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Theodor von Neuhoff.
Abenamar, Abenamar, Moro de la Moreria, El dia que tu naciste Grandes señales avia. |
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Maurische Romanze. |
In Aleria war es, wo am 12. März 1736 Theodor von Neuhoff landete, der in Corsica die Reihe der Emporkömmlinge eröffnen sollte, welche der neuesten Geschichte Europa's einen mittelalterlich romantischen Zug geben.
Ich sah also an jenem Morgen hier diesen phantastischen Glücksritter, wie ich ihn abgebildet gesehn in einem noch nicht herausgegebenen genuesischen Manuscript aus dem Jahr 1739: Accinelli, historisch-geografisch-politische Denkwürdigkeiten des Königreichs Corsica. Dieses Manuscript ist im Besitz des Herrn Santelli zu Bastia, welcher mir gern Einsicht in dasselbe verstattete, mir aber nicht erlauben wollte, einige Briefe daraus abzuschreiben, die ich indeß später doch aufgefunden habe. Mit welchem Sinn der Genuese seine Schrift verfaßt hat, sagt das Motto auf derselben, welches die Corsen so benennt: Generatio prava et exorbitans. Bestiae et universa pecora – schlechtes und freches Volk, Bestien und alles Viehzeug. Er hat den Theodor in Wasserfarben nach dem Leben gemalt, in maurischer Kleidung, dazu Perrücke und Hütchen, Schleppsäbel und Rohrstock. Er steht gravitätisch am Meer, aus welchem man eine Insel herausragen sieht.
Man kann den Theodorus von Corsica auch schön abgebildet finden in einem deutschen Büchlein vom Jahre 1736, welches in Frankfurt gedruckt worden ist unter dem Titel: »Nachricht von dem Leben und Thaten des Baron Theodor von Neuhofen, und der von ihm gekränckten Republic Genua, herausgegeben von Giovanni di S. Fiorenzo.«
Die Vignette zeigt Theodor in spanischer Tracht. Im Hintergrund sieht man eine ummauerte Stadt, wahrscheinlich Bastia, und vor derselben auf das Vergnüglichste dargestellt drei Menschen, von denen der eine am Galgen hängt, der andre gespießt ist und der dritte im Begriffe ist sich vierteilen zu lassen.
Das Erscheinen Theodors in Corsica und seine romanhafte Ernennung zum Könige der Corsen beschäftigte damals alle Welt. Dies geht schon aus jenem deutschen Büchlein hervor, welches noch in demselben Jahr 1736 erschien. Da es zugleich das einzige deutsche Buch ist, welches ich zu meinen Studien über die Corsen benutzt habe, so will ich Einiges daraus mitteilen.
Dies ist die Beschreibung der Insel Corsica aus jener Zeit:
»Es ist Corsica eine der größten Insuln des mittelländischen Meeres, über der Insul Sardinien gelegen. Sie ist etwa 25. teutsche Meilen lang und 12. breit. Der Lufft nach wird sie nicht eben allzugesund gehalten; doch ist das Land ziemlich fruchtbar, ob es gleich mit vielen Bergen und steinigten Gegenden untermischet ist. Die Einwohner haben den Ruhm, daß sie muthig und in Waffen hurtig sind; alleine man saget ihnen zugleich nach, daß sie sehr boshafft, rachgierig, grausam und räuberisch sind. – Nächst dem haben sie den Ruff, daß sie grobe Corsicaner genennet werden, welchen Charakter ich ihnen auch nicht streitig machen werde.«
Die Nachricht von der Landung Theodors wurde nach dem Büchlein durch Briefe aus Bastia unter dem 5. April also mitgeteilt:
