Rudolf Köpke
Ludwig Tieck
Rudolf Köpke

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6. Der italienische Himmel.

Ihr Weg führte sie durch Tirol nach Trident, dann nach Verona, dessen Mauern schon die reichsten Erinnerungen einschlossen. Hier war die große Arena. In einem armseligen Ausschnitte, der mit Bretern abgeschlagen war, sahen sie Werther's und Lottens Geschichte, die zum italienischen 318 Familienstücke umgewandelt war, unter reichlichem Thränenergusse der Zuschauer darstellen. Sie sahen die prächtigen Denkmäler der Scaliger und den dürftigen Stein, welchen man als Julia's Grab zeigt. Dann gingen sie über Mantua nach Florenz. Der Gebrauch der Bäder in Pisa mußte aufgegeben werden, da man den Aufenthalt daselbst in der heißen Jahreszeit allgemein widerrieth. Endlich betraten sie Rom. Tieck war in jener ewigen Stadt, wo die Strömungen des christlichen und antiken Lebens zu einem gewaltigen Weltstrome sich verbinden!

In Begleitung des Bruders und ergebener Freunde war er gekommen, die Schwester und andere Freunde sollte er finden; unter diesem Himmel war ihm Genesung verheißen, nach dieser Natur, nach diesen Kunstwerken hatten alle Wünsche hingedrängt, wie hatte er sich gesehnt, aus dieser Quelle des Lebens den heißen Durst zu löschen! Hier, so schien es, wenn irgendwo auf der Erde, mußte er finden, was er suchte. Noch auf der Reise hatte er mit heftigen Anfällen der Krankheit gekämpft und einige Male gefürchtet, zurückbleiben zu müssen.

Die Wohnung, welche er am Monte Cavallo bezog, trug den heitern italienischen Charakter. Schon der Blick aus dem Fenster auf den kleinen Garten vor der Thür, wo zwischen Orangen- und Citronenbäumen friedlich und still zwei Springbrunnen rauschten. erquickte ihn. Wie anders war es hier, als unter den Kiefern der Heimat! Aber er war derselbe mit seiner Krankheit und seinem Grame. Hier im Lande seiner Sehnsucht, mitten in dem Reichthume dieses Lebens, ergriff ihn wieder ein schmerzliches Heimweh nach dem dürftigen und geschmähten Boden, an dem dennoch sein Herz hing, und auf dem so Vieles lebte, was ihm theuer war.

319 So ward ihm auch die erste Zeit in Rom zu einer unendlich traurigen. Mit Schmerzen ringend, schlich er am Stocke durch die Straßen, über die Plätze. Oft trat die Gicht in den Arm, in die Hand, welche, auf dem Stock ruhend, die ganze Wucht des schweren und hinfälligen Körpers zu tragen hatte. Durch die Eindrücke, welche er erhielt, wurden ihm diese mühseligen Spaziergänge zur zwiefachen Qual. In den Straßen Roms kehrten ihm die angstvollen Empfindungen seiner Jugend wieder. Wenn er zwischen den Palästen und Ruinen hinging, von denen er oft geträumt hatte, und sich sagte, jetzt stehe er auf dem Boden Roms, wenn er auf sich und seine Hülflosigkeit sah, wie die Last der Krankheit ihn zu Boden drückte, dann erfaßte ihn eine unnennbare Angst, ein Entsetzen vor sich selbst, vor den Dingen, die ihn umgaben. Fremd, gespenstisch, traumartig erschienen sie. Alles verkehrte sich. Seine Jugend mit ihrer Sehnsucht war die Wirklichkeit, die Gegenwart ein Traum, aus dem er vergeblich zu erwachen rang. Mußte er so hier erscheinen, gebrochen, das Herz von Gram erfüllt, er, der einst kräftige, begeisterte Jüngling? War er es wirklich? Schadenfroh erhob sich aus seinem Innern eine Stimme: »Was du einst so inbrünstig gewünscht hast, ist dir jetzt zu deiner Pein gewährt.«

