Rudolf Köpke
Ludwig Tieck
Rudolf Köpke

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3. Erlangen. Abenteuer.

Ostern des Jahres 1793 war herangekommen. Es eröffnete für Tieck einen hellen Blick in die Zukunft. Das war nach manchen Entsagungen die Aussicht auf den lebensfrischen Genuß eines Sommers im Wald und Gebirge, in Natur und Kunst, an der Seite des Freundes, dem sein ganzes Herz gehörte. Wie oft hatte er seinen Wackenroder herbeigewünscht, um alle Zweifel und düstere Gedanken in seine treue Brust ausschütten zu können, neue Anschauungen und Entdeckungen unmittelbar mit ihm zu theilen. Ihr fortgesetzter Briefwechsel war für das Alles nur ein geringer Ersatz gewesen. Jetzt endlich sollte er den Freund zur Fortsetzung seiner Studien nach Erlangen begleiten.

Schon lange vorher hatten sie diesen herrlichen Plan in ihren Briefen ausführlich besprochen, und in jugendlicher Ueberschwänglichkeit mit der Hoffnung einen Theil der Wonne vorweggenommen. Das Leben, welches sie in Berlin miteinander geführt hatten, sollte nicht nur fortgesetzt, es sollte ein innigeres, und doch freieres, weiteres werden. Hier sollte endlich alles Große und Schöne in Erfüllung gehen, wovon sie in den Augenblicken kühnster Begeisterung geträumt hatten. Jetzt erst sollten sich die Schranken des Lebens öffnen.

Besonders Wackenroder seufzte nach dieser schönen Zeit; sie schien alles Glück, alle Freiheit einzuschließen. Noch immer hatte der sorgsame und strenge Vater an ihm gebildet und erzogen; vielleicht nur zu viel. In der Sorge für den einzigen Sohn konnte er sich nicht genug thun; sie ging am Ende in einen geistigen Druck über, der diesem die Freiheit eigener Bewegung raubte und ihn noch mehr einschüchterte. 155 Nicht ohne den geheimen Wunsch der Selbständigkeit hatte Wackenroder es bisher getragen; umsomehr, da der Vater in der Strenge seiner Anforderungen schwer zufriedenzustellen war, und Alles auf seine Weise aufgefaßt wissen wollte. Ein volles Jahr später als Tieck beendete er seine Vorbereitung. Nun erst meinte der Vater ihn freigeben zu können, nun erst habe der Sohn die erforderliche Reife erlangt, um die Universität beziehen zu können. Nach Erlangen sollte er gehen, der neuerworbenen Landesuniversität, die mit den fränkischen Fürstenthümern an Preußen gefallen war, und sich dem Studium der Rechte widmen.

Als Sitz der Studien wollte Erlangen nicht viel bedeuten, doch wünschte es die neue Regierung zu heben. Unter den ältern Professoren waren Harleß und Meusel die namhaftesten, jener für Philologie, dieser für Geschichte und Literaturgeschichte. Für Aesthetik hatte Hardenberg, der Statthalter der neuen Provinzen, seinen ehemaligen Hofmeister Mehmel angestellt. Tieck konnte daher kaum in Versuchung kommen, das reiche Göttingen mit dem ärmlichen Erlangen zu vertauschen. Aber es lockte ihn die Natur des fränkischen Landes, der Name jener alten, ehrwürdigen Stätten deutscher Kunst und Art. Eine Fülle des Lebens versprach sich hier dem Norddeutschen zu eröffnen, der an eine karge und eintönige Natur, an das künstlich gemachte Wesen einer neuen, durchsichtigen und aufgeklärten Stadt gewöhnt war, und doch innerlich nach Natur und Kunst dürstete.

Zunächst wandte er sich nach Berlin, um den Freund zur frohen Fahrt abzuholen. Zum zweiten Male seit der ersten Trennung sah er die Seinen wieder. Vielleicht hatte Niemand seine Abwesenheit schmerzlicher empfunden, als seine Schwester. Der geistige Verkehr mit dem geliebten Bruder war ihr zum unentbehrlichen Bedürfniß geworden. Er hatte 156 ihren Geist geweckt, durch Rath und Beispiel ihre Bildung geleitet, ihren Blick für Poesie und Literatur erschlossen. Manche Genüsse hatten sie in der Beschränkung ihres Lebens neben den Schmerzen desselben miteinander getheilt. Rasch, kühn, nicht ohne Eigenthümlichkeit war sie auf die Lehren des Bruders eingegangen. Schon übte sie nicht nur eine scharfe Kritik aus, die sich auch gegen ihn und seine Dichtungen wandte, sie fing selbst an zu dichten. Sie war über die Schranken der Bildung hinausgegangen, die ihr das väterliche Haus setzte. Sie fühlte sich gehemmt, beengt, und hatte mit der ganzen Kraft eines glühenden und liebebedürftigen Herzens den Bruder umfaßt, der ihr Alles ersetzen sollte, was ihr in diesem engen Kreise fehlte. Er war ihr Eins und Alles, mit Eifersucht hätte sie ihn für sich allein bewahren mögen. Sie lebte wieder auf, als sie jetzt in alter Weise einige Zeit mit ihm zusammen sein konnte.