»In dem Hafen von Aleria ist jüngsthin ein Englisch Schiff, welches dem Consul selbiger Nation zu Tunis gehören soll, und mit demselben eine, dem Ansehen nach, sehr vornehme Person angelanget, die einige für einen Königlichen Printzen, andere für einen Englischen Lord, und noch andere für den Prinzen Ragotzy ausgeben. So viel hat man Nachricht, daß er sich zur Römischen Religion bekennet, und den Namen Theodor führet. Seine Kleidung ist nach Art der Christen, die in die Türkey reisen, und bestehet in einem langen Scharlachnen gefütterten Rocke, Peruqve und Huth, nebst Stock und Degen. Er hat ein Gefolge von 2 Officieren, einem Secretario, einen Prediger, einen Ober-Hof-Meister, einen Hof-Meister, einen Küchen-Meister, 3 Sclaven und 4 Laqvayen bei sich, auch hier nächst 10 Canonen, über 7000 Flinten, 2000 paar Schuhe, und eine große Menge von allerhand Vorrath, darunter 7000 Säcke Mehl, ingleichen verschiedene Kisten mit Gold- und Silber-Species, darunter eine starcke mit Blech beschlagen mit silbernen Handhaben, voller gantzen und halben Zechinen, aus der Barbarey ans Land bringen lassen, und wird der Schatz auf 2 Millionen Stuck von Achten gerechnet. Die Anführer der Corsen haben denselben mit großen Ehren-Bezeugungen empfangen, und ihm den Titel Ihro Excellentz und eines Vice-Königs beigeleget; wie er dann bereits 4 von den Corsen zu Obersten ernennet, und iedem Monatlich 100 Stück von Achten bestimmet, hiernächst 20. Compagnien errichtet, iedem Gemeinen ein Feuer-Rohr, ein paar Schuhe und eine Zechine reichen lassen, ein Capitain aber bekommt vorietzo monatl. 11 Stück von Achten, und wenn die Compagnien in völligem Stand seyn werden, 25. Seine Residentz hat er zu Campo Loro in dem Bischöfflichen Palast genommen, vor welchem 400 Mann mit 2 Canonen Wache halten. Es verlautet hiernächst, daß er sich nach Casincha, ohnweit St. Pelegrino begeben würde, und erwarte er nur noch einige große Kriegs-Schiffe, welche gegen den 15. dieses ankommen sollen, um die Genuesen mit aller Macht zu Lande und zur See anzugreiffen; zu welchem Ende er noch viele Compagnien errichten wird. Man versichert, daß er von einigen Catholischen Potentaten in Europa abgeschicket worden, die sein Unternehmen auf alle Weise unterstützen wollen; daher man zu Genua in die äusserste Furcht gesetzet ist, und die Sache der Genueser auf dieser Insul so gut als für verlohren ansiehet. Einige neuern Nachrichten fügen hinzu, daß vorermeldeter Fremder seinen Hof-Staat immer mehr auf das prächtigste einrichte und jedesmal von einer Garde in die Kirche begleitet werde, auch einen, Namens Hyacinth Paoli, zu seinem Schatz-Meister, und einen der Vornehmsten zu Aleria zum Ritter ernennet habe.«
Nun war man eifrig bemüht, den Lebensumständen Theodors nachzuforschen. Nach dem romantischen Spanien und nach Paris wiesen hauptsächlich seine Abenteuer und seine Verbindungen. Doch hier ist ja ein Brief aus unsrem Büchlein, welchen ein westphälischer Edelmann an seinen Freund in Holland den Baron Theodor betreffend schreibt.
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Jugendroman aus dem Leben Theodors von Corsica,
dargestellt in einem Briefe.
»Mein Herr!
Ich mache mir ein allzu grosses Vergnügen Euch in allem, so von mir abhanget, ein Genügen zu leisten, als daß ich Euch dasjenige, so mir von dem Leben eines Menschen, der beginnet in der Welt ein Aufsehen zu machen, bewust ist, nicht sollte zu wissen thun.
Ihr habet, mein Herr, in den Zeitungen gelesen, daß Theodor von Neuhoff, dem die Corsen die Krone angetragen, in Westphalen in einem dem König in Preußen zugehörigen District geboren. Dieses ist wahr, und ich kann solches um so viel leichter mit bezeugen, weil er und ich mit einander studirt, und einige Jahre in einer vertrauten Freundschaft gelebet haben. Wir haben fast diejenigen Exempel vergessen, so uns das Alterthum von Personen mittelmäßigen Standes, die den Thron bestiegen, angegeben; allein Kuli Cham in Persien, und Neuhoff in Corsica erneuern selbige wieder bey uns. Dieser letztere ist zu Altena, einem klein Städtchen im Westphälischen, geboren, wohin sich seine Mutter bei einem Edelmann aus ihrer Freundschaft begeben, nachdem sie ihren Mann zu frühzeitig verloren, welcher sie im Wittwenstand und Schwangerschaft mit dem Theodor hinterlassen.
