wurde sie eingeweiht. Ein Querschiff scheidet das Langhaus vom Chor. Über der Durchschneidung ist der Turm, der mit seinen an den vier Ecken angebrachten gotischen Pyramidentürmchen zu dem romanischen Basilikenstil des Ganzen nicht recht paßt, aber in der Landschaft eine gute Wirkung macht. Die schön ausgeführte Sandsteinkanzel mit den vier Statuetten der Evangelisten nimmt, neben dem Grabdenkmal der Familie Heydert, das künstlerische Interesse am meisten in Anspruch.
Früher umgab hier in Stolpe, wie überall, der Kirchhof die Kirche. Seit dem Umbau der letzteren aber ist der Kirchhof wegverlegt worden und hat sich, bei dem raschen Wachstum der Gemeinde, rasch mit Gräbern gefüllt. Auch die Nachbarschaft bestattet gelegentlich ihre Toten hier, und der in der »Kolonie Wannsee« wohnhafte Zweig der Familie Begas hat ein offenes Erbbegräbnis auf dem Stolper Kirchhof. Ein von Strauchwerk und jungen Bäumen überwachsenes Eisengitter schließt einen geräumigen Platz mit zur Zeit zwei Grabhügeln ein. Der eine wird von einem Obelisken aus rötlichem Granit überragt und trägt die Inschrift:
Oscar Begas
geboren 21. Juli 1828
gestorben 10. November 1883.
Unter dem zweiten Grabhügel ruht die zweiundzwanzigjährige Tochter; zu Häupten ein schwarzer Syenit mit folgender Inschrift:
Marie Veronika Eugenie Mathilde Begas
geboren 27. Mai 1862
gestorben 8. Oktober 1884.
Der Tod der liebenswürdigen jungen Dame weckte damals eine besondere Teilnahme: sie starb an einem giftigen Insektenstich in die Lippe.
Ein anderer Fremder, der seine letzte Ruhestatt hier gefunden, ist der vieljährige Besitzer von Kohlhasenbrück, Heinrich Beyer, ein geborner Westfälinger. Ein Kreuz erhebt sich zu seinen Häupten und trägt folgende Inschrift:
Hier ruht in Gott
der Gutsbesitzer Heinrich Beyer
geboren 15. März 1826
gestorben 13. Oktober 1887.
Er war ein jovialer Herr, der es sich, von dem Augenblick an, wo Kohlhasenbrück in seinen Besitz kam, zur Lebensaufgabe machte, die Silberbarren wieder herauszugraben, die Kohlhas, nach der Beraubung des kurfürstlichen Hüttenfaktors, in die hinter dem Beyerschen Grundstück hinfließende »Beke« versenkt haben sollte. Natürlich verlief auch diese Schatzgräberei erfolglos.
4. Die Peter-Pauls-Kirche zu Nikolskoë
Nikolskoë war ursprünglich nichts als ein russisches Blockhaus, das Friedrich Wilhelm III. auf einer Havelhöhe gegenüber der Pfaueninsel errichten ließ. Kastellan von Nikolskoë ward ein geborner Russe mit Namen Iwan, ein schöner alter Mann, mit langem weißem Bart und in bequemer russischer Nationaltracht. »Als bald danach«, so erzählt Eylert, »Kaiser Nikolaus samt Gemahlin (Prinzessin Charlotte von Preußen) Potsdam besuchte, führte Friedrich Wilhelm III. seine russischen Gäste vor dies Blockhaus und sagte: ›Sieh, Charlotte, es ist eine getreue Kopie des Blockhauses, in dem wir, als ich euch in Petersburg besuchte, so froh waren. Du wünschtest dir damals ein solches Haus und meintest, man könne darin ebenso vergnügt sein als in einem kaiserlichen Palast. Dies dein Wort hab ich behalten und im Andenken daran dies Haus errichten lassen. Und nach dem dir teuersten Namen soll es ›Nikolskoë‹ heißen.‹«
