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IV.
LEANDER UND ISMENE.

DREI BALLADEN.

ERSTE BALLADE.

    Seit Adam in den Apfel biß,
Glich unter allen Schönen,
Hier unterm Mond, das ist gewiß,
Kein Mutterkind Ismenen,
Sie war nur eben achtzehn Jahr,
Ein Mädchen zum Entzücken,
Mit runder Brust und blondem Haar,
Und Adel in den Blicken.

   Ihr Wuchs, voll Reiz und Majestät
War gleich der schlanken Maie;
Die Wange junger Rosen Röthe,
Ihr Auge Himmelbläue. [24]

Der Mund, ein blühend Paradies,
War sonder alle Mängel;
Und wann sie sang, so klangs so süß,
Als säng' ein heilger Engel.

   Die holde Schöne, denkt einmal,
That aber arge Thaten,
Und muß vielleicht im Pful der Qual
Izt kochen oder braten:
Sie hexte Froschleich, Ruß und Haar
Ins Butterfaß des Küsters,
Und zauberte voll Finnen gar
Die Schweine des Magisters.

   Sie knüpfte manchem Ehepaar
Die Nestel als ein Meister,
Und rief, wanns ihr gefällig war,
Ein Rudel Höllengeister;
Ritt, troz dem besten Postkurier,
Auf ihrem Besenstiele,
Und übergab der Winden ihr
Geringelt Haar zum Spiele. [25]

   Sie tanzte stets am ersten Mai,
Mit Blumen in den Locken,
Den weißen Busen schleierfrei,
Im Reigen auf dem Brocken.
Dann pflag der alte Satanas
Den süßen Herrn zu spielen,
Und wann sie stand, und wann sie saß,
Nach ihrer Brust zu schielen.

   Begierig küßt' er ihre Hand,
Als wollt' ers Händchen fressen,
Und konnt' am schwarzen Feuerstrand
Die Schöne nicht vergessen,
Sandt' ihr so manches Billet doux
Durch seinen Hoflakaien,
Schloß kaum die Augenwimper zu,
Und träumte schon von Freien.

   Allein Ismene lachte nur
Des grämlichen Pedanten;
Und suchte sich, bald auf der Flur,
Bald in der Stadt Amanten. [26]

Sie sah einmal am Wiesenbach,
Wo manches Blümchen keimte,
Leandern, der im Schatten lag,
Und süße Träume träumte.

   Er träumte von der Adelheid,
Mit der er sich versprochen,
Daneben von der Seligkeit
Der ersten Flitterwochen.
Es sollte schon die Priesterhand
Ihn am Altar beglücken;
Es schwebten Kranz und Brautgewand
Im Traum vor seinen Blicken.

   Die Jungfraun flochten schon am Kranz,
Und übten sich zum Reigen;
Es tönten schon zum Hochzeittanz
Die Flöten und die Geigen.
Was meint ihr wohl? Die Unholdin
Trat vor den schönen Schläfer,
Zupft' ihn am Ohr' und vorn am Kinn,
Und rief: Wach' auf, mein Schläfer! [27]

   Sie hatte seines Mädchens Bild
Und Kleidung angenommen.
Leander ward mit Freud' erfüllt,
Und stotterte: Willkommen.
Er nannte sie: Mein lieber Schaz,
Mein Engelchen, mein Kindchen!
Und gab ihr manchen Feuerschmaz
Aufs kleine rothe Mündchen.

   Sie gingen endlich, Hand in Hand,
Der Kühlung zu genießen,
Zum Wald'; ein schöner Wagen stand
Schnell neben ihren Füßen;
Ein Kutscher mit beseztem Rock
Und grämlicher Geberde,
Saß majestätisch auf dem Bock,
Und lenkte stolz die Pferde.

   Der Wagen war von Helfenbein,
Besezet mit Opalen.
Kein Gallawagen ist so fein;
Die Zaubrin konnt's bezahlen! [28]

Sie stiegen in den Faethon;
Drauf rasselten die Schimmel
Stracks über Stock und Stein davon
Mit donnerndem Getümmel.

   Bald flogen sie gar himmelan!
Ein Wunder anzuschauen!
Leandern, wie man denken kann,
Begann darob zu grauen.
Wir wollen, wenn es euch beliebt,
Die Leute fliegen lassen,
Und morgen, so Gott Leben giebt,
Den Rest in Reime fassen. [29]


LEANDER UND ISMENE.