Endlich brachen die Freunde von Berlin auf. Wackenroder, der Sohn des wohlhabenden und angesehenen Bürgermeisters, wohlausgerüstet mit allen Reisemitteln, und trefflichen Empfehlungen an gelehrte und ungelehrte Autoritäten des obern Deutschland. Minder günstig war Tieck versorgt, aber er durfte sich unter allen Umständen auf sich und seine Kraft, schnell und glücklich zu arbeiten, verlassen. Drakendorf bei Jena, wo der junge Prediger Schuderoff lebte, ein vertrauter Freund der Wackenroder'schen Familie, war das nächste Ziel. In ihm lernte Tieck einen eifrigen Kantianer kennen, und was ihm lieber war, einen freundlichen Mann, der sich bemühte, den Reisegefährten den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Dann ging es nach Jena. Hier wurde Schiller aufgesucht. Die Freunde waren in hohem Grade bestürzt, als sie ihn nicht fanden, und keine Zeit hatten, ihren Besuch zu wiederholen. Eine Entschädigung 157 war es, daß sie die Bekanntschaft von Reinhold machten. Dann reisten sie nach Weimar und Erfurt, wo sie das erste Kloster betraten. Ueber Gotha und Koburg erreichten sie Erlangen.

Das Städtchen machte einen freundlichen Eindruck, und bald hatten sie sich in den vorsorglich von Berlin aus gemietheten Zimmern häuslich eingerichtet. Bei Harleß und Meusel fanden sie die beste Aufnahme. Die beiden gelehrten alten Herren suchten den jungen Aesthetikern gegenüber den tiefsten Ton der Leutseligkeit anzuschlagen. Man bat um ihren Besuch, machte einen Spaziergang mit ihnen, ließ sich über dies und jenes in ein Gespräch ein, und suchte ihnen in gelehrten Dingen gelegentlich auf den Zahn zu fühlen.

Harleß war ein freundlicher alter Herr, der trocken und zusammengeschrumpft, voll steifer Würde, in seinem gelben Sommerrock mit geblümtem Muster eine eigenthümliche Figur spielte. In seinen Vorlesungen wie im gewöhnlichen Leben war er der gelehrte Originalmann der ältern Zeit, dessen Worte und Bewegungen den Stempel wissenschaftlicher Hoheit an sich trugen. Eine Einführung in den Geist der alten Poesie vermochte auch dieser Philolog nicht zu gewähren, weder in seinen Collegien noch in dem Seminar, wo er griechische Dichter erklären ließ. Vielmehr kamen Dinge vor, die den Geschmack des Professors zweifelhaft erscheinen ließen. In einer Schilderung des Thales Tempe, die man las, war von den summenden Bienen das Wort συρίζειν gebraucht. Harleß legte darauf besondern Nachdruck; hier könne man zeigen, ob man treffend zu übersetzen verstehe. Die Studenten thaten ihr Bestes, und schlugen diesen und jenen Ausdruck vor. Der Eine meinte Summen. »Ei bewahre, das ist nichts!« schnarrte ihn der Professor mit hartem fränkischem Accent an. Ein Anderer glaubte es mit 158 Brummen, ein Dritter mit Säuseln zu treffen. »Warum nicht gar! Noch viel weniger!« rief Harleß. Da der Vorrath endlich erschöpft war, begann er: »Ich begreife nicht, wie Ihnen das rechte Wort entgehen kann; es liegt ja so nahe! Hat denn Keiner von Ihnen an unser treffliches Schnürfeln gedacht?«

Hin und wieder begleitete Tieck den gelehrten Mann auf seinen Spaziergängen. Einst führte sie ihr Weg vor dem Thore bei einem Gartenhause vorbei, in welchem ein Mann wohnte, der mit der fixen Idee behaftet war, predigen zu müssen. Dieser stand in der Mitte des Gartens, und ließ sich voller Eifer folgendermaßen vernehmen: »Wie wir das, andächtige Zuhörer, in den neuesten Komödien gesehen, und durch die neuesten Komödienzettel erfahren haben!« Diese laut herausgeschriene Anrede machte auf Tieck einen wunderlichen Eindruck, und ohne Umstände wollte er den gelehrten Professor im Stiche lassen, um den Redner näher zu sehen. Voll Schreck und Entrüstung hielt ihn Harleß zurück. »Ei bewahre, mein Lieber«, rief er; »das schickt sich nicht für Sie! Der Mensch dort ist ja ein Narr; da können Sie nichts profitiren!«

