Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Viertes Kapitel.

Theodorus der Erste von Gottes Gnaden und durch die heilige Trinität erwählter König auf Corsica.

Kaum war Theodor in Corsica angelangt und in der Welt ruchbar geworden, als die von ihm »gekränkte« Republik Genua ein Manifest erließ, worin sie sich über seine Person vernehmen ließ, und die Genueser, so sagt das deutsche Büchlein, beschrieben in einem Edict den Theodor sehr häßlich.

Sie beschrieben ihn freilich sehr häßlich, wie man hier sehen wird:

Wir Doge, Governatoren und Procuratoren
der Republik Genua.

Auf die uns zugekommne Nachricht, daß in unsrem Königreiche Corsica in dem Hafen Aleria das kleine Kauffahrteischiff des englischen Capitäns Dick Kriegsvorräte und eine gewisse berüchtigte, orientalisch gekleidete Person ans Land gesetzt hat, welcher es unbegreiflicher Weise gelungen, bei den Häuptern und beim Volke sich beliebt zu machen; da dieser Fremde denselben Waffen, Pulver und einige Geldmünzen wie andre Dinge ausgeteilt hat, ferner mit dem Versprechen auf eine mehr als hinreichende Hülfe ihnen verschiedene Rathschläge gibt, welche die Ruhe stören, die zum Wol der Untertanen unsres besagten Reiches wiederherzustellen wir uns angelegen sein lassen, so sind wir mittelst glaubwürdiger Zeugnisse von der wirklichen Eigenschaft und dem Leben dieses Menschen unterrichtet. Es ist uns demnach bekannt, daß er aus der westphälischen Mark zu Hause sei, daß er sich für den Baron von Neuhof ausgibt, daß er sich berühmt der Alchimie, der Cabbala und der Astrologie, mit deren Hülfe er viele wichtige Geheimnisse entdeckt habe, daß er sich ferner als eine irrende und vagabondirende Person von wenig Glück bemerklich gemacht hat.

In Corsica wird er Theodor genannt. Im Jahre 1729 kam er mit diesem Namen nach Paris, wo er sein aus Irland gebürtiges und in Spanien genommenes Weib mit einem Kinde verlassen hat.

Während er die Welt durchreiste hat er seinen Zunamen und seinen Geburtsort verleugnet. In London hat er sich für einen Deutschen, in Livorno für einen Engländer, in Genua für einen Schweden ausgegeben, und sich bald Baron von Naraer, bald von Smihmer, bald von Nissen, bald von Smitberg genannt, wie das aus seinen Pässen und andern bewährten Schriftstücken, aus verschiedenen Städten datirt und aufbewahrt, unter vielem zu ersehn ist.

Indem er so den Namen und seine Heimat gewechselt hat, gelang es ihm durch seine Betrügereien auf Kosten anderer zu leben, und es ist bekannt, daß er in Spanien um das Jahr 1727 die ihm zur Werbung eines deutschen Regiments vorgeschossenen Gelder verschwendet und sich dann aus dem Staube gemacht hat, daß er auch sonst an vielen Orten Engländer, Franzosen, Deutsche und andere von andern Nationen betrogen hat.

Wo er solche Betrügereien verübt hat, hat er sich bemüht verborgen zu bleiben. Als er aber weggewesen, ist er durch die von ihm verübten Gaunereien sehr ruchbar geworden, wie das zumal der von einem deutschen Cavalier unter dem 20. Februar dieses Jahres 1736 geschriebene Brief ausweist.

Daß er aber solchergestalt zu leben gewohnt gewesen ist, lehrt, daß er vor einigen Jahren von dem Bankier Jaback in Livorno 515 Stücke geliehen hat mit dem Versprechen, sie sollten ihm in Cöln erstattet werden. Nachdem dieser sich betrogen sah, ließ er ihn festnehmen. Um wieder auf freien Fuß zu gelangen, bediente er sich eines Schiffspatrons, den er verleitete für ihn zu bürgen, und nachdem seine Loslassung durch das von dem Notar Gumano in Livorno unter dem 6. September 1735 aufgenommene Instrument bekannt geworden war und er sich auch die Zeit seines Arrestes über krank befand, wurde er in das Badspital erwähnter Stadt aufgenommen, um als ein Bedürftiger curirt zu werden.