Das alles war in den letzten zwanziger Jahren, und wie damals die junge russische Kaiserin ahnungslos die Anregung zum Bau des Blockhauses Nikolskoë gegeben hatte, so sollte sie später die Veranlassung zum Bau der Kirche von Nikolskoë werden. Und zwar war dies bei einem abermaligen Besuche, den sie der preußischen Heimat abstattete. Mit ihrem Vater, dem Könige, bei Sonnenuntergang zwischen den Bäumen der Pfaueninsel auf und ab schreitend, äußerte sie, »wie schön und erbaulich es sein müsse, wenn diese Abendstille vom Glockengeläut einer am andern Havelufer errichteten Kapelle durchtönt würde«, Worte, die ganz der Stimmung des Königs entsprachen und kurze Zeit danach bei diesem zu dem Entschlusse führten, in der Nähe des russischen Blockhauses eine den Aposteln Petrus und Paulus zu stiftende Kirche entstehen zu lassen: die Kirche von Nikolskoë. In der betreffenden Cabinetsordre hieß es: »Die Kirche soll im Stil der russischen Kirchen, jedoch ohne die diesem Stile charakteristischen fünf Türme, sondern nur mit einem kuppelartigen Turme gebaut und danach die Zeichnung entworfen werden.«
Dies Reskript war vom 27. April 1833. Der Kronprinz entwarf eine Skizze, die bald danach vom Könige gutgeheißen und von den Hofbaumeistern Stüler und Schadow zu regelrechten Plänen erweitert wurde. Diesen Plänen entsprechend erfolgte nunmehr der Bau selbst, nachdem noch vorher unterm 24. März 1834 folgendes in mehr als einem Punkte charakteristische Cabinetsschreiben an die vorgenannten Bauräte gerichtet worden war. »Ich genehmige, daß der Bau nach den mir eingereichten Plänen ausgeführt werde. Nur die Kanzel scheint mir unrichtig so gezeichnet, als ob sie über den Stufen, die zum Altar führen, aufgerichtet werden solle. Die für die Vergoldung der Kuppel und des Kreuzes angesetzten 455 Taler 15 Sgr. fallen aus, da Kuppel und Kreuz grün gestrichen werden sollen. Friedrich Wilhelm.« Von der Hand des Cabinetsrats Albrecht war in einer Nachschrift hinzugefügt: »Bei Vollziehung dieser Cabinetsordre hat Seine Majestät geäußert, ›er habe nur bemerken wollen, daß man aus der Zeichnung nicht recht ersehe, wie die Kanzel eigentlich zu stehen kommen solle‹.« Der König hatte sehr wahrscheinlich die die Kanzel betreffenden Worte des vom Cabinetsrat abgefaßten Schreibens nicht allzu glücklich gewählt gefunden und wünschte durch diese postskriptliche Hinzufügung seine Bauräte vor dem Vorwurf einer in der Zeichnung zutage getretenen Unsorglichkeit zu schützen.
Am 1. August 1837 war der Bau beendet; am 13. August erfolgte die Einweihung durch den Generalsuperintendenten Bischof Neander, und zwar in Gegenwart des Königs, des Oberpräsidenten von Bassewitz, des Hofmarschalls von Massow, des Schloßbaumeisters Schadow und vieler anderer. Acht Tage später wurde Pastor Fintelmann, Bruder des Hofgärtners Fintelmann auf der Pfaueninsel, eingeführt.