Qualvoller noch waren die Nächte, wenn er umsonst die Augen schloß, und der Schmerz ihn wach erhielt, bis der Morgen graute. Da murmelten die Springbrunnen so traurig, und in das Rauschen des Windes hallten eintönig klagend die Glocken der nahen Klöster hinein. Es war die schwermüthige Begleitung seiner trüben Gedanken. Jeder alte Gram stieg wieder in seinem Herzen auf, und er ward ihm von neuem zur Beute. Oft brach er in heiße Thränen aus, die doch keine Linderung brachten. War er 320 endlich eingeschlafen, so begann eine neue schrecklichere Qual. Die gräßlichsten Bilder kamen ihm in seinen Träumen. Sie verfolgten ihn am Tage; er wagte nicht daran zu denken, noch weniger davon zu sprechen, und doch standen sie vor ihm und wichen keinem Wechsel der Gegenstände. So begann sein Tag und endete mit Schmerzen; Furcht und Entsetzen lösten einander ab, er schien gekommen um ganz elend zu werden. Und dieser grauenhafte Zustand dauerte Wochen, Monate lang.

Genesung sollte er unter dem italienischen Himmel finden! Und er fand sie trotz jener furchtbaren Angst, die ihn wieder bis zum Wahnsinn fortzureißen drohte. Seine ursprünglich starke Natur arbeitete sich durch Krankheit und Schwermuth durch. Dazu that die italienische Sonne das Ihre; allmälig erweckte sie die gesunkene Lebenskraft. Instinctmäßig suchte er sonnige Plätze und Straßen auf. Stunden lang setzte er sich mit Behagen den vollen Sonnenstrahlen aus, und ließ sich durchwärmen, niemals konnte es ihm zu heiß sein. Mit Verwunderung sahen selbst Römer dem kranken Spaziergänger nach, der an der Spanischen Treppe in der Mittagssonne unermüdlich auf- und niederging. Diese Cur schlug endlich an.

Mit der allmäligen Befreiung kehrte die Theilnahme am Leben wieder. Sein Auge, das der Schmerz geschlossen hatte, öffnete sich der großen Gegenwart, die ihn umgab. Jetzt erst sah er im Vatican die Werke Rafael's, und alle Denkmale, zu denen er schon vor Jahren seinen Sternbald geführt hatte; Michel Angelo's jüngstes Gericht und die Peterskirche, die er verherrlicht hatte, ohne sie gesehen zu haben. Auf dem Capitol und in den Riesenbauten des Colosseums trat ihm der alte Römergeist näher als jemals zuvor. In diesen Trümmern fand er jene Größe, welche moderne Forscher ihm 321 bisher vergebens gepriesen hatten. Auch das Grab der Cäcilia Metella suchte er auf, jene Gegend, die er zum Schauplatz einer furchtbaren Episode im »Lovell« gemacht, und die er als Jüngling zu beschreiben gewagt hatte. Hier mußte er staunen, wie nahe er der Wirklichkeit gekommen war, er glaubte nicht zum ersten Male unter diesen Ruinen zu stehen.

Mit der Kunst und Natur verbanden sich die Wirkungen des kirchlichen Lebens. Beruhigend und erhebend kamen sie ihm entgegen; er sah den Cultus im vollen Glanze, welchen er in der Heimat oft gegen die Angriffe der Eiferer in Schutz genommen hatte. Alle Stufen der hohen kirchlichen Feste machte er durch; die heilige Woche mit ihren Musiken und Messen bis auf den Segen, welchen der Papst vom Altan herab der gläubigen Menge ertheilt.

Auch in die gesellige Welt trat er ein. Hier fand er seine Schwester bereits heimisch. Mit bedeutenden Personen stand sie in Verbindung, obgleich auch sie noch stets leidend war. Der Erzherzogin Marianna von Oestreich, der Schwester des Kaisers, die in Rom in Zurückgezogenheit lebte, war sie bekannt geworden. Helfend und schützend hatte diese sich ihrer angenommen, und sie in die Kreise ihres Umganges hineingezogen. Tieck lernte in der Prinzessin eine edle und geistvolle Frau kennen. Auch mit einigen hohen Würdenträgern der Kirche ward er bekannt, mit dem Cardinal-Großvicar, einem angenehmen und unterrichteten Manne, und dem Cardinal Somaglio, der ihm manche Freundlichkeit erwies.

