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Umgegend von Sartene.
Rings um Sartene stehen wüste Berge, unter denen nach Norden zu sich der Incudine und der Coscione erheben. Der Coscione ist berühmt durch seine Weiden, welche von den herrlichen Quellen Bianca und Viola durchrieselt werden. Hieher treiben die Hirten von Quenza Sommers ihre Herden, und Winters steigen sie nach der Küste von Porto Veccchio hinab. Einer dieser Berge ist ein wunderlich geformter Fels, von Gestalt ein Gigant, der sein plumpes Riesenhaupt in die Wolken streckt. Man nennt ihn den Mann von Cogna. Im Gebiet Sartene's stehen auch einige Ueberreste von Menhirs und Dolmens, jenen uralten Mälern der Heiden, welche sich auf den Mittelmeerinseln und in den celtischen Ländern finden. Sie bestehen aus Säulensteinen, die im Kreise aufgestellt sind; man nennt sie Stazzone. So geringe Ueberreste dieser sabbäischen Bauten Corsica aufbewahrt hat, so reich ist daran Sardinien. Ich habe die Stazzone von Sartene nicht mehr sehen können, und bedaure das schmerzlich.
Auf den Bergen rings umher liegen manche Ruinen von Schlössern des tapfern Rinuccio und des berühmten Giudice della Rocca. Das Lehn dieser alten Signoren lag rings um Sartene. Erinnerungen an Rinuccio bewahrt namentlich Santa Lucia de Tallano in dem alten und zerfallenen Franziskanerkloster, einer Stiftung dieses Herrn, mit welchem die Macht der corsischen Barone zu Grunde ging. In der Kirche zeigt man das Grab seiner Tochter Serena, die in Marmor da liegt, einen Rosenkranz in der Hand, von welchem ein Geldbeutel als Symbol ihrer Freigebigkeit herabhängt.
In dem Felsen bei S. Lucia findet sich auch der merkwürdige und nur Corsica eigene Granit, welchen man Orbicularis nennt. Er ist von graublauer Grundfarbe, aber in den Stein sind viele schwarze und weiß umrandete Augen eingesprengt, die überall an die Fläche kommen, wo man ihn durchschneidet. Ich sah vortreffliche Stücke davon; polirt nimmt sich dieser köstliche Granit sehr schön aus und läßt sich zu den seltensten Geräten verwenden. Er ist ein Kleinod in der reichen mineralogischen Schatzkammer der Insel. In der Kapelle der Mediceer zu Florenz, welche mit den seltensten Steinen ausgelegt ist, hat auch dieser Orbiculargranit seine Stelle gefunden.
Nordöstlich von S. Lucia liegt im Tal des Fiumiccioli der alte berühmte Canton Levie bis zum kleinen Golf von Ventilegne. Berge und Forsten bedecken ihn. Auch hier hausten alte Adelsgeschlechter, wie namentlich die Familie der Peretti, aus welcher Napoleon der Freund Sampiero's stammte, der erste dieses Namens, den die corsische Geschichte nennt, der aber nicht mit den Bonaparte verwandt war. Er fand seinen Tod in einer Genuesenschlacht.
Zu Levie gehört San Gavino de Corbini, ein Ort, welcher in der Geschichte der Corsen genannt ist, weil hier die Secte der Giovannalen ihren Hauptsitz hatte, jener Communisten, die auf der Insel so reißende Fortschritte machten, und gleichsam Vorläufer der Saint-Simonisten und der Mormonen waren. Es ist zu beklagen, daß uns die Chroniken des Landes nicht mehr vom Wesen dieser Gemeinde aufbewahrt haben.
Die Gastfreiheit der Sartener will ich, von dem Orte scheidend, herzlich rühmen. Ich erfuhr sie in der liebenswürdigsten Weise, und in der schlichten, traulichen Gesellschaft guter Menschen war mir recht wol. Sie wollten mich durchaus nicht fortlassen, ich sollte mit ihnen in die höchsten Berge das Wildschaf jagen, und vor allem in ihre Fruchtgärten um mich nach Herzenslust zu erquicken. Als ich nun in der Morgenfrühe hinweg wollte, geleiteten mich alle diese Braven, die mir Freundschaft erzeigt hatten, und Einer von ihnen – er war ein Vetter der unglücklichen Vittoria Malaspina – reichte mir zum Abschied ein Blatt Papier.
Wie ich das Blatt auseinander faltete, las ich darauf diese Worte geschrieben: »Dem Signor Ferdinando. Wenn Ihr in unsrem Lande je etwas bedürfen solltet oder Euch Unangenehmes widerführe, so erinnert Euch daß Ihr in der Stadt Sartene einen Freund habt. Alessandro Casanova.«