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Jörg Wickram (um 1482 bis um 1557)

1. Der Schwab in Rom.

Auf einer frommen Pilgerfahrt
Kam einst ein braver Schwab nach Rom,
Wo er nicht weit von Peters Dom
Von einem Landsmann aufgenommen ward.
Der setzt ihm Braten vor und Knödel
Und eine große Flasche Wein:
Kaum kostet den das Bäuerlein,
So schnalzt es mit der Zunge: Ei, wie edel
Ist dieser Trank – der schmeckt ja molto bene,
Wie nennt sich denn die Sorte – he?

Der Gastwirt schmunzelt: Christi lacrimae
Nennt man sie hier – im Deutschen »Gottes Träne«.
Da blickt zum Himmel auf der Schwab im Nu
Und spricht betrübt, wie ers von Herzen meint:
O lieber Gott, warum hast du
Nicht auch in Schwabenland geweint?

(Z.)

2. Schlaue Ausrede.

Es hatte eine Bäuerin
Zwei Söhne von verschiedenem Sinn;
Der eine war hurtig allerwege,
Der andere aber schläfrig und träge.

Einstmals an einem frühen Morgen
Der Fleißige ging übers Feld,
Da fand er einen Beutel mit Geld.
Hurra – rief er – welch großes Glück!
Nun braucht die Mutter nicht zu sorgen!
Und spornstreichs sprang er nach Haus zurück.

Die Alte freute sich baß und lief
Ans Bett, darin der andre noch schlief:
Steh auf, steh auf, du fauler Lümmel,
Die Sonne ist schon hoch am Himmel –
Schau her, was hier dein Bruder fund!
Denn Morgenstunde hat Gold im Mund. –

Der Faule reckte sich und sprach:
Gemach, Frau Mutter, nur gemach!
Verschonet mich mit euerm Zorn!
Hätt der, der dieses Geld verlorn,
Gleich mir bis jetzt gelegen im Bette,
Mein Bruder es nicht gefunden hätte!

(Z.)


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