Für die Deutschen war das Haus des Prinzen von Sachsen-Gotha ein gastlicher Sammelplatz. Dieser Fürst liebte es, Gesellschaften, ausgezeichnete Reisende und Landsleute um sich zu versammeln. In seinen Cirkeln verlebte man heitere Stunden. Indeß war die deutsche Theaterliebhaberei auch hier 322 zu Hause, und selbst in Rom, unter den mächtigsten Eindrücken, konnte man das kleine heimische Vergnügen, und den Lieblingsschriftsteller, an dessen Umgang man gewöhnt war, nicht vergessen.

So geschah denn das Unerhörte. In Rom, wo Tieck von den Thorheiten des Vaterlandes weit entfernt zu sein meinte, mußte er seinem Antipoden Kotzebue begegnen. Und nicht allein das, er mußte ihn feiern helfen, wenn er gegen den Prinzen, der ihn auszeichnete, nicht undankbar scheinen wollte. In dieser deutschen Hofgesellschaft war beschlossen worden Kotzebue's Lustspiel, »Der Wirrwarr«, aufzuführen. In Tieck hatte man eine bühnenkundige Autorität gefunden, er wurde daher aufgefordert die Rolle des Regisseurs und Souffleurs zu übernehmen. Von der Pflicht selbst als Schauspieler aufzutreten, rettete ihn sein Leiden. Aber die wiederholten Proben wurden ihm nicht erspart, die man mit allem pedantischen Kunsteifer anstellte, um schließlich eine gewöhnliche Darstellung eines noch gewöhnlichern Stückes zu eigenem Vergnügen zu Stande zu bringen.In den »Reisegedichten«, die viele charakteristische Züge aus seinem italienischen Leben enthalten, erzählt Tieck auch diese Theateranekdote unter dem Titel »Der Wirrwarr«, III, 213.

Sonderbar mischte sich mit der Frivolität naive Frömmigkeit. Eine Hauptrolle war einer jungen Gräfin zugetheilt. Mit sichtlicher Lust, und doch niemals ohne die unerläßliche Angst, spielte sie ihr Theil ab. So oft sie aus den Coulissen trat, unterließ sie nicht das Kreuz zu schlagen. So gerüstet glaubte sie muthiger an das Thorenwerk gehen zu können. Tieck sah es als reichliche Buße an, die er in Rom für alle literarischen Sünden zu leisten habe, daß er als Einhelfer verdammt ward, ein Lustspiel gerade dieses Mannes nicht in einer, sondern in allen Rollen auswendig zu lernen. Ihm wurde in der That eine Strafe auferlegt, die er in seinem »Jüngsten Gericht« muthwilligerweise seinen Gegnern zuerkannt hatte.

323 Auch im Hause Wilhelm's von Humboldt, der in Rom preußischer Resident war, fand er freundliche Aufnahme. Ebenso sah er Elise von der Recke wieder, die sich von ihrem Freunde Tiedge hatte nach Rom führen lassen. Auch in die Kreise der Künstler wurde er durch seinen Bruder und Rumohr eingeführt.

Doch unter allen Deutschen war ihm keiner merkwürdiger als der Maler Müller, dessen Dichtungen ihn früher in hohem Grade angezogen hatten. Als er sich nach der Vollendung der »Genoveva« im Sommer 1800 in Hamburg aufhielt, hatte er Müller's Manuscript zum zweiten Male zur Hand genommen. Er las die Arbeit des Vorgängers mit doppelter Theilnahme, und erkannte wie verschieden beide Gedichte seien, und daß sie darum wol nebeneinander stehen könnten. Erschien Manches in Müller's Tragödie übertrieben, fast roh, so hatte sie dennoch große dichterische Züge, und er sah es als ein Unrecht an, ein so eigenthümliches Werk der öffentlichen Kenntniß zu entziehen. Dann war er zu den verschollenen Idyllen übergegangen. Es waren Naturbilder im kräftigsten Stile, fern von der gezierten Natürlichkeit, welche seit Geßner den sogenannten ländlichen Dichtungen eigen war. Voll Eifer, das Andenken des Dichters herzustellen, ließ er später durch den Architekten Genelli wiederholt bei Müller anfragen, ob er die Herausgabe der »Genoveva« verstatte, ohne daß er eine Antwort erhalten hätte.