Ein Gegenbild zu Harleß war Meusel, das gelehrte Deutschland in Person, der in altfränkischer Höflichkeit nie unterließ, das Sammetkäppchen zu lüften, und mit einer Verbeugung zu antworten, wenn man ihn mit seinem Amtstitel anredete. Auch den Professor Breyer hatten die Freunde aufgesucht, und durch einige andere Studenten unterstützt, ihn in wohlgemeintem Eifer ersucht, eine besondere Vorlesung über Pindar zu halten, den sie nur aus Gedike's Lehrstunden kannten. Nach den Versicherungen, die sie auf dem Gymnasium gehört hatten, daß Pindar in der That ein großer Dichter sei, hofften sie, jetzt werde ihnen auf der 159 Universität das Verständniß eröffnet werden. Doch sie täuschten sich, auch hier hörten sie nur eine Wiederholung der alten Redensarten, die in der Regel mit dem näselnden Schlußsatz endeten: »Wie das der Herr Consistorialrath Gedike so trefflich gesagt hat!« Was aber der zu sagen pflegte, wußten sie selbst am besten; daher löste sich das Collegium nach einigen Wochen auf.

Mehr als alle Vorlesungen versprach das Fichtelgebirge, das Mainthal, dann die alten Städte, wie Bamberg, und vor allen das kunstreiche Nürnberg. Hier stand man auf dem Boden des deutschen Reichs, im gesegneten Frankenlande. Da gab es Ruinen und Ritterburgen, und auf diesem Hintergrunde bewegten sich jene kraftvollen Gestalten des Götz und seiner Genossen, mit denen man seit den Kinderjahren vertraut war.

Nürnberg ward ein Hauptwallfahrtsort für die Freunde. Je öfter sie es sahen, mit um so größerer Theilnahme, ja Andacht kehrten sie dahin zurück. In seiner ganzen Fülle trat ihnen das alte deutsche Kunstleben entgegen. Was sie früher dunkel geahnt hatten, war hier längst zur lebendigen Wirklichkeit geworden. Wie reich an Denkmalen aller Künste war nicht diese Stadt, mit ihren Kirchen von St.-Sebald und St.-Lorenz, mit ihren Werken von Albrecht Dürer, von Vischer und Krafft! Hier war das Handwerk durch Kunstsinn und ämsigen Fleiß zur Kunst geadelt worden. Da war jedes Haus ein Denkmal der Vorzeit, jeder Brunnen, jede Bank ein Zeugniß für das stille, einfache und sinnvolle Leben der Väter. Noch hatte die blasse Kalktünche die Häuser nicht gleich gemacht. Stattlich prangten sie mit bunten Bildern, die aus der Sage und Poesie des Volkes entlehnt waren. Da sah man Ottnit und Siegenot, Dietrich und andere Helden als Schützer und Hüter über den Thüren. Es ruhte 160 auf der alten, ehrenfesten Reichsstadt mit ihren Wundern und Wunderlichkeiten ein Duft der Poesie, den der Zugwind neuer Politik und Aufklärung an andern Orten längst verweht hatte.

In voller Kunsttrunkenheit durchsuchten die Freunde Kirchen und Kirchhöfe. Mit Rührung standen sie an den Gräbern Albrecht Dürer's und Hans Sachs', sie sahen die Burg, Bürgerhäuser und Sammlungen, was nur irgendeinen Namen hatte. Eine versunkene Welt stieg vor ihren Augen wieder empor, und unwillkürlich bevölkerten sie diese Straßen und Plätze mit den Gestalten ihrer Phantasie. Von selbst ward das Leben des alten Nürnberg zu einem Kunstroman. Da hätte man zugleich Gelegenheit gehabt, das Wesen der altdeutschen Kunst, die Vorzeit darzustellen, von deren Werth und tiefem Ernst die Gegenwart keine Ahnung hatte, und die Undankbarkeit eines spätgeborenen, klügelnden Geschlechts in ein helles Licht zu setzen. Hier tauchten die ersten Ideen zum »Sternbald« auf, und jene innigen Klänge, welche die Herzensergießungen des Klosterbruders und die Schilderungen der deutschen Kunst und des stillen Schaffens der alten Meister durchziehen.

Doch auch Nürnbergs Gegenwart, seine Gelehrsamkeit und Alterthumsforscher mußten sie kennen lernen; besonders Wackenroder durfte sie nicht versäumen. Da folgte auf die Begeisterung die Abkühlung. In ihren Forschern nahm sich die Vergangenheit keineswegs poetisch aus. Als sie respectvoll den grundgelehrten Panzer besuchten, sagte dieser mit steifem Ernste zu ihnen: »Als eifrige Scholaren werden Sie Ihre kleinen Ferienreisen gewiß nicht machen, ohne den Horatium in der Tasche zu führen.« Darauf kam der berühmte Alterthumsforscher Murr an die Reihe, der gelehrte Theolog Strobel, Mannert der Geograph, manche Kunstkenner und 161 Händler, und Andere, darunter der junge Kant'sche Arzt Erhardt. An alle war Wackenroder bestens empfohlen. Dann ging es zu Pferde nach Pommersfelde, wo alle frühern künstlerischen Genüsse zurücktraten, als sie in der Gemäldegalerie zum ersten Male eine Madonna von Rafael, wie man damals glaubte, sahen.Es ist in der neueren Kunstkritik anerkannt, daß die Madonna in Pommersfelde, welche die Freunde, der damals allgemeinen Ansicht folgend, für einen Rafael hielten, von Antonio Solario gemalt ist. Später erlebten sie in Bamberg an einem Festtage ein katholisches Hochamt in vollem Glanze, Processionen mit Fahnen und Lichtern. Es vollendete die wunderbaren Eindrücke, die sie hier erhielten.

