Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Viertes Kapitel.

Corsica war im Besitz der Römer geblieben, von welchen es auch in späterer Zeit das Christentum empfing; bis der Sturz Roms die Insel aufs neue zu einer Beute meer- und landdurchfahrender Völker machte. Hier gibt es denn neue Völkeranschwemmungen und ein buntes Gemisch von Sprachen und Sitten, wie in der ältesten Zeit.

Es sind Germanen, byzantinische Griechen, Mauren, Romanen, welche die Insel überziehn. Doch hat sich das Romanische, ausgeprägt durch die Römer, verstärkt durch Scharen flüchtiger Italiener, als Grundcharakter der Corsen schon festgestellt. Die Vandalen kamen unter Genserich und behaupteten die Insel lange Zeit, bis sie Belisar vertrieb. Nachdem auch Gothen und Longobarden eingedrungen waren, fiel sie mit Sardinien in die Gewalt der Byzantiner und blieb beinahe zweihundert Jahre lang in ihrem Besitz. Aus dieser Zeit schreiben sich viele griechische Namen und Wurzeln her, welche Land und Sprache noch heute aufweist.

Die Herrschaft der Griechen war von türkischer Art. Sie schienen die Corsen als eine Heerde von Wilden anzusehn: sie belasteten sie mit unerschwinglichen Abgaben und zwangen sie um die Geldsummen aufzubringen selbst ihre Kinder zu verkaufen. Es beginnt nun für Corsica die Zeit unablässiger Kämpfe um die Freiheit des vaterländischen Bodens.

Im Jahre 713 erschienen die ersten Saracenenschwärme auf der Insel. Seit Spanien maurisch geworden war, überzogen die Muhammedaner alle Inseln des Mittelmeers mit Raub und Plünderung und gründeten an vielen Stellen langdauernde Herrschaften. Die griechischen Kaiser gaben den Westen preis, welcher hierauf an den Franken neue Schutzherren fand. Daß Carl der Große mit Corsica oder mit den Mauren daselbst zu thun hatte, geht auch aus seinem Geschichtschreiber Eginhard hervor, welcher erzählt, daß der Kaiser seinen Grafen Burkhard mit einer Flotte ausschickte, um Corsica gegen die Saracenen zu verteidigen. Auch sein Sohn Carl schlug sie bei Mariana aufs Haupt. Diese Kämpfe mit den Mauren haben sich in Sagen des Landes erhalten. In ihnen glänzt namentlich der römische Edle Hugo Colonna, Rebell gegen den Papst Stefan IV., welcher ihn nach Corsica schickte, um ihn und seine Genossen Guido Savelli und Amondo Nasica los zu werden. Colonna eroberte zuerst Aleria nach einem ritterlichen Kampf zwischen drei Paladinen und drei Mauren. Darauf schlug er den Mohrenkönig Nugalon bei Mariana und zwang alles heidnische Volk der Insel zur Taufe. Der corsische Chronist gibt diesem Hugo Colonna einen Neffen des Ganelon von Mainz zum Begleiter, und läßt ihn nach Corsica kommen, um die Schuld seines Hauses im Mohrenblut abzuwaschen.

Nun heißt es, daß der toscanische Markgraf Bonifacius, nachdem er die Saracenen bei Utica vernichtet hatte, heimkehrend an der Südspitze Corsica's landete und auf dem Kreidefelsen daselbst eine Festung baute, welche von ihm den Namen Bonifacio erhielt. Dies geschah im Jahre 833. Ludwig der Fromme übertrug ihm Corsica als ein Lehn. So macht die etrurische Küste zum zweiten Mal ihre Herrschaft über die nahe Insel geltend. Es steht fest, daß die toscanischen Markgrafen bis auf Lambert, den letzten in ihrer Reihe, Corsica verwaltet haben. Lambert starb im Jahre 951.

Nachdem hierauf Berengar und Adalbert von Friaul über die Insel geherrscht hatten, gab sie der Kaiser Otto der zweite dem Markgrafen Hugo von Toscana, seinem Anhänger. Die weiteren Umstände sind dunkel und bis auf die Herrschaft der Pisaner unentwirrbar.

In dieser Zeit etwa bis auf den Anfang des elften Jahrhunderts hat sich auch in Corsica, wie in den italienischen Ländern, ein trotziger Adel ausgebildet und in vielen Herrschaften verbreitet. Nur zum geringsten Teil mochte er corsischen Ursprunges sein. Vor den Barbaren geflüchtete italienische Große, longobardische, gothische, griechische oder fränkische Vasallen, Krieger die als Lohn für den Kampf gegen die Mauren Land und Lehenstitel sich erworben hatten, bildeten sich nach und nach zu erblichen Dynasten aus. Der corsische Chronist leitet alle diese Signoren von jenem Römer Hugo Colonna und seiner Genossenschaft her. Er macht ihn zum Grafen Corsica's und läßt von seinem Sohn Cinarco die berühmteste Signorenfamilie, die Cinarchesi, abstammen, von einem anderen Sohne Bianco die Biancolacci, von Pino einem Sohne Savelli's will er die Pinaschi ableiten, und so gibt es Amondaschi, Rollandini, Nachkommen des Ganelon und andere. Aus diesem Gewühl kleiner Tyrannen traten später einige Familien mächtig hervor, auf dem Cap Corso die Gentili und die Herren da Mare, jenseits der Berge die Herren von Leca, von Istria und Rocca, die von Ornano und von Bozio.


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