Vor ungefähr drei Monaten begab er sich mit Empfehlungsbriefen von Livorno nach Tunis, wo er den Medicus machte, und mit den Häuptern des dasigen ungläubigen Landes mehre geheime Conferenzen hielt. Daselbst hat er hernach Waffen und Kriegsvorrat bekommen, womit er sich in Gesellschaft des Christophorus, Bruders des Buongiorno Arztes in Tunis, dreier Türken, worunter sich ein gewisser Mohamet befindet, der auf den toscanischen Galeeren Sclave gewesen, zweier ihrem väterlichen Hause entlaufener Livorneser, Namens Johann Attimann und Giovanni Bondelli, und eines Geistlichen von Portugal, der sich auf Veranlassung der Missionsväter von Tunis und mit Grund von dort hatte entfernen müssen, nach Corsica begeben hat.

Unter so bewandten Umständen und solchen unbezweifelten Zeugnissen, und da dieser Mensch sich in die Lage gesetzt hat, Corsica zu beherrschen, mithin unsere Untertanen von dem ihrem natürlichen Fürsten schuldigen Gehorsam böswillig abzuwenden, und da auch zu befürchten steht, daß eine Person von so schändlichen Absichten im Stande sei noch mehr Verwirrungen und Unruhen unter unserem Volke anzuzetteln: so haben wir beschlossen, alles kund und offenbar zu machen, und zu erklären, wie wir es mit gegenwärtigem Edict also thun, daß dieser sogenannte Baron Theodor von Neuhof als ein wirklicher Urheber neuer Empörungen, Verführer des Volks, Störer der allgemeinen Ruhe, des Hochverrats und des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig sei, demnach alle durch unsere Gesetze bestimmten Strafen verwirkt habe.

Wir verbieten demnach allen mit gedachter Person Umgang oder Verkehr zu pflegen, und wir erklären alle diejenigen, so ihm Hülfe und Beistand leisten oder so sonst um unser Volk noch mehr zu verwirren und zum Aufruhr zu reizen, die Partei dieses Menschen halten werden, als schuldig der beleidigten Majestät und als Störer der öffentlichen Ruhe und als in eben dieselbe Strafe verfallen.

Gegeben in Unserem Königlichen Palaste, am 9. Mai 1736.

Gezeichnet: Joseph Maria.

Die gekränkte Republik Genua hatte mit diesem Manifest keinen Erfolg. Selbst in ihrer eigenen Stadt Bastia schrieb das Volk unter dasselbe Evviva Teodoro I. Re di Corsica, und Theodor weit gefehlt, daß er sich seiner Emporkömmlingsschaft schämte, sagte mit männlichem Humor: weil mich die Genuesen für einen Abenteurer und Charlatan ausschreien, so will ich mein Theater ehestens in Bastia aufschlagen.

Er erließ indessen ein Manifest als Antwort auf das genuesische, und dies ist sehr ergötzlich.

Theodorus, König auf Corsica. Dem Dogen und Senat zu Genua seinen Gruß und viel Geduld.

Es ist mir noch nicht eingefallen, wie ich wol eine Unterlassungssünde begangen habe, daß ich meinen Entschluß nach Corsica zu gehn, Hochdenenselben nicht zu wissen that; um die Wahrheit zu sagen, hielt ich solche Förmlichkeit für unnötig, weil ich dachte, das Gerücht würde Sie ohnehin schon davon benachrichtigt haben. Deshalb hielt ich es für überflüssig, Ihnen dasjenige selber kund zu thun, was dero corsische Minister Ihnen schon vorher mit pomphaften Erzählungen kund gegeben.

Weil es mir aber dennoch scheint, daß Sie sich darüber beklagten, daß ich Ihnen mein Vorhaben verschwiegen habe, finde ich mich gemüßigt Ihnen aus Bürgerpflicht, wie jeder welcher verzieht seinen Nachbarn es anzeigt, anzuzeigen, daß ich meine Wohnung verändert habe. Ich muß deshalb bemerken, daß ich aus Ueberdruß über mein langes und vieles Herumreisen, welches ich wie Sie wissen gethan habe, endlich zu dem Schluß gekommen bin, mir ein Plätzchen in Corsica zu erwählen; da dies nun in Ihrer Nachbarschaft liegt, nehme ich mir die Freiheit Ihnen durch dieses Schreiben meine Visite abzustatten. Ihr Commissarius zu Bastia wird, wenn er Sie nicht wie seine Vorgänger betrügt, Sie von meiner besondern Bemühung, eine hinreichende Truppenzahl nach besagter Stadt zu schicken, um ihr diese unsre neue Nachbarschaft vollkommen zu erkennen zu geben, versichern können.