Wackenroder hatte nicht unterlassen, mit gläubigem Sinne die namhaften Gelehrten aufzusuchen, jetzt mußte er auch die Natur, Land und Leute kennen lernen. Er wußte wol, daß sein Vater mit der Strenge des Geschäftsmannes ein nachweisbares Ergebniß dieser Reisen verlangen werde. Er sollte als junger Mann, der sich bilden will, die Welt kennen lernen und mit Nutzen reisen, etwa wie Nicolai eine Anleitung dazu in seinen bekannten Reisen gegeben hatte. Darum machten sich die Freunde in den Pfingstferien auf den Weg in das Baireuthsche. Sie sahen Hüttenwerke und Zinngruben, fuhren in die Bergwerke, streiften in das böhmische Gebiet hinein, und verloren sich endlich auf den Waldpfaden des Fichtelgebirges.

Nie glaubten sie einen herrlicheren Baumwuchs und frischeres Grün gesehen zu haben. Da wanderten sie hin durch die Gründe, wo aus dem malerischen Gewirr düsterer Tannen hellschimmernd das junge Laubholz hervorblickte, und »dicht von Felsen eingeschlossen«, unter Stein und Moos die Bäche still und einsam gingen. Für einen der höchsten Punkte im Fichtelgebirge galt der Ochsenkopf; der sollte erstiegen werden. Kühn genug wollten die Freunde unter der Leitung eines Führers den schwierigen Weg zu Pferde machen. Anfangs ging Alles trefflich. Bald aber änderte sich die Scene. 162 Man kam in den sogenannten Fichtelsee, einen morastigen Grund, wo auch im Sommer das Wasser in Lachen stand, von kriechenden Schlingpflanzen bedeckt, aus denen sich Buschwerk und niederes Baumgestrüpp erhob. Hervorragende Steine, Strauchwerk, hin und wieder ein Bret, bildeten den Weg, auf dem man sich mühselig und nicht ohne Gefahr fortarbeiten mußte. Es war kaum möglich, die Pferde ohne Schaden von der Stelle zu bringen, man mußte sie am Zügel hinter sich herziehen.

Als die Wanderer wieder festen Boden unter sich fühlten, hatten sie die Richtung des Weges verloren. Da standen sie zwischen hohen Felsenwänden und rauschenden Bäumen! Der Führer ward kleinlaut, dann still. Jetzt brach er unter Flüchen aus: »Ich muß verhext sein! Ich habe den Weg hundert mal gemacht und bin nie irregegangen. Ich muß verhext sein! Das kommt oft vor hier im Fichtelgebirge.« Endlich schlug er vor, einen höhern Punkt zu ersteigen, von wo ein heller Lichtstreif durch den Wald blickte. Dort schien sich das Dickicht zu öffnen; vielleicht konnte man einen freien Ueberblick gewinnen. Aber hier galt es, neue Schwierigkeiten zu überwinden. Man mußte mit den Pferden einen schmalen Felsenweg emporklimmen, den Gießbäche ausgehöhlt hatten. Endlich war man oben angelangt. Es war eine kleine Hochebene, mit kurzem Grase bedeckt, von dunkeln Bäumen und engverwachsenem Gestrüpp eingeschlossen. Nirgends eine Aussicht ins Freie, nirgends ein Pfad; nur Bäume und Felsen, und über ihnen der Himmel. Fern ab schienen Welt und Menschen zu liegen; hier verhallte jeder Laut in der tiefsten Waldeinsamkeit.

