Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II.
DER ARME WILHELM.

    Wilhelms Braut war gestorben. Der arme verlassene Wilhelm
Wünschte den Tod, und besuchte nicht mehr den geflügelten Reigen,
Nicht das Ostergeleg und das Fest der bemaleten Eier,
Nicht den gaukelnden Tanz um die Osterflamme des Hügels.
Einsam war er, und still wie das Grab, und glaubte mit jedem
Tritt in die Erde zu sinken. Die Bursch' und Mädchen des Dorfes
Brachen Main, und schmückten das Haus und die ländliche Diele,
Frühlingsgesang anstimmend dem heiligen Abend vor Pfingsten. [60]

Wilhelm floh das Gewühl der Fröhlichen, wandelte einsam
Über den Gottesacker, und fand in die Kirche den Eingang,
Nahm von der Wand den Kranz der geliebten Braut, und kniete
An dem Altar, und barg das Gesicht in die Blumen des Kranzes:
Nim, so fleht' er bethränt, o nim von der Erde mich, Vater,
Meiner Entschlummerten nach! Doch, Gott, dein Wille geschehe!
Lispelnd bebte das Gold und die Flitterblumen des Kranzes,
Lieblich rauschten, wie Blätter im West, die flatternden Bänder,
Und die erleuchteten Fenster durchfuhr ein fliegender Lichtglanz.
Bleich nun, aber gefasst, ging Wilhelm wieder zur Wohnung,
Voll vom Himmel das Herz. Am Abende, hörten die Schwestern [61]

Beid', an einander geschmiegt, wie die Todtenuhr in der Kammer
Pickerte; siehe, da schlug mit Geheul an die Fenster das Leichhuhn.
Bald auch schaute die Ein' in der Dämmerung hell auf der Diele
Einen bekränzeten Sarg mit Gefolg', und den Pfarrer im Mantel.
Wenige Wochen, da starb der verlassene traurige Wilhelm,
Und sein grünendes Grab ragt hart am Grabe des Mädchens. [62]


 << zurück weiter >>