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Hört, zu Florenz ein Ritter saß,
Der ein bewährter Weidmann was
Und mit dem Federspiel umstrich.
Einst fing er einen Kranich sich
Und seinem Koch den anbefahl,
Daß er ihn briete zum Abendmahl.
Dem Rittersmann und seinen Gästen
Bereitete der Koch zum besten
Den Kranich, tat Wurzelwerk daran
Und briet den feisten Braten dann.
Bald strömte aus der Küch heraus
Der Bratenduft durch Gass und Haus.
In dem des Koches Buhlschaft kam
Und bat den Koch ohn alle Scham,
Einen Kranichschenkel ihr zu schenken.
Der sprach: »Da ließ der Herr mich henken;
Geh hin, ich geb kein Stückchen dir.«
Sie sprach: »Versagst du die Bitte mir,
So ist es aus mit mir und dir.«
Da gab er einen Schenkel ihr.
Als man den Kranich trug zu Tisch
Wollt ihn der Herr zerlegen frisch:
Da hatt der Kranich nur ein Bein.
Gleich fordert er den Koch herein
Und sagt ihm ernst, daß er erkläre,
Wo der eine Schenkel geblieben wäre?
Der Koch vermochte nichts zu sagen
Und tat die Augen niederschlagen
Und sprach: Gestrenger Herre mein,
Ein Kranich hat doch nur ein Bein.«
Mit Zürnen sprach der Ritter da:
»Meinst du, daß ich noch keinen sah?«
Der Koch beschwor, es wäre wahr,
Er wollt das Ding beweisen klar.
So sprach der Koch aus großen Sorgen.
Der Ritter sprach: »Das sollst du morgen!
Wenn du das nicht beweisen tust
Am nächsten Baum du hängen mußt.«
Kein Schlaf des Nachts dem Koche ward:
Ihm bangt, der Herr bestraft ihn hart. –
Früh ritten sie zu einem See,
Wo Kraniche man traf von je.
Als sie dem Wasser kamen nah,
Zwölf Kraniche wohl der Koch ersah;
Ein jeder stand auf einem Bein.
Die zeigt er gleich dem Herren sein
Und sprach: »Jetzt seht die Wahrheit an!«
Der Herr lief dicht an sie heran,
Hob auf die Hand und schrie »hu, hu!«
Und schreckte sie aus ihrer Ruh.
Schnell zog ein jeder noch hervor
Ein Bein und gleich die Flucht erkor.
»Wer hat nun recht?« so sprach der Ritter.
Da sprach der Koch und schluchzte bitter:
»Herr, hättet gestern Ihr gemacht
Auch solchen Lärm, hervorgebracht
Hätt auch der Braten ein zweites Bein:
Des dürft Ihr fest versichert sein.
Ihr seht, es ist nicht meine Schuld.«
Durch dieses Wort erlangt er Huld:
Der Herr mußt seiner Einfalt lachen. –
So wird oft Scherz aus ernsten Sachen,
Wo man erst fürchtet, daß erwachs
Unheil daraus, so spricht Hans Sachs.
Ein Schneider kauft ein Tuch von Lunden,
Nahms untern Arm zur selben Stunden,
War schon geschoren und zubereit,
Daraus wollt er machen sich ein Kleid.
Trugs heim, auf seinen Tisch legts nieder,
Maß, überschlugs, legts hin und wieder
Und richtet zu, den Rock zu schneiden;
Nahm Ell und Maß, zeichnets mit Kreiden
Und legts dreifach zum vordern gern,
Da doch nur zwei vonnöten wär'n;
Ergriff dann eine scharfe Scher
Und schnitt dasselbe flugs durch her,
Da wurden draus drei gleiche Stück,
Eins warf er hinter sich zurück,
Daß man dasselbe sollt sehen nit,
Hub auf und sang dazu ein Lied.
Das sah sein Knecht, der bei ihm saß,
Sprach: »Meister, warum tut Ihr das?
Habt euch versehen wohl im Messen,
Oder seid Ihr sonst so vergessen?
Ists doch eur eigen, habts selber kauft,
Ists, weil euch etwas überlauft?
Vor wem wollt Ihr dasselb verhehlen,
Daß euer eigen Gut wollt stehlen?«
Er sprach: »Gott geb dem Brauch die Ritt,
Was tut die lang Gewohnheit nit!«
Ein Edelmann im Frankenland
Als Räuber weithin war bekannt.
Er hielt sich kühner Knechte drei,
Die hatten gleiche Beut dabei,
Und ritt ein Kaufmann durch den Wald
Nahm man ihm alles mit Gewalt.
Zwei Kaufleut kamen auf das Schloß,
Die man beraubt um Gold und Roß;
Beklagten sich darum nicht schlecht:
Das wär geschehn durch seine Knecht.
Der Edelmann fragte: »Saget an,
Ob ihr mit diesen Röcken angetan,
Als man euch überfallen hat?«
Die beiden sagten: »In der Tat!«
Da sprach der Edelmann: »Alsdann
Ist es von meinen nicht getan:
Bei meinen Knechten ist es Sitt,
Solch gute Röck zu nehmen mit.«