Zurück konnte man mit den Pferden nicht, ebenso wenig vorwärts. Wieder begann der Führer seine Verwünschungen, daß er behext sei. Endlich versuchte er es mit einem Handbeil, das er bei sich trug, durch das Gestrüpp einen 163 Weg zu bahnen. Auf gut Glück folgte man. ihm. Zwischen krachenden Zweigen wanden sich die Verirrten mit Mühe hindurch. Jetzt kam man wieder auf einen Pfad; aber welcher Weg war das! Schmal und steinig zog er sich am Rand eines Bergrückens hinab. Ein falscher Tritt, und die Pferde sammt den zu Fuß wandernden Reitern stürzten in die Tiefe hinab. Mit steigender Angst setzten sie ihren unheimlichen Marsch fort. Zu ihrer nicht geringen Freude erreichten sie eine Glashütte, wo man ihren Berichten kaum trauen wollte, als sie erzählten, welchen halsbrechenden Weg sie mit den Pferden zurückgelegt hätten. Zugleich erfuhren sie, daß man erst von diesem Punkte aus den Ochsenkopf besteigen könne. Trotz aller Kämpfe beschlossen sie auch dieses Abenteuer zu bestehen, fanden aber nach ihren Erfahrungen das Ersteigen der Höhe weder so schwierig, noch so belohnend, als man es geschildert hatte.

Nach so schweren Mühen des Tages waren sie froh, am späten Abend eine gastfreie Aufnahme auf dem Eisenhammer des Commerzienraths Müller, an den sie empfohlen waren, unfern des Dorfes Bischofsgrün, zu finden. In einem Flügel des weitläufigen Fabrikgebäudes hatte man die ermatteten Reisenden untergebracht. Wackenroder, der Anstrengungen ungewohnt, warf sich sogleich auf das Bett. Tieck war zu bewegt, er konnte nach Allem, was er heut erlebt hatte, nicht schlafen. Die Naturgeister wachten auf. Er öffnete das Fenster. Es war die laueste, herrlichste Sommernacht. Das Mondenlicht floß in vollen Strahlen auf ihn nieder. Da lag sie vor ihm die mondbeglänzte Zaubernacht, die Natur mit ihren uralten und ewig jungen Märchen und Wundern! Wieder schwellte es sein ganzes Herz. Zu welchem fernen, unbekannten Ziele zog es ihn mit unwiderstehlicher Kraft? Mild und beruhigend klangen die schwebenden Töne eines 164 Waldhorns durch die Nacht herüber. Er fühlte sich wehmüthig bewegt und doch unendlich glücklich.

So träumerisch er in solchen Augenblicken versinken konnte, so sehr dann die tiefe Natureinsamkeit seine Seele füllte, so trieb ihn doch die eigene Art seines Wesens aus dieser Stille hinaus, nach ganz entgegengesetzten Seiten hin. Es regte sich seine Theaterliebhaberei, die trotz ihrer kritischen Ansprüche, doch nicht ohne eine gewisse Selbstironie auch mit sehr Gewöhnlichem vorlieb nehmen konnte. Ihr zu Gefallen ließ er sich in ein seltsames Abenteuer verlocken, das leicht den unerfreulichsten Ausgang hätte haben können.

In der Gegend von Fürth hatten Reichstruppen, die nach dem Rhein vorrücken sollten, ein offenes Lager bezogen, welches von Nürnberg, Erlangen und andern benachbarten Städten von Neugierigen und Reiselustigen besucht wurde. Dies hatte den Director einer wandernden Schauspielertruppe auf den Gedanken gebracht, es sei ein gutes Geschäft, im Lager selbst eine theatralische Vorstellung zu geben. Nachdem er die Erlaubniß des Generals erhalten hatte, glaubte er ganz seinem Vortheile und den Anforderungen des guten Geschmacks gemäß zu handeln, wenn er in der Mitte der Soldaten eines jener Soldatenstücke, welche seit »Minna von Barnhelm« allgemein beliebt waren, zur Aufführung bringe. Er hatte dazu ein Hauptspectakelstück »Graf Waltron« ausersehen. Der militärische Glanz des Lagers sollte ihm dabei zu Hülfe kommen, Zelte und Bäume die natürliche Decoration bilden, die große Masse der Reichssoldaten den belebten Hintergrund darstellen, und zugleich einen Theil des Publicums abgeben.

Für Tieck war dieses sonderbar angekündigte Schauspiel viel zu anziehend, als daß er nicht hätte nach Fürth hinüberreiten sollen. Im Lager fand er einen Platz abgesteckt, um 165 den sich eilig zusammengeschlagene Bänke stufenweis erhoben. Die Zuschauer fingen an die hintern Plätze zu füllen, die vordern sollten für die noch zu erwartenden Honoratioren aufgespart werden. Einige Reichssoldaten waren beordert, die Polizei in diesem neuen Kunsttempel zu handhaben. Da indeß dieses Amt der kriegerischen Ehre Eintrag zu thun schien, so hatte man die Uniformen der dienstthuenden Soldaten an Kragen und Aermeln mit Streifen rothen Papiers besetzt, und so eine Art von phantastischer Uniform geschaffen. Tieck hatte seinen Sitz auf dem ersten Platze eingenommen, und sah vertrauensvoll und heiter dem wunderlichen Schauspiele entgegen, in dem in ungeschickter Weise Natur und Kunst verbunden werden sollten. Diese gab sich selbst auf, indem sie sich in kläglich verzerrter Gestalt unmittelbar neben jene stellte.