ZWEITE BALLADE.

    Der Wagen fuhr auf gutes Glück,
Bis daß der Himmel graute,
Und man beim ersten Sonnenblick
Ein grünes Eiland schaute.
Es lag im Süderocean
Seit lieben langen Jahren,
Wo weder Cook noch Magellan
Noch Dampier gefahren.

   Sie traten in ein Paradies,
Wo Freud' und Wollust lauschte,
In jedem Frühlingslüftchen blies,
In jeder Quelle rauschte.
Das war euch traun ein Lustgefild!
Rings lachten bunte Flächen,
Rings zitterte das goldne Bild
Der Sonn' in hundert Bächen. [30]

   Die Weste flisterten vertraut,
Und raubten jungen Veilchen,
Wie der Geliebte seiner Braut,
Auf jeder Wiese Mäulchen.
Es blühte rings im Zauberglanz
Die Hyazinth und Rose;
Es trug und blühte Pomeranz'
Und Pfirsch' und Aprikose.

   Musik entströmte sonder Rast
Den kühlen Rebenlauben;
Es herzten sich auf jedem Ast
Verliebte Turteltauben.
Es sprang, poz Stern, da möcht' ich sein!
Im Schatten grüner Hecken,
Der feurigste Burgunderwein
In weite goldne Becken.

   Es ragt' ein prächtiger Palast,
Erbauet aus Türkisen,
Mit Gold' und Perlen eingefaßt,
Auf angenehmen Wiesen. [31]

Die Treppen waren aus Achat,
Die weiten Flügelthüren,
Durch die man in den Pallast trat,
Aus blizenden Saffiren.

   Das Dach und auch der Wetterhahn,
Wie leichtlich zu erachten,
Von feinem Gold' aus Hindostan,
Besezet mit Smaragden.
Ein wunderbares Feienschloß,
Bei welchem sonder Zweifel,
Der es erbaut, viel Schweiß vergoß,
Gott sei bei uns, der Teufel!

   Ein großer tapezirter Saal
Ging mitten durchs Gebäude,
Mit Schildereien ohne Zahl:
Die schönste Augenweide!
Von Rafael und Tizian,
Hier eine nackte Lede,
Dort Vater Zeus mit ihr als Schwan
In einer Liebesfehde; [32]

   Der Großsultan, der Perser Schach,
Im Zirkel ihrer Frauen;
Ein lustig Karnavalgelag,
Gar lieblich anzuschauen;
Der Muselmänner Himmelreich
Voll niedlicher Figuren;
Ein grüner Wald, im Wald ein Teich
Voll Badeposituren.

   Sie lebten hier als Frau und Mann
Am grünen Meergestade,
Und tranken, wann der Tag begann,
Bald Thee, bald Schokolade;
Und hielten im Gemäldesaal,
Von dem wir euch erzählten,
Das Frühstück und das Mittagsmahl,
Dem keine Reize fehlten.

   Die Speisen kamen auf den Wink
Der Unholdin von selber:
Es flogen, wann sie schellte, flink
Gebratne Tauben, Kälber, [33]

Kapaun' und Hasen auf den Tisch,
Lampreten und Forellen,
Und ein possierliches Gemisch
Von Austern und Sardellen.

   Nicht minder kam auf ihr Gebot,
Viel Backwerk angeflogen,
Pasteten, Torten, Mandelbrot,
Daß sich die Tafeln bogen.
Das große goldne Deckelglas,
Gefüllet mit Tokaier,
Goß ihre Kehlen weidlich naß,
Und in die Adern Feuer.

   Sie spielten alle Nachmittag,
Nach eingenommnem Mahle,
In einer Sommerlaube Schach,
Und aßen kalte Schale;
Und gingen, wann das Abendroth
Durch ihre Laube blinkte,
Zum Pallast, wo das Abendbrot
In goldnen Schüsseln winkte. [34]

Sie irrten, wann der Mondenschein
Den Wald mit Silber deckte,
Vertraulich durch den Myrtenhain,
Wo mancher Vogel heckte;
Und sezten sich auf zartes Grün,
Bedeckt von Myrtenästen,
Durch die der schöne Vollmond schien,
Umscherzt von lauen Westen.

