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Der schöne Maienmond begann,
Und alles wurde froh,
Als Ritter Veit von Adelstan
Der Königsstadt entfloh.
Von Geigern und Kastraten fern,
Und vom Redutentanz,
Vertauscht' er seinen goldnen Stern
Mit einem Schäferkranz.
Des Thals Gebüsch, der Wiese Klee
Gewährt' ihm süßre Rast,
Als Himmelbett' und Kanapee
Im fürstlichen Palast.
Er irrte täglich durch den Hain,
Mit einer Brust voll Ruh,
Und sah dem Spiel', und sah dem Reihn
Der Dörferinnen zu.
[17]
Sah unter niederm Hüttendach
Der Schäferinnen Preis:
Und plözlich schlug sein Herzensschlag
Wol noch einmal so heiß.
Sie wurden drauf gar bald vertraut;
Was Wunder doch! Er war
Ein Mann von Welt und wohlgebaut,
Und Röschen, achtzehn Jahr.
Sie gab, durch manchen Thränenguß
Erweichet, ihm Gehör;
Zuerst bekam er einen Kuß,
Zulezt noch etwas mehr.
Izt wurde, nach des Hofes Brauch,
Sein Busen plözlich lau:
Er saß nicht mehr am Schlehenstrauch
Mit Röschen auf der Au.
Des Dorfes und des Mädchens satt,
Warf er sich auf sein Roß,
Flog wieder in die Königsstadt,
Und in sein Marmorschloß.
[18]
Hier taumelt' er von Ball zu Ball,
Vergaß der Rasenbank,
Wo beim Getön der Nachtigall
Sein Mädchen ihn umschlang.
Und Röschen, die auf Wiesengrün
Im Haselschatten saß,
Sah Mann und Roß vorüberfliehn,
Und wurde todtenblaß.
Mein Adelstan! ich armes Blut!
Er sah und hörte nicht,
Und drückte sich den Reisehut.
Nur tiefer ins Gesicht.
Sie zupft', auf ihren Hirtenstab
Gelehnt, am Busenband,
Bis er dem Roß die Spornen gab,
Und ihrem Aug' entschwand;
Und schluchzt', und warf sich in das Gras,
Verbarg sich ins Gesträuch,
Weint' ihren schönen Busen naß,
Und ihre Wangen bleich.
[19]
Kein Tanz, kein Spiel behagt ihr mehr,
Kein Abendroth, kein West;
Das Dörfchen dünkt ihr freudenleer,
Die Flur ein Otternnest.
Ein melancholisch Heimchen zirpt
Vor ihrer Kammerthür;
Das Leichhuhn schreit. Ach! Röschen stirbt,
Des Dorfes beste Zier!
Die dumpfe Todtenglocke schallt
Drauf in das Dorf. Man bringt
Den Sarg daher. Der Küster wallt
Der Bahre vor, und singt.
Der Pfarrer hält ihr den Sermon,
Und wünscht dem Schatten Ruh,
Der diesem Jammerthal' entflohn,
Und klagt und weint dazu.
Man pflanzt ein Kreuz, mit Flittergold
Bekränzet, auf ihr Grab;
Und auf den frischen Hügel rollt
So manche Thrän' hinab.
[20]
Es wurde Nacht. Ein düstrer Flor
Bedeckte Thal und Höhn;
Auch kam der liebe Mond hervor,
Und leuchtete so schön.
Vernehmt nun, wie's dem Ritter ging!
Der Ritter lag auf Pflaum,
Um welchen Gold und Seide hing,
Und hatte manchen Traum.
Er zittert auf. Mit blauem Licht
Wird sein Gemach erfüllt.
Ein Mädchen tritt ihm vors Gesicht,
Ins Leichentuch verhüllt.
Ach! Röschen ists, das arme Kind,
Das Adelstan berückt!
Die Rosen ihrer Wangen sind
Vom Tode weggepflückt.
Sie legt die eine kalte Hand
Dem Ritter auf das Kinn,
Und hält ihr moderndes Gewand
Ihm mit der andern hin;
[21]
Blickt drauf den ehrvergessnen Mann,
Den Schauer überschleicht,
Dreimal mit hohlen Augen an,
Und wimmert und entweicht.
Sie zeigte, wann es zwölfe schlug,
Jezt alle Nächte sich,
Verhüllet in ein Todtentuch,
Und wimmert' und entwich.
Der Ritter fiel in kurzer Zeit
Drob in Melancholei,
Und ward, verzehrt von Traurigkeit,
Des Todes Konterfei.
Mit einem Dolch bewafnet floh
Er aus der Stadt, und lief
Zum Gottesacker hin, alwo
Das arme Röschen schlief;
Wankt' an die frische Gruft, den Dolch
Dem Herzen zugekehrt,
Und sank. Folg! ruft ein Teufel, folg!
Und seine Seel' entfährt.
[22]
Der Dolch ging mitten durch das Herz,
Entsezlich anzuschaun!
Die Augen starrten himmelwärts,
Und blickten Furcht und Graun.
Sein Grab ragt an der Kirchhofmaur.
Der Landmann, der es sieht,
Wenns Abend wird, fühlt kalten Schaur,
Und schlägt ein Kreuz, und flieht.
Auch pflegt er, bis die Hahnen krähn,
Den Blutdolch in der Brust,
Mit glühnden Augen umzugehn,
Wie männiglich bewußt.
[23]