Inzwischen begann das Publicum voll Ungeduld und Erwartung ein eigenthümliches Vorspiel aufzuführen. Man drängte und lärmte durcheinander. Die entfernter Sitzenden versuchten es zuerst mit List, dann mit offenbarer Gewalt, ohne sonderliche Achtung vor der soldatischen Polizei, in die vordern Reihen der Honoratioren einzudringen. Einige waren sogar unverschämt genug, im Bühnenraume selbst sich niederzulassen. Unter diesen drohenden Anzeichen begann das Stück. Die Soldaten im Stücke, die den wirklichen gegenüber eine armselige Figur spielten, fingen an ihre Rollen herzusagen. Da aber bei der um sich greifenden Unordnung jede Kunsttäuschung vollends aufhörte, so wurden die Schauspieler durch die Eindringlinge unterbrochen und verhöhnt, und mußten endlich unter dem Jubel der barbarischen Kunstfeinde beschämt abziehen. Der Director rief in seiner Noth die bisher ziemlich unthätige Polizei zu Hülfe. Ein Reichssoldat versuchte unter Flüchen und Schimpfreden das 166 Publicum in die Schranken zurückzutreiben, und schwang dabei seinen eisernen Ladestock, den er als Amtsstab in der Hand hatte, rücksichtlos über den Häuptern der Aufrührer, von denen er den einen und den andern unsanft berührte.

Mit Verdruß hatte Tieck diese Scene angesehen. Zuerst ärgerte ihn die Unverschämtheit des Publicums, das sich selbst den Spaß verdarb, dann die Fuchtel des Soldaten. Plötzlich fühlte auch er sich von dem Zauberstabe am Hute getroffen. Eine wahre Berserkerwuth ergriff ihn. Blindlings stürzte er über die Schranken fort, auf den züchtigenden Soldaten los. Als die erste Wuth von ihm gewichen war, sah er nicht ohne Verwunderung, daß er auf der Brust des Soldaten kniee, der dem unerwarteten Angriffe erlegen und sammt dem Angreifer zu Boden gestürzt war. Jetzt erst erfolgte der allgemeinste Aufruhr; mit Mühe trennten die herbeieilenden Wachen die Kämpfer, und führten den Hauptübelthäter vor den commandirenden General. Dieser empfing ihn mit zornigen Begrüßungen; er habe sich meuterisch an dem Reichssoldaten vergriffen, das sei ein Verbrechen gegen Kaiser und Reich, eine exemplarische Strafe und Satisfaction sei nothwendig.

Während dieses Unwetters hatte Tieck seine Besonnenheit wiedergefunden. Nach einigen Gegenreden riß er dem dabei stehenden Soldaten ein Stück des papiernen Uniformbesatzes ab mit der Frage, welcher Truppentheil denn eine solche Uniform trage, an der er sich vergriffen haben solle. Diese unerwartete Wendung machte den General stutzig. Er hieß ihn seiner Wege gehen, und ergoß den Rest der Zornesschale über den unglücklichen Director, der nun seinerseits Zuschauer dieses Schauspiels gewesen war.

Beschämt eilte Tieck, der plötzlich zum Haupthelden des Tages geworden war, durch die gaffende Menge nach Fürth 167 zurück, in den Gasthof, wo er sein Pferd eingestellt hatte. Er dachte sich nach diesem unangenehmen Handel durch ein Glas Wein zu stärken, bevor er nach Hause eilte. Aber neue Beschämungen warteten seiner. Als er in dem Saale Platz nahm, war die Unterhaltung über die Rolle, die er heute gespielt hatte, bereits in vollem Gange. Nur scheu wagte er umherzublicken, und bemerkte in einiger Entfernung einen ihm wohlbekannten Buchhändler aus Erlangen mit seiner jungen, hübschen Frau. Diese pflegte er zierlich und nicht ohne huldigenden Eifer zu grüßen, so oft er sie am Fenster sah, was eben nicht selten der Fall war. Der Mann in der Voraussetzung, daß Tieck ihn nicht verstehe, sagte auf Englisch zu seiner Frau: »Das ist der junge Mensch, der sich draußen auf dem Naturtheater in so sonderbarer Weise bemerklich zu machen suchte.« Das war zu viel! In welch lächerlichem Lichte mußte er nicht vor der Schönen erscheinen! In verbissenem Ingrimm über seine Heftigkeit eilte er, unter dem kaum verhaltenen Lachen der Umhersitzenden, zur Thür hinaus. Er warf sich aufs Pferd, und jagte verhängten Zügels, ohne rechts und links zu sehen, in das Abenddunkel hinaus.