Auf der Sommerreise 1803 machte er in Erlangen die Bekanntschaft des reformirten Predigers Le Pique. Dieser Mann, der für Poesie und Literatur eine lebhafte Theilnahme zeigte, war ein Bewunderer Müller's. Wie dieser ein geborener Pfälzer, war er mit den Verhältnissen in Manheim und der dortigen Buchhandlung, in deren Verlag die ersten Drucke erschienen waren, bekannt. Er erbot 324 sich, die erforderlichen Schritte zu einer Erneuerung des literarischen Andenkens Müller's zu thun. Jetzt sah Tieck in Rom den sonderbaren Mann selbst.

Hier war Müller seit fast dreißig Jahren eine bekannte Figur. Früher hatte er von einer kurpfälzischen Pension gelebt, die jedoch in Folge der Kriegswirren nicht weiter gezahlt worden war. Ohne als Künstler productiv zu sein, hatte er sich mit antiquarischen und kunsthistorischen Studien beschäftigt. In Folge seiner Bekanntschaft mit Rom und dessen Schätzen pflegte er bei angesehenen Fremden den Cicerone zu machen. Er gehörte zu den Deutschen, welche mit dem Vaterlande gebrochen hatten. Manche Hoffnungen und Erwartungen waren ihm daheim unerfüllt geblieben. Dazu waren noch persönliche Verwickelungen gekommen. Er glaubte sich zu wenig anerkannt. Ein Altersgenosse Goethe's, selbst leidenschaftlich bewegt, ward er durch diesen in den Schatten gestellt. Verstimmt schied er vom deutschen Boden. Jetzt fast verschollen, rächte er sich durch Vergessen und Geringschätzung an der Heimat. Dennoch hatte er der Poesie und Schriftstellerei nicht ganz entsagt, nur waren seine spätern Producte von dem naturwahren Charakter der frühern weit entfernt.

In Rom kannte man Müller's Schwächen und Sonderbarkeiten aus langer Erfahrung. Zu manchen komischen Anekdoten hatte er Veranlassung gegeben durch seine Neigung zu lächerlichen Uebertreibungen und Prahlereien; auch der Bekanntschaft, ja der Freundschaft Goethe's hatte er sich früher gerühmt. Als nun die Nachricht kam, Goethe werde nächstens in Rom eintreffen, baten ihn einige Deutsche vorsorglich, sie mit dem großen Dichter bekannt zu machen, was er auch willig zusagte. Eines Tages hieß es, Goethe sei wirklich angekommen, man wollte ihn bereits einige Male 325 zu einer bestimmten Stunde des Tages an der Spanischen Treppe gesehen haben. Müller wurde aufgefordert sein Wort zu lösen. Man begab sich an Ort und Stelle. Goethe kam, doch Müller, der voreilig vermuthet haben mochte, man wolle ihn irreführen, sagte mit entschiedenem Tone: »Ich kenne Goethe! Der da ist es nicht!«Dies ist der große Spaß, zu dem, wie Goethe »Werke«, XXVII, 208 in der »Italienischen Reise« unter dem 3. Nov. 1786 erzählt, bald nach seiner Ankunft in Rom ein deutscher Künstler Veranlassung gab.

In dieser Weise lernte ihn auch Tieck kennen. Er zeigte sich zuerst mistrauisch, dann absprechend und rechthaberisch; alles kannte er besser oder hätte es besser machen können. Er verfiel nicht selten in einen aufschneiderischen Ton, und die Wahrheit war schwer zu ermitteln, da es kaum zu erkennen war, ob er täuschen wolle oder sich selbst täusche. Später kam er mit seiner Ansicht über Goethe offener hervor. Er kritisirte ihn scharf, und war weit entfernt in die allgemeine Bewunderung einzustimmen; ihn erfüllte Eifersucht, seine Stimmung war herb, fast bitter. Als einst von der »Iphigenia« die Rede war, meinte er, das sei nichts, auch er habe eine Iphigenia gedichtet, das sei ein ganz anderes Werk, da werde man erkennen, wie das antike Drama zu behandeln sei; gelegentlich werde er es Tieck einmal mittheilen. Obgleich dieser wußte, was er von solchen Reden zu halten habe, unterließ er doch nicht Müller an das gegebene Versprechen zu erinnern. Er erhielt indeß nie einen andern Bescheid, als daß er zu seiner Zeit jenes geheimnißvolle Drama schon kennen lernen solle. Doch kam diese Zeit nicht, solange Tieck sich in Rom aufhielt.