Sein Vater war Hauptmann unter der Leib-Garde des Bischoffs von Münster, und sein Groß-Vater, welcher unter den Waffen grau geworden, hatte ein Regiment unter dem großen Bernhard von Galen commandiret. Bey dem Tode seines Vaters waren seine häuslichen Geschäffte sehr verworren, und ohne seinen gutthätigen Vetter, welcher sie aufgenommen, würden sie in einem betrübten Zustande gewesen seyn. Als er zehen Jahr alt war, brachte man ihn in das Jesuiter Collegium zu Münster, dem Studiren obzuliegen, wo er in kurzer Zeit gute Progressen machte. Ich kam ein Jahr darnach in dasselbige Collegium, und wie die Güter seines Vaters an die meinigen gräntzeten, so hatten wir schon in der ersten Kindheit eine Freundschafft unter uns errichtet, welche sich in der Folge aufs genaueste befestigte. Er war von einer Leibes-Gestalt, die sein Alter überstiege, und seine lebhaffte und feurige Augen zeugten schon von seinem Muth und Herzhafftigkeit. Er war sehr fleißig und unsere Lehrer stelleten ihn uns beständig zum Exempel vor. Das was bei andern Schülern Mißgunst erregte, machte mir ein Vergnügen, und erweckte in mir das Verlangen, ihm in seinem Fleiß nachzufolgen. Wir blieben sechs Jahr beisammen zu Münster, und da mein Vater unsere genaue Vereinigung erfahren, nahm er sich vor, um mich nicht von ihm zu trennen, ihn zu meinem Reise-Gesellen zu machen, und ihm die Mittel, dabey ehrlich auszukommen, zu geben.
Man schickte uns nach Cöln, um daselbst unser Studiren und Exercitien fortzusetzen. Es däuchte uns unter einem neuen Clima zu seyn, da wir von dem eingeschränckten Wesen der Schul-Tyranney befreyet waren und anfingen die süsse Freyheit zu schmecken. Vielleicht hätte ich selbige gemißbrauchet, wenn mein kluger Gefährte mich nicht von allen Arten eines liederlichen Lebens klüglich abgehalten hätte. Wir waren bey einem Professor in der Kost, dessen Frau, obschon etwas bey Jahren, war von einem aufgeweckten Gemüth, und ihre zwey Töchter eben so aufgeweckt als schöne, verknüpfften diese beyden Eigenschafften mit einer sehr klugen Aufführung. Nach dem Abendessen belustigten wir uns ordentlich einige Stunden mit Spielen, oder wir gingen in einen Garten, den sie am Thore der Stadt hatten, spatzieren.
Diese anmuthige Gesellschafft dauerte bey nahe zwey Jahre, als sie durch die Ankunfft des jungen Grafen von M***, den sein Vater in dasselbe Haus, da wir logirten, that, gestöret wurde. Er hatte einen Hofmeister, der ein Cölner von Geburt war, und da er seit langen Jahren daselbst seine heimliche Gänge hatte, so verließ er zum öfftern seinen Untergebenen, selbigen nachzuhangen. Als wir sahen, daß ihm zuweilen die Zeit lang wurde, waren wir zum Unglück die ersten, die dem jungen Grafen den Vorschlag thaten, in unsere Gesellschafft mit einzutreten, welchen er mit Vergnügen annahm.
Theodor hatte allezeit seinen Platz zwischen denen zweyen Schwestern gehabt, und ich den Meinigen zwischen der jüngsten und ihrer Mutter. Man ward genöthiget eine andere Einrichtung zu machen, und aus Hochachtung für der Würde des Grafen, ihm die Stelle einzuräumen, welche der Baron von Neuhoff bis dahin inne gehabt. Ich wurde offt gewahr, daß mein Camerad gegen die älteste Schwester verliebte Augen machte, und daß, wenn sich ihre Augen einander traffen, die Schöne aus Sittsamkeit sich entferbte. Sie war eine artige Brunette, ihre Augen waren schwartz, und ihre Farbe von einer ungemeinen Weisse. Der Graf blieb nicht lang ohne äusserst verliebt in sie zu werden, und wie die Augen eines Verliebten viel besser als anderer sehen, so wurde Theodor bald gewahr, daß er der Mariana (so hieß dieses angenehme Mädgen) zu gefallen suchte, und geriethe darüber in ein tiefes Nachsinnen.