Doch das Abenteuer war noch nicht zu Ende. Er hatte gewähnt, auf dem Wege nach Erlangen zu sein; als er sich abzukühlen anfing, erkannte er, daß er in seinem Zorn die Richtung verloren hatte. Es war Nacht geworden; er befand sich in einem Gehölze, in dem er sich nicht erinnerte, gewesen zu sein. Umsonst suchte er in der Dunkelheit nach einem Wege. Es blieb nichts übrig, als über Stock und Stein auf gut Glück durch das Dickicht zu dringen. Da öffnete sich ihm unvermuthet eine malerische, aber doch besorgliche Scene. Um ein lustig loderndes Feuer hatte sich ein Zigeuner- und Kesselflickervölkchen gelagert, das unter dem 168 Schutze der milden Reichspolizei aus den sich durchkreuzenden Gebieten ungestört sein Wesen trieb. Schon hatte die unheimliche Gesellschaft den Reiter bemerkt, und forderte ihn gastfrei auf, vorlieb zu nehmen und sich wahrsagen zu lassen. Es war ihm bei dieser unerwarteten Einladung nicht wohl zu Muthe. Indeß mit unbefangener Miene suchte er ihr zu folgen, um nicht aus einem Ehrengaste ein Gefangener zu werden. Man bot ihm zu essen; er mußte seine Hand hinreichen, und sich große Dinge verkünden lassen. Er war froh, als man ihn endlich ziehen ließ, ohne sein Pferd zurückzubehalten, und ihn sogar auf den rechten Weg geleitete. Doch hatte er die genossene Gastfreundschaft reichlich bezahlen müssen. Gegen Morgen kam er in Erlangen an.

So wechselte in dieser heitern und bewegten Zeit studentischer Ungebundenheit ein wunderliches Abenteuer mit dem andern. Die buntesten und sonderbarsten Gestalten drängten sich an ihm vorüber, die verschiedensten Eindrücke machten sich geltend. Wie oft hatte er nicht von solchen und ähnlichen Vorfällen gelesen, oder sie beschrieben. Bisweilen schienen seine Phantasien zur Wirklichkeit zu werden, und in einer nüchternen Zeit stand er plötzlich mitten in Abenteuern, und ward gar zum Haupthelden. Kunst, Natur und Menschen zeigten sich ihm in den verschiedensten und zum Theil grellsten Beleuchtungen. Es waren auch Studien, die er in Erlangen machte. Freilich ganz andere als in Göttingen.

Endlich ward er noch aus der Ferne Zuschauer, und mittelbar auch Theilnehmer eines andern Abenteuers, das minder harmloser Natur war, und einer rauhern Welt als der deutscher Dichterträume angehörte.

Die Revolution jenseit des Rheins hatte unterdessen ihren blutigen Gang vollendet. Das Haupt Ludwig's XVI. war gefallen. Es gab manche jugendliche Schwärmer, welche 169 meinten, mit diesen dämonischen Mächten, deren zerstörende Gewalt sie nicht kannten, spielen zu können.

Schon in Göttingen hatte man sich in Parteien getheilt. Man stritt, zankte und erhitzte sich aneinander. Brandes' und Rehberg's Namen wurden fast als Ekelnamen behandelt, die Siege der Franzosen nicht ohne Theilnahme verfolgt. Auch Tieck hatte sich wol einen Demokraten genannt, und von Freiheit und Menschenrechten gesprochen, ohne zu ahnen, in welchem Gegensatze das, was er hier zu vertheidigen schien, zu seinem Wesen stand. Bei den Meisten ging die Neigung für die Revolution überhaupt nicht tief. Thatsächlich beschränkte sie sich nur auf polizeiliche Plackereien und einige gesellige Unbequemlichkeiten in dem steifen Verkehr der Stände untereinander. Andere, heftiger und unbesonnener, wurden freilich tiefer in den Strudel hineingezogen. Zu diesen gehörte Burgsdorff.

Wie manche junge Edelleute jener Zeit, hatte er sich für die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit begeistert. Von ganzem Herzen meinte er die heimische Tyrannei zu hassen, und mit lautem und herausforderndem Trotze gegen die eigenen Verhältnisse pflegte er seine Ansichten auszusprechen. Endlich ward es ihm zu eng in Göttingen. Im Frühjahre 1793, während Tieck sich anschickte, nach Berlin und Erlangen zu gehen, beschloß er nach Strasburg zu eilen, um die großen Bewegungen, von denen er das Heil der Welt erwartete, in der Nähe zu studiren. Doch hatte er nicht den günstigsten Augenblick gewählt. Er traf das französische Heer unter Custine in vollem Rückzuge vor den Preußen begriffen, und schon in Speier bekam seine Reise eine unerwartete Wendung. Hier traf er eine Berlinerin, die an einen Deutschen verheirathet war, der als Offizier bei den Franzosen stand. Sie begrüßte den alten Bekannten, 170 und machte sich sogleich anheischig, ihm durch ihren Mann den gewünschten Paß zu verschaffen, ohne den es unmöglich war, die französische Grenze zu überschreiten. Doch als Burgsdorff sich bei dem Landsmann meldete, ließ ihn dieser, statt ihm den Paß auszustellen, ohne weiteres verhaften. Er hielt den eifrigen Demokraten für einen preußischen Spion, und da er sich in geläufigem Französisch zu vertheidigen begann, witterte man gar einen verkappten Emigranten in ihm. So ward der Freiheitsmann unvermuthet zum Gefangenen.