Weil aber das Wegziehn zwischen Nachbarn oft wegen Gränzscheidung, Durchzug oder sonst Streit erregt, so will ich deshalb weiterer Complimente mich enthalten, sondern mit Ihnen gleich von unsern Angelegenheiten reden, um so mehr als man mich von verschiedenen Orten her versichert, daß Ihnen unsre neue Nachbarschaft sehr lästig sei, daß Sie dieselbe bitter schmähen und sie aller Pflicht zuwider sogar gänzlich ablehnen. Die von Ihnen gegebene Erklärung, daß Ihr Nachbar ein Störer der allgemeinen Ruhe und des Friedens und ein Volksverführer sei, ist die sonnenklarste Lüge, welche man nicht nur hie und da sondern vor der ganzen Welt als Wahrheit ausgibt, obwol Jedermann weiß, daß der Friede und die Ruhe schon vor sieben Jahren aus Corsica verbannt gewesen sind, und daß Sie erst durch Ihre Regierung dieselbe gestört und dann durch Grausamkeit verbannt haben. Diese Staatsmaximen haben unter dem Scheine den Frieden zu befördern die armen Corsen in ein Blutbad gestürzt.

Dies war Ihr Verhalten und so haben Sie aus Corsica den Frieden und die Ruhe verjagt, nachdem sie durch den Kaiser mit so großer Mühe war wieder hergestellt worden. Ihr frevelvoller und hartnäckiger Pinelli verleitete das Volk, und in solchem Zustande habe ich es gefunden, nachdem ich nur wenige Tage hier zu wohnen gekommen bin. Warum aber wird die Schuld von dem, was Sie selbst verbrochen haben, auf mich gewälzt? In welchem Gesetze hat man gelesen, daß ein so einfältiger Nachbar als ich bin, des Hochverrats schuldig sein könne? Verräterei setzt eine durch gröblichsten Frevel gebrochne Freundschaft voraus, welcher unter dem Scheine von Freundschaft begangen wird. Gesetzt nun, Sie wären von mir gröblichst beleidigt, was für eine Freundschaft hat wol unter uns beiden bestanden? und wann bin ich Ihr Freund gewesen? der Himmel verhüte es, daß ich mir je einfallen ließe einer Nation Freund zu sein, die so wenig Freunde hat!

Aber man will mit aller Gewalt beweisen, daß ich das Verbrechen der beleidigten Majestät begangen habe. Schon der Gedanke an eine so gräßliche Beschuldigung erschreckt mich. Allein nachdem ich ernstlich nachgeforscht habe, wo dero Majestät sich herschreibe, so habe ich mich dadurch wieder beruhigt, daß ich trotz meines ernstlichen Nachforschens, sie nirgends angetroffen habe. Sagen Sie mir doch, haben Sie solche Majestät von Ihrem Dogen überkommen, oder aus dem Meere erbeutet, da Sie Ihre Stadt den Mahomedanern zu einem Schutzorte überlassen und aus Gewinnsucht so viel Türken herbeigezogen haben, daß sie völlig zugereicht hätten, die ganze Christenheit zu überwältigen? Vielleicht haben Sie diese Majestät auf Ihren Schultern aus Spanien gebracht, oder sie muß irgend wie in Ihr Land aus England zu Schiff angekommen sein, welches durch einen englischen Kaufmann an einen Ihrer Landsleute, der gerade zum Dogen erwählt war, abgesandt worden war und einen Brief mitgebracht hatte, dessen Adresse also lautete: An den Herrn, Herrn N. N. Dogen von Genua und Kaufmann von allerhand Waaren.