Was fehlet euch, werthester Freund? fragte ich ihn an einem Abend beim Schlaffengehen, ich finde euch seit einigen Tagen gantz in euren Gedancken vertieffet, ihr habet das aufgeweckte Wesen nicht mehr, welches eure Unterredung so angenehm machte, ihr müsset nothwendig von einem innerlichen Verdruß angegriffen seyn. Ach! mein liebster Frennd, antwortete er mir, ich bin unter einem unglücklichen Stern geboren, ich habe niemals meinen Vater gekannt, es ist niemand als ihr, der die Zufälle meines Lebens erleichtert, welches ohne euch noch unglücklicher seyn würde.
Aber warum machet ihr anietzo, versetzte ich, diese traurige Betrachtungen? mein Vater wird für euer Glück sorgen, und ihr selbst seyd vermögend dasjenige zu ersetzen, was euch das Glück entzogen. Bekennet es, Theodor, es ist ganz was anders so euch beunruhiget, und wo ich mich nicht irre, haben die schöne Augen der Mariana schon allzuviel in eurem Hertzen gewirket.
Ich kann es nicht läugnen, war seine Autwort, und ich bin wohl gesonnen, euch alle meine Schwachheit zu bekennen. Ihr wisset, mit wie viel Vergnügen wir diese zwey Jahre mit diesen liebenswürdigen Mädgens zugebracht haben. Mein Hertz lenckte sich gleich nach der Mariana, und indem ich meynte weiter nichts als eine zärtliche Hochachtung gegen sie zu haben, werde ich itzt gewahr, daß sie mir die allerheftigste Liebe eingegeben. Die Ankunfft des jungen Grafens giebet mir solche zu erkennen, ich nehme mehr als zu viel wahr, die Aufwartung so er ihr machet, und das Vorrecht seiner Geburt, für der meinigen, lässet mich fürchten, daß er dieselben Vorzüge auch in der Zuneigung der schönen Mariana finden möge. An der Eiffersucht so ich empfinde, erkenne ich wie hefftig ich sie liebe, ich vergesse darüber Essen und Trinken, ich bringe die Nacht ohne Schlaff zu, und dieses zusamt dem Liebes-Feuer, so mich verzehret, muß mich gantz und gar über den Hauffen schmeissen.
Aber, mein lieber Theodor, sagte ich ihm, wie könnet ihr euch, da ihr sonsten so klug seyd, von einer Leidenschafft einnehmen lassen, welche keine andere als gantz betrübte Folgerungen vor euch haben kann. Mariana ist nicht von einem Stande, daß ihr sie heyrathen könnet, und sie hat zu viel Tugend, sich euch auf eine andere Art zu überlassen. Lasset uns unsere Wohnung verändern, bey Entfernung des Gegenstandes, so euch entzündet, werdet ihr nach und nach dessen Andencken verlieren. Alles was ihr saget, hat guten Grund, versetzte mir Theodor, aber seit wann habt ihr gehöret, daß die Liebe raisoniret, und wisset ihr nicht, daß in diesem Fall, wie in denen, so die Ehre betreffen, man niemand als sein Hertz zu rathe ziehet. Ich kann mich nicht von der Mariana abziehen, ohne meiner selbst zu vergessen, die Wunde ist schon so tief, daß sie nicht mehr kann geheilet werden. Allein was werden eure Freunde sagen, fuhr ich fort, wenn ihr euch mit ihr in so starcke Verbindungen einlasset, daß man keine Mittel mehr haben wird, selbige zu hintertreiben. Euer Glücke beruhet auf ihnen, sie werden nicht unterlassen, ihre gutthätige Hände von euch abzuziehen, und euch derjenigen Erbschafft berauben, die ihr einsmals von ihnen zu gewarten habet.
Sie können thun, sagte er mir, alles was sie wollen, vor mich, ich werde niemals aufhören, die anbetenswürdige Mariana zu lieben.
