Otto Ernst
Semper der Mann
Otto Ernst

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LII. Kapitel.

Der Kunstmacher.

»Nun also. Sie wissen, daß Hübscher jetzt einen großen Verlag in Berlin hat, mit Filialen in München und Wien. Firma: Hübscher & Weber; aber Benjanim – ich sage immer Benja nim – ist, mit Erlaubnis zu sagen, die ›Seele‹ des Geschäfts. Benjanim Hübscher handelt auch mit Seife, das wissen Sie doch?«

»Ich habe keine Ahnung.« sagte Asmus.

»Also er handelt mit Seife und Literatur. Es ist eine Seife wie andere; er nennt sie aber – poetisch, wie er nun einmal ist – ›Lyraseife‹. Natürlich geht die Seife unter einer anderen Firma. Sie werden an allen Ecken der Welt gelesen haben: ›Strohmanns Lyra-Seife ist die beste!‹«

»Allerdings,« sagte Asmus. »Und das ist Hübscher?«

»Das ist Hübscher. Und sehen Sie: nach demselben Prinzip vertreibt er seine Verlagsartikel. ›Hübschers Literatur ist die beste!‹ Diesen Satz, sagte sich Hübscher, muß ich jedem Deutschen ins Gehirn brennen. Und da es gesetzliche Beschränkungen der Unlauterkeit wohl im Seifenhandel, aber nicht in der Kunst gibt, so ist Hübscher als Poesiehändler noch viel tatkräftiger denn als Seifenhändler. Der Seifenhändler darf fremde Seifen nicht verleumden; der Kunsthändler darf es. Jede Konkurrenz, die auch etwas erreichen könnte, sagte sich Hübscher, muß mit Nagelschuhen bearbeitet oder von hinten herum mit Gift um die Ecke gebracht werden. Selbstverständlich wird in dieser Zeit an der Börse Hübscher & Ko. nur Naturalismus gehandelt. Wenn Sie Hübscher hören, so decken sich Kunst und Naturalismus genau wie zwei Tausendmarkscheine. Kommt nach diesem eine romantische Periode – und sie muß kommen – und wird Romantik ›gefragt‹, so wird Benjanim natürlich rasender Romantiker. O, er ist viel zu gescheit, um nicht borniert zu sein, wenn dabei zu verdienen ist. Fremde Verdienste gibt's für Hübscher nicht; er kennt nur einen Verdienst. Zu diesem Zwecke hat er eine Zeitschrift, die nur eine Literatur kennt: die von Benjanim Hübscher. Aber das kann einen Geist wie Hübscher nicht ›ausfüllen‹. Wir werden es erleben, daß Hübscher Geld in 37 deutschen Zeitungen sitzen hat; bei dem sogenannten ›Hainmayer-Konzern‹ ist er schon stark beteiligt. Hübscher wird ferner Geld in 44 deutschen Theatern haben. Seine intelligenteste Erfindung, den ›Lektor‹, wird er ausbauen. Überall in deutschen Landen wird er Lektoren sitzen haben, die er gegen die Konkurrenz als Liktoren verwendet. Ein Lektor ist für die Welt ein Mann, der für den Verleger Manuskripte liest und prüft und dafür ein Gehalt erhält. Bei Hübscher wird es sich aber immer so treffen, daß der ›Lektor‹ zugleich Rezensent oder Berichterstatter für so und so viele Zeitungen ist. Die ganze Maschinerie ist dann furchtbar einfach: Hübschers Verlag druckt das, was Hübschers Theater spielen und was Hübschers Zeitungen loben. Hübschers Zeitungen loben, was Hübschers Verlag druckt und was Hübschers Theater spielen. Und Hübschers Theater spielen, was Hübschers Zeitungen loben und was Hübschers Verlag druckt. So beißt sich die Schlange in den Schwanz. Andere Theater und Zeitungen folgen dann dieser ›tonangebenden‹ Kritik von selbst, und mein Spezialkollege vom Katheder Professor Schafkowski wird – darauf halte ich jede Wette – eine ›Literaturgeschichte‹ aus Hübschers Waschzetteln zusammenkleben. Ein ›Lektor‹ hat natürlich viel zu viel Gemüt, um über Hübschers Stücke nicht mit Rosenöl und über die Stücke der Konkurrenz nicht mit Vitriol zu schreiben. Sollte er aber sich beikommen lassen. sich einen Rest von Redlichkeit aufzuheben und über einen Gegenstand aus Hübschers Laden nicht begeistert zu depeschieren, dann fliegt er auf der Stelle. Sie haben hier den Standard Oil-Trust in der Literatur. Und genial geschäftsmäßig faßt Hübscher die ganze Sache auf. Er sagte einmal –« hier unterbrach sich der Baron durch ein elementares Gelächter – »er sagte einmal, als ich ihm meine ironische Verwunderung aussprach, daß er so viele kleine Autoren verlege, die doch nicht viel einbrächten: ›Aah, was wollen Sie! Die kleinen Schafe geben auch Mist!‹ Sie haben hier die Grundformel seiner Ästhetik.«

