Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Achtes Kapitel.

Pisa trat die Insel an Genua ab, und dreißig Jahre nach dem Tode Giudice's fügten sich auch die Terra del Commune und der größte Teil der Signoren in diese Oberhoheit. Das Gemeindeland schickte Boten an den genuesischen Senat und sprach seine Unterwerfung mit der Bedingung aus, daß die Corsen keine andere Abgabe als zwanzig Soldi für jede Feuerstelle zahlen durften. Der Senat nahm dies an, und so ging im Jahr 1348 der erste genuesische Landpfleger auf die Insel. Es war Boccanera, ein Mann dessen Kraft und Einsicht gerühmt wird, und welcher während seiner einjährigen Verwaltung dem Lande Ruhe gab. Kaum aber war er von seinem Posten zurückgekehrt, als die Factionen aufs neue ihr Haupt erhoben. Denn die Herrschaftsrechte Genua's waren nicht unbestritten, weil der Papst Bonifazius der Achte schon im Jahre 1296, in Kraft der vorgeblichen Lehnsrechte des päpstlichen Stuls, Corsica und Sardinien dem König Jacob von Aragon zuerteilt hatte. Eine neue Macht, Spanien, in grauen Zeiten an Corsica beteiligt, schien ihren Einfluß auf die Insel geltend machen zu wollen, und so fanden diejenigen Corsen an dem Hause Aragon einen Rückhalt, welche die Herrschaft Genua's nicht anerkennen wollten.

Die nächste Periode zeigt auch die blutigsten Kämpfe der Signoren gegen Genua. Gleich nach dem Tode des Giudice war so viel Verwirrung entstanden und das Volk in so große Not geraten, daß der corsische Chronist sich verwundert, wie es sich nicht allgesammt erhob und auswanderte. Die Barone übten tyrannische Gewalt, einige auf ihre Faust, andere indem sie an Genua Tribut zahlten. Alle suchten zu herrschen, zu erpressen. Die Auflösung der Ordnung erzeugte damals eine schwärmerische Secte von Communisten, eine merkwürdige Erscheinung auf dem wilden Corsica, welche zu gleicher Zeit auch in Italien sichtbar wurde. Diese Secte machte sich unter dem Namen der Giovannali furchtbar. Sie entstand in dem Ländchen Carbini jenseits der Berge. Ihre Urheber waren Bastarde des Guglielmuccio, zwei Brüder Polo und Arrigo, Herren von Attalà. »In ihr, so erzählt der Chronist, waren die Weiber wie die Männer, und ihr Gesetz enthielt, daß alle Dinge gemein sein sollten, sowol die Weiber als die Kinder als Hab und Gut. Vielleicht wollten sie jenes goldne Zeitalter erneuern, von dem die Poeten dichteten, daß es zur Zeit des Saturn bestanden habe. Diese Giovannalen übten gewisse Büßungen auf ihre Weise aus und kamen Nachts in den Kirchen zusammen um ihre Opfer zu verrichten, wobei sie denn gemäß gewisser abergläubischer Vorstellungen und falscher Ceremonien, welche sie verrichteten, die Lichter verbargen und auf die unanständigste Weise sich ergötzten der eine mit dem andern, so mit dem Weib wie mit dem Mann, je nachdem sie Lust hatten. Polo war derjenige, welcher dies teuflische Volk leitete, das sich wunderbar zu vermehren anhob, nicht allein diesseits sondern auch jenseits der Berge allenthalben.«

Der Papst schickte Truppen nach Corsica; die Giovannalen, denen viele Signoren beigetreten waren, erlagen in ihrer Veste Alesani. Wo man einen Sectirer antraf, ward er todtgeschlagen. Gewiß ist diese Erscheinung merkwürdig; es ist möglich, daß die Idee von Italien herübergebracht wurde, und nicht auffallend, daß sie unter den zerrütteten Corsen, welche die Gleichheit der Menschen als etwas Natürliches betrachteten, eine so wunderbare Verbreitung fand, wie der Chronist sagt. Niemals schlug sonst kirchliche Schwärmerei oder gar Pfaffenherrschaft im Volk der Corsen Wurzel, und wenigstens von diesen Plagen blieb ihre Insel verschont.


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