Sagen Sie mir doch im Namen Gottes, woher Sie die Würde einer Monarchie und den Fürstentitel gewonnen haben, da Ihre Republik vordem nichts anderes gewesen ist als eine Zunft gewinnsüchtiger Piraten! Haben denn seit vielen hundert Jahren andere Personen in Ihren Ratsversammlungen gesessen, als solche, die bürgerliche Aemter verwalten? und sind es diese, von denen Sie Ihre Majestät erhalten haben? Ist nicht der Name eines Herzogs, den Sie Ihrem Dogen geben, ein ungebürlicher Titel? Ich bin versichert, daß die Gesetze und Grundartikel Ihrer Republik so eingerichtet sind, daß Niemand ein Fürst sein kann, als das Gesetz selbst und daß Sie als die Handhaber und Administratoren desselben sich den Namen eines Souveräns ungebürlich zulegen und das Volk mit eben so wenig Grund Untertanen heißen, da es ja mit Ihnen regieren muß, wie es auch in der That der Fall ist. Ob Sie nun gleich in Ihrem Lande, worauf Sie kein Recht haben, für jetzt noch in friedlichem Besitze bleiben, so kann ich doch nicht einsehn, daß es Ihnen mit Corsica eben so wol gehen müsse, wo das Volk, weil es offne Augen hat, auf seinen gerechten Forderungen besteht und gezwungen ist sich das Joch vom Halse zu schaffen. Ich für mein Teil bin fest entschlossen, mich zu einer Partei zu halten wie mir es die Vernunft und die Liebe zur Gerechtigkeit eingeben werden. Und weil Sie mich durch die ganze Welt als einen Betrüger aller und jeder Nationen ausgeschrieen haben, so habe ich mir jetzt vorgenommen einer Nation und das ist den unterdrückten Corsen durch die That das Gegenteil zu beweisen. So oft ich nun, indem ich Ihnen aus dieser Lüge heraushelfe, Sie betrügen kann, so werde ich es mehr als gerne thun und werde es Ihnen überlassen, wo Sie können ein Gleiches an mir zu thun.

Indessen glauben Sie sicher, daß meine Gläubiger das Ihrige wol erhalten werden, weil Ihre Habseligkeiten, welche mir die Corsen auf rechtmäßige Weise zum Präsent gemacht haben, zur Bezahlung meiner Schulden mehr als hinreichen. Doch sollte es mir leid sein, wenn ich Ihrer Republik die Härte, die sie in diesem Königreich verübt hat, nicht genugsam sollte vergelten können, weil alle Bezahlung dagegen nicht groß genug zu sein scheint.

Ich will nicht vergessen, ihnen hiermit auch zu vermelden, daß die Meinigen glückliche Fortschritte machen, alldieweil Sie wol werden gehört haben, daß ich so viel Truppen im Solde habe als zu zeigen nötig ist, ich sei nicht nur fähig aus dem Beutel anderer zu leben sondern auch geschickt genug, 10,000 Mann auf meine eignen Kosten zu unterhalten. Ob diese ihren vollständigen Sold und Proviant erhalten, mögen jene heldenmütigen Soldaten bezeugen, welche sich in den Mauern von Bastia eingeschlossen halten, weil sie nicht die Courage haben, im offnen Felde sich zu stellen, damit man sie in der Nähe beschauen könne.

Ich versichere übrigens, daß so sehr Sie auch meinen guten Ruf vor der Welt zu verunglimpfen sich Mühe geben, ich nicht fürchte, es möchte dies bei diesen Menschen den von ihnen eingebildeten Eindruck machen, und die Ducaten, welche sie erhalten, möchten nicht von größerer Wirkung sein, als alle Lästerungen, die Sie gegen meine Person fort und fort erfinden. Noch muß ich Sie um eine Gefälligkeit ersuchen, nämlich wenigstens dafür zu sorgen, daß sich in den zwischen meinen und Ihren Truppen etwa vorfallenden Gefechten doch Jemand von Ihren Landsleuten möge blicken lassen, welcher das Commando über sie führe, weil der wahre Heldenmut, den rechtschaffene Männer für ihr Vaterland hegen müssen, bei dergleichen Männern unstreitig anzutreffen ist. Aber ich glaube wol, daß ich die Erfüllung meiner Bitte nicht erreichen werde, weil Sie sämmtlich mit Ihren Wechselbriefen, Wucher- und Handelsgeschäften so viel zu schaffen haben, so daß der Geist der Tapferkeit bei Ihnen keinen Platz finden kann. Deshalb vermeine ich auch ganz und gar nicht, daß Sie mit Ihren Truppen jemals Ehre einlegen werden, weil diejenigen welche sie anführen sollten, weder Zeit noch Tapferkeit genug besitzen, sie nach dem Beispiel anderer großmütiger Nationen ins Feld zu führen.

Gegeben im Lager vor Bastia, am 10. Juli 1736.

Theodorus. Sebastiano Costa, Staatssecretär
und Großkanzler des Königreichs.

Dieses höhnende Schreiben mußte die Republik Genua allerdings auf das Tiefste kränken. Aber so ist der Lauf der Dinge, die stolze Beherrscherin der Meere war gesunken, ein kleines Volk vor ihren Toren schreckte sie mit Waffengewalt, ein fremder Glücksritter ließ straflos seinen Spott an ihr aus.