Die Kirche kann als eine frei behandelte Basilika gelten, bei der, ganz wie bei der Kirche zu Stolpe, »pittoreske Wirkung« die Hauptaufgabe bildete. Stüler und Schadow haben sich denn auch über die Rücksichten, die, nach dieser Seite hin, beim Bau maßgebend waren, ausführlich ausgesprochen. »Die Höhe von Nikolskoë«, so heißt es im 4. Heft des »Architektonischen Albums«, »ist in der Landschaft von Potsdam weithin zu sehn. Das sie krönende Bauwerk konnte aber keine bedeutende Ausdehnung erhalten, und so war die Ausbildung hoher Formen, namentlich die Anlage eines schlanken Turmes mit Kuppel, einem flacheren Kuppelbau vorzuziehen. Die Zusammenstellung der Formen mußte vor allem auf malerische Wirkung berechnet sein. Dazu kommt, daß die Pfaueninsel und die Höhe von Nikolskoë jährlich von einem großen Teil der Einwohner von Berlin und Potsdam besucht werden und die Aussicht gerade von diesem Punkt aus zu den schönsten hiesiger Gegend zählt. Beides veranlaßte die Anlage von Loggien neben dem Turm, die in solcher Höhe liegen, daß man, über die nächsten Bäume hinweg, das vielfach bewegte Waldterrain, das Flußgebiet mit zahlreichen Buchten und großen Wasserflächen sowie die eine kleine Meile entfernte Residenz Potsdam mit ihren Schlössern und ihren rings um die Stadt gelegenen romantischen Villen übersieht. Die Loggien wurden außerdem noch durch Anordnung der Glocken motiviert, welche in dem kleinen Turm schwer Raum gefunden hätten und hier im Freien bei weitem besser geeignet sind, die auf eine halbe Meile entfernte Gemeinde zur Kirche zu rufen.«
Daß diese Glocken – die nach dem Wunsche der Prinzessin Charlotte (Kaiserin von Rußland) »mit ihrem Feierklange die abendliche Stille durchbrechen sollten« – in zurückliegender Zeit die recht eigentliche Veranlassung zum Bau der Kirche von Nikolskoë gewesen waren, diese Tatsache war den beiden Baumeistern (wenn sie je davon gewußt) bei Niederschreibung ihres Rechenschaftsberichtes sehr wahrscheinlich aus der Erinnerung gekommen, dem Pastor Fintelmann aber bei seinem Amtsantritt sicher ganz unbekannt geblieben, er würde sonst schwerlich, und zwar nach verhältnismäßig kurzer Zeit schon, angefragt haben: »ob nicht das tägliche dreimalige Läuten in der Kirche zu Nikolskoë auf die Sommermonate beschränkt werden könnte?« Worauf denn aus dem Hofmarschallamte der folgende, ziemlich ungnädige Bescheid erging: »Seine Majestät sind keineswegs mit der von Ihnen geäußerten Ansicht einverstanden und befehlen vielmehr, daß, während des ganzen Jahres, morgens, mittags und abends geläutet werde, und wollen auch, daß, wenn bisher in dem Filialdorfe Stolpe nicht geläutet wurde, dieses sogleich eingeführt werde.«
Die Peter-Pauls-Kirche zu Nikolskoë verfolgt also, um an dieser Stelle zu rekapitulieren, neben ihrer gottesdienstlichen Aufgabe vor allem zweierlei: sie soll als Bild in der Landschaft wirken und soll zweitens mit ihren Glocken die Stille romantisch-feierlichen Klanges unterbrechen. Und beides ist erreicht worden. Im übrigen gibt sich das Innere der Kirche ziemlich nüchtern, welche Nüchternheit auch durch drei die Kanzel zierende Medaillonbildchen nur wenig gemindert wird, weil alle drei Bildchen, so hübsch und bemerkenswert sie sind, nicht unmittelbar und durch sich selbst, sondern erst durch ihre Geschichte zur Geltung kommen. Zwei davon, die Apostel Petrus und Paulus, sind wertvolle Mosaikarbeiten (besonders Petrus mit dem Unterkleide von Lapislazuli), die Papst Clemens XIII. in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dem König Friedrich II. zum Geschenk machte. Beide Bildnisse gehörten der Bildergalerie zu Sanssouci an, von der sie, während des Baus der Kirche, hierher kamen. Das dritte Medaillonbild ist ein »Christuskopf mit der Dornenkrone« nach Guido Reni und rührt nicht von einem kopierenden italienischen Meister, sondern vom Lehrer und Küster Fischer her, der, während der letzten Regierungsjahre König Friedrich Wilhelms IV., an der Schule von Nikolskoë amtierte. Fischer bat um die Erlaubnis, dies Bild machen und, wenn gut befunden, in das noch leere Kanzelfeld einsetzen zu dürfen. Nach erhaltener Erlaubnis begann er mit sorgfältiger Präparierung einer Tontafel. Dann schritt er zu einer majolikaartigen Bemalung derselben und brannte die Farben, unter Benutzung seines eigenen Backofens, ein. Einen ihm angebotenen Ehrensold lehnte er ab und bat nur um Bewilligung von »frei Arzt und Arznei«, welche Bitte mit dem Hinzufügen gewährt wurde, »daß diese Bewilligung nicht nur ihm, sondern ein für allemal allen Lehrern und Küstern an der Schule beziehungsweise Kirche von Nikolskoë zugute kommen solle«. So wurde sein Fleiß und seine Kunst zum Segen auch für seine Nachfolger, die sich, bei zufällig viel Krankheit, ihres Amtsvorgängers in besonderer Dankbarkeit erinnern.
