Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Neuntes Kapitel.

Das von den Signoren zur Verzweiflung getriebene Volk wandte sich nach Boccanera's Abgange hülfesuchend nach Genua. Die Republik sandte Tridano della Torre auf die Insel. Er zwang die Barone und regierte sieben volle Jahre kräftig und in Frieden.

Hier tritt der zweite bedeutende Mann aus dem Geschlecht der Cinarca auf, Arrigo della Rocca, jung, kräftig, ungestüm, zum Herrschen geboren, hartnäckig wie Giudice, ebenso unerschöpflich in Ratschlüssen und gleich gewaltig in Waffen. Schon sein Vater Guglielmo hatte mit den Genuesen in Kampf gelegen, war aber von ihnen erschlagen worden. Der Sohn nahm den Kampf auf. Erst unglücklich verließ er sein Vaterland und wanderte nach Spanien, dem Hause Aragon seine Dienste anzutragen und es aufzustacheln, die Rechte in Anspruch zu nehmen, welche ihm der Papst zuerkannt hatte. Während Arrigo's Abwesenheit war Tridano umgebracht worden, die Signoren hatten sich empört, die Insel sich in zwei neue Parteien Caggionacci und Ristagnacci gespalten, und der blutigste Krieg war ausgebrochen.

Da erschien im Jahre 1392 Arrigo della Rocca so gut wie gar nicht gerüstet und gleichsam auf seine eigne Hand in Corsica, und wie er sich zeigte, lief ihm das Volk zu. Lionello Lomellino und Aluigi Tortorino waren damals Governatoren, in drangvoller Zeit zwei auf einmal. Sie versammelten einen Landtag in Corte, ratend und abmahnend. Arrigo indeß war schnell auf Cinarca gerückt, hatte die genuesischen Truppen geschlagen, stand vor Biguglia der Residenz des Gouverneurs, stürmte den Ort, versammelte das Volk und ließ sich zum Grafen von Corsica ausrufen. Bestürzt wichen die Befehlshaber nach Genua zurück, alles Land in den Händen der Corsen lassend mit Ausnahme von Calvi, Bonifazio und San Columbano.

Arrigo regierte die Insel vier Jahr lang unbestritten, kraftvoll, gerecht, doch grausam. Vielen, selbst seinen eigenen Verwandten ließ er die Köpfe abschlagen. Vielleicht erbitterte diese Härte, vielleicht war es der corsische Parteigeist, der ihm einen Teil des Volkes abwendig machte. Die Herren vom Cap Corso erhoben sich zuerst, im Einvernehmen mit Genua; doch zwang sie Arrigo mit den Waffen und drückte mit eisernem Arm jede Empörung nieder. Er führte in seinem Banner einen Greifen über dem Wappen von Aragon, ein Zeichen, daß er die Insel in den Schutz Spaniens gestellt habe.

Genua war in Verlegenheit. So viele Jahre hatte es um Corsica gekämpft und nichts gewonnen. Die Zeitumstände banden der Republik die Hände, so daß sie Corsica aufgeben zu wollen schien. Da vereinigten sich fünf Nobili zu einer Actiengesellschaft und machten dem Senat den Antrag, ihnen die Insel zu überlassen mit allem Vorbehalt der Oberhoheit von Seiten der Republik. Es waren die Herren Magnera, Tortorino, Fiesco, Taruffo, Lomellino. Sie nannten sich die Gesellschaft Mahona, ein jeder von ihnen Governator von Corsica, denn der genuesische Senat hatte in den Vertrag gewilligt.

Mit tausend Mann kamen sie auf die Insel, wo ihrer schon die mit Arrigo mißvergnügte Partei wartete. Sie richteten wenig aus, wurden vielmehr von dem tapfern Manne so sehr in die Enge getrieben, daß sie daran dachten sich gütlich mit ihm zu vergleichen. Arrigo ging auf den Vorschlag ein, ergriff aber nach kurzer Zeit wiederum die Waffen, weil er sich getäuscht sah, und nach einem blutigen Kampf schlug er die Mahona aus der Insel heraus. Eine Streitmacht, welche Genua darauf abschickte, war glücklicher. Sie nötigte Arrigo zum zweiten Mal auszuwandern.

Er ging wieder nach Spanien vom aragonischen König Unterstützung zu erlangen. Johann gab ihm bereitwillig zwei Galeeren und einiges Kriegsvolk, und so erschien der kühne Krieger nach zwei Monaten wiederum in Corsica. Er überwand und fing den genuesischen Governator Zoaglia und bemächtigte sich der ganzen Insel bis auf die festen Plätze Calvi und Bonifazio. Dies geschah im Jahr 1394. Die Republik schickte neue Befehlshaber und neue Truppen. Was nicht dem Schwert gelang, gelang dem Gift. Arrigo della Rocca starb plötzlich im Jahre 1401. Zu eben dieser Zeit erlag Genua dem französischen Könige Carl dem Sechsten. Er ernannte Lionello Lomellino zu seinem Lehnsgrafen der Insel. Es ist derselbe, welchem Corsica die Gründung seiner größten Stadt Bastia verdankt. Diese wurde Sitz der Governatoren, nachdem es vorher das nahegelegene Schloß Biguglia gewesen war.


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