Die Wahl war am 15. April 1736 in Alesani vollzogen und Theodor auf Lebenszeit zum Könige ernannt worden; die Krone sollten seine männlichen Nachkommen erben, nach dem Recht der Geburt und des Alters, in Ermanglung ihrer sollten auch die Töchter erbfähig sein. Hatte er selbst keine Leibeserben, so sollten seine Anverwandte auf den Tron gelangen. Aber die Corsen gaben ihrem König nur den Titel, sie bewahrten ihre Verfassung.

Ich habe nicht gehört, daß der neue Herrscher daran dachte, dem Lande eine Königin zu geben, die Zeit eilte vielleicht zu sehr. Er richtete sich in dem bischöflichen Hause zu Cervione nach den Umständen ein, umgab sich mit Wachen und mit fürstlichen Formen, und spielte so gut den König, als ob er im Purpur wäre geboren worden. Wir wissen schon, daß er einen prächtig klingenden Hofstaat einführte und Grafen, Marchesi und Barone schuf. Die Menschen und ihre Leidenschaften sind sich überall gleich. Man kann sich als König empfinden in den düstern Stuben eines Dorfs, wie in den Prunksälen des Louvre, und ein Herzog von Chokolade oder Marmelade am Hof eines schwarzen Königs wird seinen Titel mit kaum minderem Stolz tragen, als ein Herzog von Alba. Man sah in Cervione auch Menschen sich herzudrängen, welche an den Stralen der neuen Sonne sich erwärmen wollten und Titel und Gunst begehrten; in dem schmutzigen Bergdorf, in einem verwitterten Hause, welches ein königlicher Palast war, weil es nun so hieß, spielten Ehrgeiz und Selbstsucht so gut ihre Rolle, wie an jedem andern Hof der Welt.

Einer der Akte königlicher Machtvollkommenheit Theodors war auch die Stiftung eines Ordens, denn ein König muß Orden verteilen. Wie ich schon erzählt habe, hieß er »von der Befreiung.« Die Ritter sahen sehr schön aus. Sie trugen ein azurblaues Kleid und ein Kreuz; mitten in diesem stand ein Stern, darin die Figur der Gerechtigkeit eine Wage in der Hand. Unter ihr sah man einen Triangel, in dessen Mitte ein T.; in der andern Hand hielt die Gerechtigkeit ein Schwert, unter welchem man eine Kugel mit darauf befindlichem Kreuze sah. In den Ecken des Ordenszeichens waren die Wappen der königlichen Familie angebracht. Jeder Ritter mußte dem König Gehorsam zu Wasser und zu Lande schwören; täglich zwei Psalmen singen, den vierzigsten: Herr unsre Zuflucht, und den siebzigsten: auf dich, o Herr, hab' ich gehofft.

Die sehr selten gewordnen Münzen Theodors in Gold, Silber und Kupfer zeigen auf der einen Seite sein Brustbild mit der Umschrift: Theodorus D. G. unanimi consensu electus Rex et Princeps regni Corsici; auf der andern: Prudentia et industria vincitur Tyrannis. Auf einigen Münzen sieht man eine von drei Palmen getragene Krone mit den Buchstaben T. R., auf der Rückseite die Worte pro bono publico Corso.

Auch dem Scharfrichter gab Theodor das nötige Hofamt und manchen Mann ließ er hinrichten, weil er ihm gefährlich schien. Besonders verdarb er es mit seinen Untertanen, nachdem er einen angesehenen Corsen Luccioni de Casacciolo hatte enthaupten lassen; auch warf man ihm vor, daß er auf die Tugend corsischer Mädchen einige Versuche gemacht habe, deren Berechtigung nicht in der Wahlcapitulation stand. Aber ein paar Jahre hindurch hingen ihm die Corsen mit großer Treue an. Dieses arme Volk hatte in seiner Verzweiflung nach einem König verlangt wie einst die Juden einen solchen begehrt hatten, damit er sie von den Philistern erlöse. Als Theodor zum ersten Mal hinweggegangen war, erließen sie diesen Aufruf:

Wir
Don Louis Marchese Giafferi und Don Giacinto Marchese Paoli,
erste Minister und Generale Seiner Majestät des Königs Theodor
unseres Souveräns.

