Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Vierzehntes Kapitel.

Sampiero war in Bastelica geboren, einem Ort der oberhalb Ajaccio liegt; nicht aus alter Familie entsprossen, sondern Sohn unbekannter Eltern. Man nennt als seinen Vater Guglielmo Enkel Vinciguerra's. Andere nennen die Porri als seine Familie.

Gleich anderen jungen Corsen ging Sampiero früh auf das Festland, bei fremden Herren Sold zu nehmen. Wir finden ihn im Dienst des Cardinals Hippolyt von Medici, unter den schwarzen Banden zu Florenz, und bald machte er alle Welt durch seine Waffenthaten wie durch den Adel seines Wesens von sich reden. Den Medici war er Schwert und Schild im Kampf gegen die Pazzi. Aus ihren Diensten als Bandenhauptmann trat er, um für seinen thatenlustigen Geist ein größeres Feld zu suchen, unter die Fahnen Franz des Ersten von Frankreich. Der König machte ihn zum Obersten eines Corsenregiments. Bayard wurde sein Freund und Carl von Bourbon ehrte seine ungestüme Tapferkeit und seine kriegerische Einsicht. »An einem Schlachttage, so sagte der Connetabel, gilt der Corsenoberst 10,000 Mann.« In vielen Schlachten, vor mancher Feste zeichnete sich Sampiero aus, und sein Ruf war gleich groß beim Feinde wie beim Freunde.

Ganz dem Krieg zwischen Frankreich und Spanien hingegeben, hatte er doch Auge und Ohr für sein Vaterland, von dem oft Stimmen zu ihm drangen, welche ihm das Herz bewegten. Er kam im Jahr 1547 nach Corsica, ein Weib aus seiner Heimat zu nehmen, und er nahm es aus einem der ältesten Häuser jenseits der Berge. Obwol er ohne Ahnen war, galt doch dem Francesco Ornano Sampiero's Ruhm und Manneskraft als ein nicht zu verachtendes Adelsdiplom; der stolze Corse gab ihm sein einziges Kind, die schöne Vannina, und mit ihrer Hand das Erbe der Familie.

Kaum sah der Governator der genuesischen Bank Sampiero, in welchem er den grimmigsten Feind ahnte, in seinem Bereich zu Bastia, als er wider alles Recht ihn überfallen und in den Turm werfen ließ. Der französische Gesandte in Genua forderte und erhielt seine Freilassung. So war der ihm angethane Schimpf für Sampiero ein persönlicher Antrieb mehr, den langgenährten Haß gegen Genua und den heißen Wunsch sein Vaterland zu befreien, zur That zu fördern. Der Krieg zwischen Frankreich und Carl dem Fünften gaben ihm bald dazu Gelegenheit.

Heinrich der Zweite, Gemal der Catharina von Medici, tief verwickelt in die italienischen Angelegenheiten, im heftigen Krieg mit dem Kaiser und verbündet mit den Türken, welche eine Flotte ins westliche Mittelmeer abzusenden im Begriff standen, ging auf den Plan einer Unternehmung gegen Corsica ein. Ein doppelter Zweck schien damit erreichbar; einmal wurde hier Genua bedroht, und weil diese Republik, seitdem sie Andrea Doria vom Franzosenjoch befreit hatte, mit Carl dem Fünften enge verbunden war, auch der Kaiser selbst bekriegt; endlich bot die Insel einen trefflichen Anlehnungspunkt für die vereinigte französische und türkische Flotte. So bekam der Marschall Thermes in Italien, wo seine Truppen Siena besetzt hielten, den Befehl sich an die Eroberung Corsica's zu machen.

Sampiero begehrte nichts als der Befreier seines Landes zu sein, er stellte Thermes die sichern Erfolge der Unternehmung vor, und sie wurde schnell ins Werk gesetzt. Die Franzosen durften nur landen, um das corsische Volk augenblicklich in Waffen zu rufen. Der Haß gegen die Herrschaft der genuesischen Kaufleute war seit dem Falle Renuccio's bis aufs äußerste gestiegen. Er hatte seinen Grund nicht allein in dem unzerstörbaren Freiheitsgefühle der Nation, er hatte ihn auch in materiellen Dingen. Denn sobald die Bank ihrer Gewalt sicher geworden zu sein schien, mißbrauchte sie dieselbe. Man hatte den Corsen alle ihre Rechte genommen, den Syndicat, die Zwölfmänner, die alte Gemeindeobrigkeit. Das Recht war feil, der Mord frei, wenigstens wurde der Mörder in Genua beschützt und mit Freibriefen versehn. Alle Schrecken der Blutrache wurzelten deshalb fest und unaustilgbar.

Sampiero hatte den Corsen Altobello de' Gentili auf die Insel geschickt, die Stimmung des Volks zu erhorchen; seine Briefe und die Hoffnung auf ihn entzündeten dort eine wilde Freude. Man zitterte der Ankunft der Flotte entgegen. Thermes und der Admiral Paulin, dessen Geschwader sich bei Elba mit der Türkenflotte unter Dragut vereinigt hatte, segelten gegen Corsica im August 1553. Mit ihnen war auch der tapfere Piero Strozzi und seine Companie, doch nicht auf lange, mit ihnen die Hoffnung der Corsen Sampiero, Giovanni Ornano, Rafaele Gentili, Altobello, alle racheglühend und voll Begierde sich im Blut der Genuesen zu baden.

Sie landeten an der Renella bei Bastia. Sampiero zeigte sich kaum auf den Mauern der Stadt, welche man mit Sturmleitern erstiegen hatte, als das Volk die Tore aufriß. Ohne Säumen ging man an die Eroberung der anderen festen Plätze und des Innern. Paulin legte sich vor Calvi, der Türke Dragut vor Bonifazio, Thermes zog auf San Fiorenzo, Sampiero auf Corte, die wichtigste Veste im Innern. Auch hier zeigte er sich kaum, als das Volk ihm die Tore öffnete. Alles Land wurde wie im Triumf erobert, nur Ajaccio, Bonifazio und Calvi trotzten auf ihre Lage. Nicht Paulin zur See noch Sampiero zu Lande konnten Calvi erschüttern. Man hob die Belagerung auf und Sampiero eilte vor Ajaccio zu erscheinen. Lamba Doria rüstete sich hier zur äußersten Verteidigung, aber das Volk that dem Befreier die Stadt auf. Man plünderte die Häuser der Genuesen; doch so heilig zeigte sich auch hier das corsische Naturgesetz der Großmut und der Gastfreundschaft selbst gegen Feinde, daß viele Genuesen Schutz bei ihren Hassern fanden, in deren Dörfer sie gingen das Gastrecht anzuflehen. Francesco Ornano nahm Lamba Doria selbst in sein eignes Haus auf.


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