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V.
DIE NONNE.

    Es liebt' in Welschland irgendwo
Ein schöner junger Ritter
Ein Mädchen, das der Welt entfloh,
Troz Klosterthor und Gitter;
Sprach viel von seiner Liebespein,
Und schwur auf seinen Knieen,
Sie aus dem Kerker zu befrein,
Und stets für sie zu glühen.

   Bei diesem Muttergottesbild,
Bei diesem Jesuskinde,
Das ihre Mutterarme füllt,
Schwör' ichs dir, o Belinde!
Dir ist mein ganzes Herz geweiht,
So lang' ich Odem habe!
Bei meiner Seelen Seligkeit,
Dich lieb' ich bis zum Grabe! [42]

Was glaubt ein armes Mädchen nicht,
Zumal in einer Zelle?
Ach! sie vergaß der Nonnenpflicht,
Des Himmels und der Hölle.
Die, von den Engeln angeschaut,
Sich ihrem Jesu weihte,
Die reine schöne Gottesbraut
Ward eines Frevlers Beute.

   Drauf wurde, wie die Männer sind,
Sein Herz von Stund an lauer;
Er überließ das arme Kind
Auf ewig ihrer Trauer,
Vergaß der alten Zärtlichkeit
Und aller seiner Eide,
Und flog im bunten Gallakleid
Nach neuer Augenweide;

   Begann mit andern Weibern Reihn
Im kerzenhellen Saale,
Gab andern Weibern Schmeichelein
Beim lauten Traubenmahle, [43]

Und rühmte sich des Minneglücks
Bei seiner schönen Nonne,
Und jede Kusses, jedes Blicks,
Und jeder andern Wonne.

   Die Nonne, voll von welscher Wut,
Entglüht' in ihrem Mute,
Und sann auf nichts als Dolch und Blut,
Und träumte nur von Blute.
Sie dingte plözlich eine Schaar
Von wilden Meuchelmördern,
Den Mann, der treulos worden war,
Ins Todtenreich zu fördern.

   Die bohren manches als Mörderschwert
In seine schwarze Seele:
Sein schwarzer falscher Geist entfährt,
Wie Schwefeldampf der Höhle.
Er wimmert durch die Luft, wo sein
Ein Krallenteufel harret;
Drauf ward sein blutendes Gebein
In eine Gruft verscharret. [44]

   Die Nonne flog, wie Nacht begann,
Zur kleinen Dorfkapelle,
Und riß den wunden Rittersmann
Aus seiner Ruhestelle,
Riss ihm das Bubenherz heraus,
Und warfs, den Zorn zu büßen
Daß dumpf erscholl das Gotteshaus,
Und trat es mit den Füßen.

   Ihr Geist soll, wie die Sagen gehn,
In dieser Kirche weilen,
Und, bis im Dorf die Hahnen krähn,
Bald wimmern und bald heulen.
Sobald der Seiger zwölfe schlägt,
Rauscht sie an Grabsteinwänden
Aus einer Gruft empor, und trägt
Ein blutend Herz in Händen.

   Die tiefen hohlen Augen sprühn
Ein düsterrothes Feuer,
Und glühn, wie Schwefelflammen glühn,
Durch ihren weißen Schleier. [45]

Sie gafft auf das zerrißne Herz
Mit wilder Rachgeberde,
Und hebt es dreimal himmelwärts,
Und wirft es auf die Erde;

   Und rollt die Augen voller Wut,
Die eine Hölle blicken,
Und schüttelt aus dem Schleier Blut,
Und stampft das Herz in Stücken.
Ein dunkler Todtenflimmer macht
Indeß die Fenster helle.
Der Wächter, der das Dorf bewacht,
Sah's oft in der Kapelle. [46]


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