Wir wünschten uns hierauf eine gute Nacht, ich schlief ein, allein Theodor brachte die Nacht nicht so ruhig zu. Ich fande ihn den Morgen so verändert und so abgemattet, daß ich unser den Abend gehabtes Gespräche nicht wieder anfangen mochte. Wir kehrten zu unsern studiren und Exercitien, und fanden uns Abends nach Gewohnheit bey unsrer kleinen Versammlung ein. Man zog ihn, wegen seiner verwirrten Gedancken, ein wenig auf, er schützte Kopf-Wehtage vor, und bath, man möchte ihn mit Spielen verschonen. Er bemerckte während dem Spiel die Augen der Mariana und des Grafen, er glaubte darinnen ein gewisses Liebesverständniß zu entdecken, welches ihn vollends zur Verzweiflung brachte. Wir begaben uns hinweg, und beym Eintritt in unser Zimmer sagte er, wohlan, zweifelt ihr noch an der Liebe, so Mariana und der Graf gegen einander hegen? Sie haben sich hundert verliebte Augen zugeworffen, er hat ihr beim Hinweggehen etwas ins Ohr gesaget, mein Unglück ist allzugewiß. Ich habe nicht alles dieses bemercket, versetzte ich ihm, die Eiffersucht hat euch vielleicht die Sache in einer gantz andern Gestalt gezeiget als mir.
Zwei oder drei Tage verstrichen unter dergleichen Reden. Unser Professor gab uns und anderen Personen, bey Gelegenheit der Mariana Namens-Tag, ein Gastmahl in seinem Garten. Der Graf hievon berichtet, hatte ihr des Morgens ein Bouquet nebst einer kostbaren Diamanten-Rose verehrt. Es brauchte nichts mehr, den Theodor außer sich selbst zu bringen, er verfiel in ein schwermüthiges Stillschweigen, er aß fast nichts während der gantzen Mahlzeit; das Kopf-Weh mußte ihm wieder zu Hülffe kommen, man stund von der Tafel auf, und nach einigen Spatzier-Gängen fieng man den Ball an. Der Graf eröffnete selben mit der Mariana, welche wie es nothwendig seyn mußte, Ball-Königin war. Theodor wollte nicht tantzen, sondern spatzierte die ganze Nacht im Garten herum. Der Ball währte bis an den Morgen, da wir nach Haus zurück kehrten.
Ich gieng in mein Zimmer, mein Camerad war unten im Hof zurück geblieben, und da er den Grafen daselbst fand, nöthigte er ihn den Degen zu ziehen. Ich hörte das Klingeln der Degen, lief aufs Geschwindeste herunter, allein ich kam zu spät, er hatte dem Grafen schon den tödtlichen Stich beygebracht, und sich durch die Hinter-Thür mit der Flucht gerettet. Ihr könnet urtheilen von dem Schmertzen und dem Bestürtzen, so diese That in dem ganzen Hause verursachet. Man brachte den armen Grafen auf sein Bette, wo er zwey Stunden hernach verschied. Weder ich noch seine Freunde konnten erfahren, wo er hingekommen, und wir hätten es auch niemals erfahren, ohne die Briefe, die er uns vor einigen Monaten aus der Insul Corsica schrieb.«
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Was von dem Leben Theodors, ehe er nach Corsica kam, verlautete, und das ist natürlich bei der Natur dieses Mannes unsicher und widersprechend, zeigt ihn uns als einen der hervorragendsten und glücklichsten aus der Reihe der Abenteurer des achtzehnten Jahrhunderts. Die Erscheinung solcher Menschen, wie Cagliostro, Saint Germain, Law, Theodor, Casanova, Königsmark ist ein höchst merkwürdiger Widerspruch zu ihren großen Zeitgenossen Washington, Franklin, Paoli, Pitt, Friedrich dem Großen. Indem diese die Grundlagen einer neuen Staaten- und Gesellschaftsordnung legen, kündigen jene wie flatternde Sturmvögel die Bewegung der Geister an.
