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Zwei Tage später hatte Wilfried bereits seit einer Stunde vergeblich nach dem leitenden Faden in dem Labyrinth einer überaus verwickelten Prozeßsache gesucht, die 409 schon in die dritte Instanz gelangt war, als ihn der Justizrat in sein Privatkabinett rufen ließ.
Er traf den alten Herrn, wie er, greuliche Gesichter schneidend, als würde er von entsetzlichen Schmerzen geplagt, ein Zeitungsblatt in der Hand, mit für ihn ungewöhnlich großen Schritten hin und her durch das Gemach lief, um dann vor Wilfried stehen zu bleiben, und, das Blatt hoch hebend, in zornigen Tönen zu kreischen:
Da hat sich hier jemand in der Vossischen Zeitung mit Ihnen einen ganz niederträchtigen Scherz erlaubt.
Wenn Sie etwa damit die Anzeige meiner Verlobung mit Fräulein Charlotte Schulz meinen, erwiderte Wilfried, so ist das kein Scherz, am wenigsten einer, dem Sie ein so schmückendes Beiwort geben zu sollen glaubten; sondern höchst gewissenhafter Ernst. Sie werden die Notiz »statt jeder besonderen Anzeige« bemerkt haben. Ich hätte sonst nicht verfehlt, Ihnen mit einer aufzuwarten.
Herr! Herr! rief der kleine Mann, vor Erregung zitternd, treiben Sie es nicht zu weit! Es möchte Sie bitter gereuen. Nehmen Sie Vernunft an, ehe es zu spät ist! Machen Sie, daß ich morgen hier an dieser Stelle zu lesen bekomme: »Ich erkläre hiermit, daß die Anzeige meiner Verlobung in der gestrigen Nummer nicht von mir ausgegangen ist, Wilfried Graf von Falkenburg.« Dann, läßt Tante Adele, von der ich eben komme, Ihnen sagen, soll alles vergeben und vergessen, alles beim alten sein. Verstehen Sie das, Herr?
Leider, sagte Wilfried. Wenn ich auch annehme, daß eine derartige Proposition nur von einer Frau ausgehen kann, muß ich es doch beklagen, daß Sie sich herbeiließen, ihr Überbringer, wohl gar Befürworter zu sein.
Wenn es hier etwas zu beklagen giebt, so ist es Ihr greulicher Unverstand, der durchaus mit dem Kopf durch die Wand will.
Ich will nur keine Handlung begehen, die mit meiner 410 Ehre unvereinbar ist; will nicht mein Wort brechen, das ich einem edlen Mädchen gegeben habe.
Gehen Sie zum Teufel, Herr, mit Ihrem edlen Mädchen! Edle Mädchen giebt es Millionen Schock. Heiraten Sie davon, welche Sie wollen! Nur nicht diese, die so unmöglich ist, daß unmöglicher nichts sein kann. Wilfried, ich bitte, ich beschwöre Sie: machen Sie Ihrem herrlichen Bruder, Ihrer prächtigen Schwägerin, der guten Tante Adele, mir, Ihrem alten Freund, nicht diesen Kummer! Widerrufen Sie dies!
Und er hielt ihm von neuem die Zeitung hoch.
Ich kann nicht, sagte Wilfried leise und fest.
Ist das Ihr letztes Wort?
Ja!
Dann habe auch ich mein letztes Wort mit Ihnen gesprochen!
Er drehte sich auf den Hacken um, lief nach seinem Arbeitstisch, schleuderte das zusammengeknüllte Zeitungsblatt in den Papierkorb, warf sich auf den Sessel und begann mit kratzender Feder wütend zu schreiben.
Wilfried that der alte Mann mit dem Kranz silberweißer Haare um den kahlen Schädel leid. Aber hier war keine Vermittelung möglich.
Leisen Schrittes verließ er das Gemach und fünf Minuten später das Haus, über dessen Schwelle er nun nie wieder den Fuß setzen würde.
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