Kaum haben wir die Briefe des Königs Theodor I., unsres Herrn, erhalten, so haben wir um seinen Befehlen zu gehorsamen alle Völker der Provinzen, Städte, Flecken und Castelle des Königreichs in die Stadt zu Corte berufen, um eine Generalversammlung abzuhalten betreffs der Anordnungen und Befehle unseres vorgenannten Souveräns. Die Versammlung war allgemein wie von dem einen Teil der Berge so von dem andern. Alle haben mit Befriedigung und Unterwürfigkeit die Befehle Seiner Majestät aufgenommen, gegen welche sie einmütig den Eid der Treue und des Gehorsams als gegen ihren legitimen und obersten Herrn erneuert haben. Sie haben gleicher Weise desselben Erwählung zum Könige von Corsica für ihn und seine Descendenten bestätigt, wie das schon in der Convention von Alesani unverbrüchlich ist stipulirt worden.

Zu dem Ende thun wir kund allen denen so es angeht und endlich der ganzen Welt, daß wir beständig eine unverletzliche Treue gegen die königliche Person Theodors des Ersten bewahren werden, und daß wir entschlossen sind als seine Untertanen für ihn zu leben und zu sterben, und niemals einen andern Herrn denn ihn und seine legitimen Descendenten zu erkennen. Aufs neu schwören wir aufs heilige Evangelium, in allen Stücken den Eid der Treue zu halten, im Namen des hier versammelten Volkes.

Und auf daß gegenwärtiger Act alle Kraft und erforderliche Autenticität habe, haben wir ihn in die Kanzelei des Königreichs registriren lassen und haben ihn unterzeichnet mit unserer eignen Hand und bekräftigt mit dem Insiegel des Königreichs.

Gegeben in Corte, am 27. December 1737.

Aehnliche Erklärungen wurden auch im Jahre 1739 wiederholt, als Theodor unter großem Jubel des Volkes wiederum in Corsica landete. Bei dieser zweiten Landung wäre er bald lebendig verbrannt worden. Ein deutscher Capitän Wigmanshausen, welcher sein Schiff befehligte, war von den Genuesen bestochen worden, dasselbe in die Luft zu sprengen. In der Nacht wachte Theodor mehremale auf, es war ihm als würde er lebendig verbrannt. Da fiel es ihm ein mit seinen Dienern in die Cajüte des Capitäns zu gehen, welchen er gerade beschäftigt fand, Zurüstungen zu treffen, um das Pulvermagazin des Schiffs anzuzünden. Er verurteilte ihn auf der Stelle zum Feuertod, dann verwandelte er das Urteil dahin, daß der Capitän am Mast seines Schiffes gehängt werden solle, was augenblicks geschah. So hatte Theodor in seiner kurzen Herrscherlaufbahn auch ein Attentat erfahren müssen.

Seine weiteren Schicksale in Corsica kennen wir. Nachdem er vergebens seine Krone wieder zu gewinnen gesucht hatte, ging er nach England zurück. Einen wunderbaren Lebenstraum ließ er hinter sich, in welchem er sich auf einem wilden Eiland eine Krone auf dem Haupt, und ein Scepter in der Hand gesehen hatte, Marquis, Grafen, Barone, Cavaliere, Kanzler und Großsiegelbewahrer um ihn her. Nun saß er als ein Bettler im Londner Schuldturm, wohin ihn seine Gläubiger geworfen hatten, und gedachte an den Königsroman seines wechselvollen Wanderlebens und klagte mit nicht weniger Gefühl und Pein, daß er nun als Martirer in der Gefangenschaft englischer Kaufleute schmachten müsse, als Napoleon später im englischen Kerker zu St. Helena klagte. Auch Theodor war eine gefallne Größe und eine tragische Person. Der Minister Walpole sammelte milde Beiträge zu Gunsten des armen Corsenkönigs und befreite ihn aus seinem Kerker. Zum Dank schenkte ihm Theodor das Großsiegel seines Reichs. Auch er starb wie Paoli und wie Napoleon auf dem Boden Englands, im Jahre 1756. Auf dem Kirchhof zu Westminster liegt er begraben. Er war ein Mann wunderlich verwegen, phantastisch genial, unerschöpflich in Planen, ausdauernder als sein seltnes Glück, und von allen tapfern Abenteurern der preiswürdigste, weil er für die Freiheit eines kühnen Volks Kopf und Arm verwandte. Die grellsten Gegensätze des Lebens, Königsherrschaft und Schuldturm, in welchem ihm das Brod fehlte, hatte er an sich erfahren. Wir Deutsche wollen ihm einen Platz unter den Braven unsres Volks gern bewahren, und dieses kleine Erinnerungsmal setzte ich meinem tapfern Landsmann, sein Andenken wieder zu erneuern.


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