Jetzt war es an Asmussen, sich vor Lachen annähernd auszuschütten. »Ja, ja, ›Lektor‹!« rief er stöhnend. »Dazu wollte er mich ja auch haben! Und wissen Sie, was der Mann zu mir sagte? ›Sie werden sehen: ich mach' Sie!‹ sagte der Mann. Ich genoß damals sein Wohlwollen. Er wollte mich ›machen‹. Diesen Anschluß hab' ich verpaßt! Überall, wo Hübschers Ware gelobt wird, erfolgt automatisch ein Schlammregen auf mich und meine Werke.«

»›Machen‹ das ist das richtige Wort. Passen Sie auf: Hübscher wird die deutsche Literatur machen – oh! er wird noch viel mehr machen!« rief der Baron und geriet in eine sarkastische Begeisterung über sein Zukunftsbild. »Er wird sich demnächst mit einem sinnesverwandten Kunsthändler verbinden; dann wird er Maler und Bildhauer machen. Er wird irgendeinen obskuren Maler des 15. Jahrhunderts entdecken, und in einem Jahre wird alle Welt überzeugt sein, daß Rembrandt im Vergleich zu dem ein Stubentüncher sei, und wird unserm Hübscher Millionen zahlen für die Bilder des armen, verkannten Genies, obwohl Benjanim keinen Cornelius von einem Hondekoeter unterscheiden kann. Hübscher macht auch Schauspieler. Da war ein unerträglicher Kerl, ein fader Süßling, den die Kritik und das Publikum mit gesundem Instinkt auf das entschiedenste ablehnten. Aber Hübscher hat einen Riecher; er sagte sich: das ist einer für Damen. Und er ›interessierte‹ sich für den Weibling, und heute ist er der übliche ›vergötterte Liebling‹, den jedes Theater für die reifere weibliche Jugend braucht. Was ist Richard Neville Graf von Warwick gegen Hübscher! Der machte Könige; aber Hübscher wird die deutsche Kultur machen!«

»Vergessen Sie nicht,« sagte Asmus, »er hat auch wirkliche Dichter, Dichter von Bedeutung, in seinem Verlag!«

»Gewiß hat er das,« bemerkte der Baron, »das sind die Lockvögel. Jedes Warenhaus muß ein paar Artikel führen, die gut und preiswürdig sind. Oh, Hübscher ist nicht nur schlau, er ist klug. Er hat auch in jedem Theater und in jeder Zeitung mindestens einen Germanen sitzen.«

»Haha!« – Asmus mußte laut herauslachen. »Sind denn die Germanen immer ›gut und preiswürdig‹? Ich könnte Ihnen da von sehr – aber von sehr anderen Erfahrungen berichten! Sie sind wohl Antisemit?«

»Nicht mehr, als wir alle es sind.«

»Nun, ich«, sagte Asmus, »mache auf diese Bezeichnung durchaus keinen Anspruch. Ich werde es immer für unedel halten, einen Menschen nicht nach seinem persönlichen Wert, sondern nach seiner Abstammung zu behandeln. Die Juden haben ihre Rassenfehler wie wir, und da sie große Tugenden haben, so besitzen sie auch große Fehler. Wenn die Fehler sich bemerkbar machen, wenn z. B. Herr Hübscher und seinesgleichen das deutsche Kunstpublikum einzuseifen versuchen, dann sollen wir Germanen einfach nicht so dumm sein, darauf hineinzufallen – das halte ich für die wirksamste Lösung der Judenfrage.«

»Ganz meine Meinung,« sagte der Baron.

»Die Juden befinden sich in einer Verteidigungsstellung, das ist doch nicht zu leugnen. Staat und Gesellschaft versagen ihnen gewisse Rechte, die andere genießen. In unserer ›Freien Stadt Hamburg‹, die doch so reich an großen Zügen ist, finden Sie an den höheren Schulen keinen Juden. Und gerade ich kenne unter meinen jüdischen Freunden ein paar glänzende, wahrhaft ideale Schulmeister! Was ist natürlicher, als daß die Juden sich wehren, wie sie können? Würden wir nicht dasselbe tun? Wer sich wehrt, hat meine Sympathie. Wenn die Juden sich mit üblen Mitteln wehren, z. B. durch eine niederträchtige Presse – die niederträchtigste handhaben nicht sie! – so sollen wir die Augen aufmachen und uns nicht betrügen lassen. Haben wir doch so viel mehr Augen als sie!« – –


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