Ein anderes Mal erzählte Müller mit der größten Zuversicht, einst sei ihm in Manheim der Teufel erschienen; die Gesichtszüge des Bösen hätten sich ihm so fest eingeprägt, daß es ihm gelungen sei, ein wohlgetroffenes Porträt zu entwerfen. Zugleich brachte er die Skizze eines Kopfes zum Vorschein, der in der That eigenthümlich genug aussah.

326 Ein besserer Gegenstand der Unterhaltungen waren Müller's ältere Dichtungen. Tieck erzählte ihm, sie seien in Deutschland keineswegs vergessen, vielmehr habe sich ein jüngeres Geschlecht mit Theilnahme dem Anfange der deutschen Poesie in den siebenziger Jahren zugewendet. Gewiß werde eine Sammlung derselben, da sie bereits zur literarischen Seltenheit geworden seien, mit großem Beifall aufgenommen werden. Müller ging darauf ein, und ermächtigte ihn eine neue Ausgabe zu veranstalten, und die »Genoveva« darin aufzunehmen. Auch verwies er ihn auf eine bedeutende Anzahl alter Papiere, welche er in einen Koffer gepackt, bei der Abreise aus Deutschland auf dem Lager der Schwan'schen Buchhandlung in Manheim zurückgelassen habe.

Endlich war Tieck auch zu den eigenen altdeutschen Studien zurückgekehrt, sobald es seine Gesundheit erlaubte. Nicht ohne Unterbrechungen vermochte er zu arbeiten, aber der glückliche Augenblick förderte ihn doppelt. Auf der Vaticanischen Bibliothek fand er reiche Schätze dieser Literatur. Dem Cardinal Somaglio verdankte er eine seltene Begünstigung. Man wies ihm ein eigenes Zimmer zur Arbeit an, und verstattete ihm selbst während der Ferien den Zutritt. Seine gelehrten Forschungen wurden zum heilsamen Gegengewichte gegen körperliche und geistige Leiden. Indem er Handschriften abschreibend, vergleichend und ausziehend, eine reiche Ernte hielt, bildete sich der Gedanke aus, eine umfassende Nachricht von den deutschen Handschriften im Vatican, dann eine Geschichte der altdeutschen Poesie aus denselben zu geben. Zunächst blieb er bei dem Heldenliede und den Nibelungen stehen. Das Gedicht vom »König Rother« und andere Stücke der Heldensage schrieb er ab; auch die karolingische Sage, »Tristan und Isolde«, den »Titurel« und anderes zog er herbei. Als er sicherer geworden war, 327 entwickelte er eine unermüdliche Ausdauer. Vom Morgen an konnte er nüchtern bis weit über Mittag hinaus, halbe Tage lang, unter Handschriften und alten Drucken sitzen, ohne Abspannung zu fühlen.

Neben diesen strengern Arbeiten sprach er seine Empfindungen und Erlebnisse in einer Reihe kleinerer Gedichte aus, die sich allmälig zu einem dichterischen Tagebuche zusammenschlossen.

Fast ein Jahr war um. Er mußte an die Heimkehr denken. Der wohlthuende Einfluß des italienischen Himmels hatte sich bewährt. In den letzten Monaten fühlte er sich genesen, die Schmerzen hatten ihn verlassen, die Herrschaft über den Körper war ihm wiedergekommen. Die politischen Wirren machten es unmöglich nach Neapel zu gehen. Dagegen unternahm er einen glücklichen Reiseversuch in die Romagna und das Gebirge. Zuletzt sah er Subiaco und das Kloster des heiligen Benedict; dann wurde die Rückreise vorbereitet. Bruder und Schwester ließ er in Rom zurück, aber Rumohr, der sorgsame Freund, der ihn nach Italien geleitet hatte, führte ihn im Sommer 1806 wieder der Heimat zu.

Ueber Siena gingen sie nach Florenz und Fiesole, dann nach Pisa, Bologna und Mailand, Nicht ohne Anstrengung überstiegen sie den Gotthard, aber auch dieses bestand Tieck glücklich. Er war wieder auf deutschem Boden.



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