   Sie ruhten, Brust an Brust gedrückt,
Und was sie weiter thaten –
Der schöne Vollmond hats erblickt;
Ich kann es nicht errathen!
Ein süßes klatschendes Getön
Scholl aus den Myrtenbüschen;
Die Vögel sangen wunderschön
Ein Minnelied dazwischen.

   Der West, der im Gesträuche war,
Goß einen Blütenregen
Von Abendduft, bald um ihr Haar,
Bald ihrer Brust entgegen. [35]

Sie trippelten mit trübem Blick,
Und Gras und Staub in Haaren,
Nach ihrem Zauberschloß zurück,
Wo weichre Polster waren;

   Und lasen, wann sie sich gesezt,
Zur Zeit des Schlafenlegens,
Rosts schöne Nacht Johann Christoph Rost (1717-1765) veröffentlichte das anakreontische Gedicht »Die schöne Nacht« 1754 (es führte später den Titel »Die Brautnacht«). { Anm.d.Hrsg} zu guter Lezt,
Anstatt des Abendsegens;
Und schlüpften, wenn sie dies vollbracht,
Zum Ruhekabinette.
Wir wünschen ihnen gute Nacht,
Und gehen auch zu Bette. [36]


LEANDER UND ISMENE.

DRITTE BALLADE.

    So lebten dort auf ihrer Burg,
Wie wir erzählt, die beiden,
Den Mai und Junius hindurch,
In Herlichkeit und Freuden;
Sie schwammen hier in Üppigkeit
Bis über beide Ohren;
Doch endlich floh die Trunkenheit,
Worin sie sich verloren.

   Er hatte sich mit Zuckerbrot
Den Magen überladen,
Ward bleich und hager wie der Tod,
Ihm schwanden Mut und Waden.
Sein Auge, wie Vergißmeinnicht,
Erlosch, und wurde dunkel;
Er trug im kupfrigen Gesicht
Rubinen und Karfunkel. [37]

   Die Küsse, Weine, das Konfekt,
Die Zuckerbissen alle,
Wonach er sonst den Mund geleckt,
Verkehrten sich in Galle.
Der Vögel buhlerisch Koncert,
Das er, in Lust verloren,
Mit solcher Wonne jüngst gehört,
Mistönte seinen Ohren.

   Nun floh er, mehr als Tod und Grab,
Den Pallast und Ismenen,
Und ging am Ufer auf und ab,
Und weinte stille Thränen.
O liebe, liebe Adelheid!
So rief er sonder Ende:
Der ich mein treues Herz geweiht!
Und rang die welken Hände.

   Wie magst du, gute Seele, wohl
Leanders Angedenken,
Mit lautem Schluchzen, einen Zoll
Getreuer Thränen schenken! [38]

O könnt' ich dir den Thränenguß,
Dem Kerker hier entrissen,
Durch einen reuevollen Kuß
Von deiner Wange küssen!

   O welcher Unstern! wehe mir!
Das Mastvieh war geschlachtet,
Der Pfarrer hatte die Gebühr,
Wonach er lang geschmachtet!
Wir waren schon, ich armer Mann!
Schon zweimal aufgeboten,
Und dachten wahrlich nicht daran,
Was uns für Wetter drohten!

   Schon ging mit manchem bunten Band
Am Hut der Hochzeitbitter
Im Dorf herum; der Musikant
Probierte schon die Cither.
Die Speisen, die wir angeschaft,
Sind nun schon längst verdorben.
Mein Liebchen ist wohl, hingeraft
Von Schwermut, gar gestorben. [39]

   Den guten Göttern mußte dies
Nun wohl zu Herzen gehen.
Drum flog ein Schif heran, und ließ
Die Flagge stattlich wehen.
Der Schifpatron nahm ihn an Bord,
Und bracht' in wenig Stunden
Ihn wohlbehalten an den Ort,
Da ihn Ismene funden.

   Ismene stand versteinert da,
Als sie am Horizonte
Die aufgeschwollnen Segel sah,
Und es nicht wehren konnte;
Zerriß die Haare, weinte sich
Die Wangen bleich und hager,
Und wand die Hände jämmerlich
Auf dem verwaisten Lager.

   Sie ritt mit thränendem Gesicht
Auf ihrem Besenstiele
Viel Länder durch, und fand ihn nicht,
Und ritt sich manche Schwiele, [40]

Und ward, wie männiglich bekannt,
Nach vielen Abentheuern,
Zulezt elendiglich verbrannt
Zu Ingolstadt in Baiern. [41]


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