Man erzählt, daß Theodor Page bei der berühmten Herzogin von Orleans wurde und zum vollendeten Hofmann sich ausbildete. Seine Proteus-Natur trieb ihn in die verschiedensten Bahnen. In Paris verschaffte ihm der Marquis Courcillon eine Officierstelle. Er wurde ein leidenschaftlicher Spieler; dann entfloh er, um sich vor seinen Gläubigern zu retten, zu dem Baron von Görtz nach Schweden, und nach der Reihe tritt er in Verbindung mit den ränkevollen und genialen Ministern jener Zeit, mit Ripperda, Alberoni, endlich mit Law, welche mehr oder minder denselben Charakter der Glücksritter auch auf die Politik übertrugen. Theodor wurde der Vertraute Alberoni's und gewann in Spanien so großen Einfluß, daß er sich ein beträchtliches Vermögen zusammenraffte, bis Alberoni stürzte und er wieder auf den Sand geriet. Er klammerte sich nun an Ripperda, und heiratete ein Hoffräulein der Königin von Spanien. Elisabeth Farnese, Meisterin aller Ränke, hatte ein hohes Spiel gespielt, um ihrem Sohne Don Carlos ein Königreich in Italien zu verschaffen: all' dies geschah in abenteuerlicher Weise. Die Welt war damals voll von Emporkömmlingen, Prätendenten, Phantasten und Glücksjägern. Man kann ihrer eine ganze Reihe zusammenstellen und dies auf politischem Boden: Don Carlos, Carl Stuart, Rakotzy, Stanislaus Lesczinski, die Creatur des großen Abenteurers Carl von Schweden, außer den schon genannten Staatsmännern die Emporkömmlinge Rußlands, Menczikof, Münnich, Biron; Mazeppa und Patkul gehören auch noch in den Anfang der großen Reihe. Zugleich war es die Zeit des entschiedenen Weiberregiments in Europa. Wir sehen also, auf welchem Boden unser Theodor stand.
Sein Weib war eine Spanierin, doch wie es scheint aus irländischem oder englischem Geschlecht, eine Verwandte des Herzogs von Ormond. Sie scheint nicht gerade ein Ausbund von Schönheit gewesen zu sein. Theodor verließ sie, und man will wissen, nicht ohne ihre Juwelen mitgenommen zu haben.
Er ging nach Paris, wo er sich bei Law einzuschmeicheln wußte und mit Hülfe der Mississippi-Actien sich eine Menge Geld erschwindelte. Eine »Lettre de Cachet« half ihm wieder auf die Wanderschaft, und so trieb er sich in allen Ländern der Welt alles versuchend umher, in England, namentlich in Holland, wo er allerlei Plane schmiedete, spielte und Schulden machte. Wie er nach Genua kam, habe ich in der Geschichte der Corsen erzählt; vielleicht machte ihm seine Schuldenlast eine Krone sehr wünschenswert. Und so haben wir das ergötzliche Schauspiel, einen Mann plötzlich als gekrönten Herrscher dastehn zu sehn, welcher vor kurzem vielleicht auch seinen Schneider unter seinen Gläubigern zählte. Solche Dinge sind in Zeiten möglich, in denen die Grundlagen der staatlichen Ordnung bis ins Tiefste erschüttert sind; dann spürt man sofort romantische Lüfte in der Welt wehen, und das Unmöglichste darf wirklich werden.
Wir wissen, daß Theodor nach Genua kam, mit verbannten Corsen dort und in Livorno Verbindungen anknüpfte, den Gedanken faßte König der Corsen zu werden und nach Tunis ging. In der Berberei wurde er gefangen, deshalb nahm er später eine Kette in sein königliches Wappen auf. Sein Genie befreite ihn nicht allein, sondern verhalf ihm auch zu den Mitteln, mit denen ausgerüstet er plötzlich in Corsica landete. Kaum dem Gefängniß entronnen, wurde er König.
Aus Corsica schrieb er den folgenden Brief an seinen westphälischen Vetter, den Herrn von Drost; diesen Brief sowol als alle andern Documente, die ich mitteile, las ich im Manuscript des Genuesen Accinelli und fand ich abgedruckt als authentische Aktenstücke in dem dritten Bande Cambiaggi's; auch das kleine deutsche Buch gibt sie, und so will ich das Schreiben nach seinem Text und nicht nach einer Uebersetzung aus dem Italienischen wiedergeben, weil er möglicherweise die deutsche Abfassung des Theodor sein kann.
»Mein Herr, und Hochgeehrtester Herr Vetter.
