Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Vôcero

auf den Tod der Romana, Tochter der Dariola Danesi von Zuani.

(Die Mutter singt:)
        Seht, nun liegt sie auf der Tola,
Ach! mein Kind von sechzehn Jahren,
Meine Tochter, die so lange
Schmerz und Leiden hat erfahren,
Ach! in ihrem schönsten Kleide,
In dem weißen, schleierklaren.

Ach! in ihrem schönsten Kleide
Will sie nun von hinnen gehen,
Läßt der Herr sie doch nicht länger
Hier auf dieser Erde stehen.
Wer geschaffen ist zum Engel
Soll nicht lang auf Erden gehen.

Ach! wo sind auf deinem Antlitz
Nun die Rosen, meine Wonnen?
Seine Klarheit, seine Schöne
Ist im Tode all zerronnen.
Schau ich's an, will es mir scheinen
Eine Finsterniß der Sonnen.

Ach! du warest zwischen Jungfraun
Und den allerschönsten Schönen
Wie die Rose zwischen Blumen,
Wie der Mond, den Sterne krönen,
Und so mußten dich, o Tochter,
Alle Schönsten noch verschönen.

Wenn vom Dorf die jungen Leute
Vor dein Angesicht gekommen,
Schienen sie wie Fackelbrände,
Die von Feuer sind erglommen,
Und zu allen warst du höflich,
Dir zu nah durft' Keiner kommen.

In der Kirche thäten alle
Nur alleine nach dir spähen,
Von dem Ersten bis zum Letzten;
Aber du thatst keinen sehen.
War die Messe kaum zu Ende,
Sprachst du: Mutter, laß uns gehen.

Ach! du warst so hoch gehalten,
Ach! du warst so hochgeehret,
In den Lehren von dem Herren
Warst du auch so hochgelehret.
Alles andre als zu beten
Hast dem Herzen du verwehret.

Wer wird je mich trösten können,
Du mein Stolz und du mein Prangen,
Da der Herr dich hat gerufen,
Und zu ihm du bist gegangen.
Ach! warum trug auch Herr Jesu
Nach dir also heiß Verlangen!

Doch du ruhst jetzt in dem Himmel
Lächelnd aus von den Beschwerden.
War ja auch dein liebes Antlitz
Viel zu schön auf dieser Erden.
O! wie wird das Paradies nun
Um so vieles schöner werden.

Doch für mich wird diese Erde
Voller sein von schweren Plagen,
Und zu tausend Jahren wird mir
Schon ein Tag von meinen Klagen,
Wenn ich dann nach dir, o Tochter,
Alle Leute werde fragen.

Bei Verwandten ohne Liebe,
Bei den Nachbarn ohne Pflege,
Wer wird mir das Antlitz trocknen,
Wenn ich krank mich niederlege?
Wer wird mir zu trinken geben,
Wenn im Fieber ich mich rege?

Wenn ich doch nur sterben könnte,
So wie du der Welt enthoben!
O du meiner Seelen Hoffnung,
Die im Jammer ist zerstoben.
Ach! dann würd' ich dich noch finden,
Mit dir leben noch dort oben.

Bitte drum den Herren Jesu,
Laß er mich von hinnen jagen,
O du meiner Seelen Hoffnung,
Denn so kann ich's nicht ertragen,
Und so kann ich ja nicht enden,
Ach! nicht enden meine Klagen.


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