In der Kirche von Nikolskoë blieb durch vierzig Jahre hin (von 1837 bis 77) so ziemlich alles beim alten. Erst das letztgenannte Jahr führte Veränderungen herauf. Am 18. Januar 1877 war die Prinzessin Karl gestorben und hatte, wohl in Erinnerung an hier trostreich verlebte Stunden, in ihrem Testamente den Wunsch ausgesprochen, »in der Peter-Pauls-Kirche zu Nikolskoë zu ruhn«. Im Einklange hiermit schritt man, nach einem Entwurfe des Hofbaumeisters Persius, zur Erbauung einer mit weißem, blauem und dunkelgrauem schlesischen Marmor getäfelten und zur Aufnahme von acht Särgen ausreichenden Gruft,Erst das Jahr 77 gab der Kirche zu Nikolskoë diese Gruft, aber schon von 1837 an war ein Kirchhof da. Derselbe befindet sich hundert Schritte weiter zurück und ist Begräbnisplatz vieler auch in weiteren Kreisen bekannt gewordener Persönlichkeiten. Hier ruht unter einem mächtigen schwarzen Syenit Oberlandforstmeister Ulrici; neben ihm sein Schwiegersohn Oberst von Kayser. Hier ruht ferner Frau Friedrich, die sogenannte »alte Friedrich«, von der ich in dem Kapitel »Pfaueninsel« (Band III meiner »Wanderungen«) ausführlich erzählt habe. Hier endlich hat auch der viele Jahre lang auf der Pfaueninsel installierte, später mit einer Potsdamerin verheiratete Sandwichs-Insulaner Maitay seine letzte Ruhestätte gefunden. Ein Steinkreuz, mit Maitays Namen in Front, bezeichnet seine Grabstelle, während es, an der Rückseite des Kreuzes, in einer für Mark Brandenburg höchst charakteristischen Weise heißt: »Hier ruhen des Sandwichs-Insulaners Maitay Schwiegereltern«. In jedem andern alten Kulturlande würde sich auch der edelste Sandwichs-Insulaner immer noch seinerseits in der Benötigung einer Berufung auf seine Schwiegereltern befunden haben – in Mark Brandenburg ist es umgekehrt oder war es doch bis 70. Alles von »weither« hatte den Vortritt, wie diese Steinkreuzinschrift in beinah rührender Bescheidenheit lehrt. in der am 24. Mai früh sechs Uhr die Prinzessin – deren Sarg bis dahin in Charlottenburg gestanden hatte – beigesetzt wurde.
Von dem Tag an war die Gruft zu Nikolskoë die designierte Begräbnisstätte der Karlschen Linie des Hauses Hohenzollern:
am 24. Januar 1883 wurde der alte Prinz KarlPrinz Karl starb am 21. Januar. Wenige Stunden vor seinem Hinscheiden erschien sein Bruder Wilhelm im prinzlichen Palais am Wilhelmsplatz, und der Generalarzt Dr. Valentini meldete dies mit den Worten: »Seine Majestät der Kaiser!« Freudig lächelnd erhob der sterbende Prinz den rechten Arm und rief, unter Dransetzung seiner letzten Kraft: »Er lebe hoch!« Es waren seine letzten Worte. Die menschlich siegreiche Persönlichkeit Kaiser Wilhelms hatte Rivalitäten, wie sie früher geherrscht haben mochten, längst beglichen und in dem Herzen des Bruders nichts zurückgelassen als Bewunderung und Liebe. hier beigesetzt,
am 18. Juni 1885 Prinz Friedrich Karl.
Und an den Geburts- und Sterbetagen legen Dankbarkeit und Liebe hier ihre Kränze nieder.