Die Hochachtung und Gütigkeit, welche Ew. Excellenz von der zartesten Jugend an vor mich getragen, machen mir die Hoffnung, daß Sie noch beständig mich mit einem Antheil ihres Andenckens und Wohlwollens beehren. Obwohl ich wegen der Unordnung und Derangements, die von einigen Mißgünstigen verursachet worden, und vielleicht auch wegen meiner natürlichen Begierde und Neigung, unbekannter Weise zu dem Ende Reisen zu thun, damit ich nehmlich dereinst nach meiner Absicht dem Nächsten nützlich seyn möchte, so viele Jahre unterlassen, Ihnen von meinem Zustande Meldung zu thun; so bitte ich doch zu glauben, daß Sie jederzeit in meinem Gedächtniß gegenwärtig gewesen, und ich keine andere Ambition gehabt, als in dem erwünschten Stand in mein Vaterland zurück zu kehren, da ich vermögend wäre, gegen meine Wohlthäter und Freunde danckbar zu seyn, und die wider mich ausgebreitete ungerechte Calumnien zu zernichten. Endlich aber kan ich als ein aufrichtiger Freund und guter Anverwandter nicht ermangeln, Ihnen zu eröffnen, daß es mir nach vielen Verfolgungen und Widerwärtigkeiten gelungen, persönlich in dieses Königreich Corsica zu kommen, und das Anerbieten der hiesigen getreuen Einwohner, da sie mich zu ihrem Oberhaupt und König erkläret und aufgenommen, zu acceptiren: so daß, weil ich nach vielen seit zweyen Jahren ihrentwegen gethanen grossen Aufwand, erlittener Gefangenschaft und Verfolgung, nicht mehr im Stande gewesen, mehrere Reisen zu thun, um sie einmahl von der tyrannischen Beherrschung der Genueser zu befreyen; Ich mich endlich nach ihren Verlangen in dieses Land begeben, und als König erkannt und proclamiret worden; Und ich hoffe unter Göttlichem Beystand mich dabey zu erhalten. Ich würde mich glücklich schätzen, mein werther Vetter, wenn Sie mich durch Uebersendung einiger aus meiner Freundschaft erfreuen, und trösten wolten, damit ich sie nach Zufriedenheit employiren, und Ihnen an meinem Glück Theil geben möchte: Welches Glück ich durch die auf meinen Reisen erlangte Vortheile, durch göttliche Hülffe, zur Ehre Gottes, und zum grossen Nutzen meines Nächsten noch herrlicher zu machen hoffe. Es wird Ihnen wohl nicht bekannt seyn, daß ich das Unglück gehabt, voriges Jahr auf dem Meer gefangen und als ein Sclave nach Algier geführet zu werden: Daraus ich mich aber dennoch zu retten gewußt, gleichwohl dabei einen grossen Verlust erlitten &c. Ich muß indessen auf eine andere Zeit verschieben, Ihnen zu melden, was ich durch die Gnade Gottes erworben; Und vorietzo nur bitten, daß Sie auf mich so viel Rechnung als auf sich selbst machen, und versichert seyn können, daß ich die aufrichtigen Kennzeichen der von Jugend an mir in größtem Maaß erwiesenen Freundschaft in mein Hertze eingezeichnet, und ich mich auf Alle Weise bemühen will, Ihnen würckliche Merkmahle meiner aufrichtigen Ergebenheit, womit ich Ihnen allstets zugethan seyn werde, zu geben; indem ich von gantzem Herzen der Ihrige und ein treuer Freund und Vetter bin.
Den 18. Mart. 1736.
Der Baron von Neuhoff,
erwehlter König in Corsica, unter dem Namen Theodor der Erste.
P. S. Ich bitte, Sie wollen mir Bericht von Ihrem Zustand geben, und von meinetwegen alle die werthe Familie und Freunde grüssen; Und gleichwie meine Erhebung ihnen zur Ehre gereichet; So hoffe ich, sie werden insgesamt zu meinem Besten beytragen helffen, und zu mir kommen, um mir mit Rath und That beyzustehen. Weil ich auch in vielen Jahren keine Briefe von meinen Freunden aus dem Brandenburgischen empfangen, so erlauben Sie, daß ich Ihnen beyliegenden Brief mit dem Ersuchen übersende, um selbigen nach Bungelschild zu befördern, und mir Nachricht zu ertheilen, ob mein Oheim noch am Leben ist und was meine Vettern zu Rauschenberg Gutes machen.