Mit andern wurde er darauf im Gefolge der zurückgehenden Armee nach Landau abgeführt. Hier verhörte ihn Custine persönlich, und ließ ihn ohne eine Entscheidung zu treffen, einstweilen zu weiterer Haft nach Strasburg bringen. Auf dem Wege ward er als Aristokrat verhöhnt, man drohte mit dem Laternenpfahl, der Guillotine und Abführung nach Paris. Das keck begonnene Abenteuer schien den schlimmsten Ausgang nehmen zu wollen. Da Burgsdorff, aus Rücksicht auf seine Familie, Namen und Absicht verschwieg, damit man nicht in Berlin auf irgendeinem Umwege erfahre, wo er sei, ward seine Haltung immer verdächtiger, und seine Lage mit jedem Tage gefährlicher. Endlich beschloß man ihn nach dem Fort Belfort bei Basel abzuführen. Auch jetzt noch war er keck genug, mehrere Briefe, die man ihm heimlich für französische Emigranten in der Schweiz zugesteckt hatte, mitzunehmen. Er glaubte das einigen Leuten, deren Bekanntschaft er in Strasburg gemacht hatte, schuldig zu sein. Im Augenblicke des Abganges wickelte er unbefangen eine Anzahl von Buttersemmeln, mit denen er sich versah, in die gefährlichen Papiere, und brachte sie ohne Verdacht zu erregen in Sicherheit.

Solange das Geld vorhielt, führte er auch in Belfort ein leidliches Leben. Unbekümmert um die Gefahr, in welcher 171 er schwebte, machte er leichten Blutes lustige Gesellschaft mit den übrigen Gefangenen, fand in den Schildwachen ganz andere Leute, als er sie in der Heimat gekannt, und meinte selbst im Gefängnisse die Luft der Freiheit zu athmen. Doch die Verlegenheit wuchs, als das Geld ausging. An seine Familie konnte und wollte er sich nicht wenden; er beschloß die Hülfe seines Freundes Tieck in Anspruch zu nehmen. Er entdeckte ihm brieflich seine Lage, forderte ihn auf Geld, soviel und so schnell als möglich, zu senden, und machte ihm das tiefste Geheimniß in der ganzen Sache zur Pflicht. Da er in der Haft allein zurückgeblieben war, suchte er sich die Zeit so gut als möglich zu kürzen, bis die Antwort aus Erlangen eingetroffen sein würde. Er warf sich aufs Lesen, und begann endlich ein Trauerspiel zu schreiben, mit dem er sich schon lange getragen hatte.

Aber auch für Tieck war guter Rath theuer. Woher sollte er jene Summen nehmen, da er selbst des Geldes bedurfte? Auf diesem Wege würde kaum zu helfen gewesen sein, wenn er nicht einen einflußreichen Freund Burgsdorff's auf dessen Verlangen in das Geheimniß gezogen hätte, den Herrn von Bielfeld, der bei der preußischen Gesandtschaft im Haag stand. Die Schritte, welche dieser that, hatten endlich Burgsdorff's Freilassung zur Folge. Durch solche Widerwärtigkeiten in seiner neufränkischen Begeisterung noch nicht abgekühlt, durchwanderte er ohne Geld einen Theil der Schweiz und Süddeutschlands, und traf endlich in unerschütterlich guter Laune Anfangs August in Erlangen ein.

Der Sommer ging zu Ende. Man kannte Natur und Land; die Aussicht auf einen Winter in Erlangen war nicht gerade reizend, daher beschlossen die Freunde nach Göttingen zurückzukehren. Burgsdorff, der so Vieles von seinen Abenteuern zu erzählen wußte, hatte durch die Schilderungen 172 der herrlichen Rheinlande den Freunden Lust erregt, auf diesem Wege nach Göttingen zu gehen. Er, der Menschen und Länder gesehen hatte, und es liebte, den dichterischen Freunden als der Mann des wirklichen Lebens entgegenzutreten, übernahm die Leitung der Reise. Kaum hatte man einen Tageweg zurückgelegt, als Tieck sich überzeugte, daß man stillschweigend die Richtung geändert habe. Offenbar ging es statt dem Rheine zu, nach Göttingen. Als er den Reisemarschall eindringlich zur Rede stellte, mußte der kluge Führer eingestehen, er habe die gemeinschaftliche Kasse theils verspielt, theils sonst verausgabt, es sei noch eben genug darin um nach Göttingen zu kommen. Was half es? Zürnend und lachend fügten sich die Freunde in das Unabänderliche, suchten in Eilmärschen Göttingen zu erreichen, und trafen daselbst im Herbste ein, früher als sie gehofft und gewünscht hatten.



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