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Robert Hamerling (1830-1889)

(Aus Hamerlings sämtlichen Werken, Hesse & Becker Verlag, Leipzig.)

1. Arabella.

Arabella, sag', schwarzlockiges Kind,
Da die Mägdlein doch küssen müssen,
Wen wirst denn du wohl im Leben zuerst
Nach deiner Mutter küssen?

Wem wirst du ihn geben, den ersten Kuß,
Du reizende Mädchenblüte,
Den reinen Kuß, der noch Liebe nicht ist,
Nur Ahnung und minnige Güte?

Wem wirst du ihn geben, den himmlischen Kuß,
Daß du nicht brauchst zu erröten?
Einem Engel vielleicht? Doch die küssen nicht,
Die lobsingen nur immer und flöten.

Wenn nun kein Engel heruntersteigt
Aus dem Kreise der himmlischen Lichter,
Um entgegenzunehmen den ersten Kuß –
Laß dir raten: gib ihn dem Dichter!

Und wenn du selber ein Engel wärst,
Der zu irdischen Au'n sich gewendet,
So viel du hast, so viel du gibst,
Bei dem Dichter ist nichts verschwendet.

Beim Dichter wirfst du dich nicht weg,
Brauchst nicht zu bereun, noch zu büßen!
Und wenn du die Göttin Cypra wärst,
Ihn müßtest zuerst du begrüßen!

Kein andrer Mensch auf Erden verdient's;
Wart nicht auf die Engel von oben:
Beim Dichter ist alles himmlische Glück
Am besten aufgehoben!

2. Beichte.

Das beste meiner Bücher,
Das hab' ich nie geschrieben;
Die schönsten meiner Lieder
Sind ungesungen geblieben.

Die feurigsten meiner Küsse,
Die hab' ich nie geküßt;
Die stolzesten meiner Gelüste,
Die hab ich nie gebüßt.

Sobald ich lieg im Sterben,
Ruft mir ein Pfäfflein her,
Dem will ich reuig es beichten,
Was mich drückt im Gewissen so schwer.

Die Sünden, die ich begangen,
Wird mir der Himmel verzeihn,
Doch die ich versäumt zu begehen,
Die werden mich ewig gereu'n.


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