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woraus man erst sieht, was aus dem elften entstanden, und daß in jenem eine Sitzung ist, und die Berichterstattung derselben
Die drei Neubeamten mochten nun von Marggraf denken, was sie wollten, so viel sahen sie wenigstens, daß die Säcke voll Besoldungen vor ihnen standen, und konnten sich leicht entsinnen, daß sie der Stößer die Treppe hinaufgetragen und hingesetzt. Keiner von den dreien wußte, ob er sie annehmen sollte oder nicht, sondern jeder behielt sie vor der Hand.
Worble rannte in der ersten Bestürzung in die Apotheke und fand daselbst die drei Schwestern schon in der zweiten, dritten und vierten – denn die jetzo weitläuftigern Anverwandten des Fürsten saßen zuerst mitten in Prinzessinsteuer und Witwenkassen und Nadelgeldern, kurz in Geldern, welche ihnen Nikolaus geschenkt, und tropften noch vom goldnen Platzregen. – Der Stößer ferner hatte im Vorbeilaufen sowohl Dummheiten, die er glaubte, als andere, die er ersann, zusammen ausgeteilt und unterwegs die glänzendsten Nachrichten von einer Heiligen und Wundertäterin, die er nicht mehr zu nennen wisse, beschworen und gegeben. Auch der Apotheker selber war, eh' er zum zweiten Male ausging, zum ersten mit drei großen Schauls auf den Armen wiedergekommen und hatte es vor den drei Beschenkten flüchtig bedauert, daß er in künftiger Woche auf Reisen gehen und sich überhaupt als Fürst in mehr als einem Sinne von ihnen entfernen müsse.
Gerade gegen die Schwestern hatt' er sich über seine Herkunft nur keck und kurz erklärt, wovon die Ursache allerdings zu untersuchen wäre.
Zum zweiten Male war er mit Geldern und Leuten ausgezogen, um in aller Eile, als gäb' es einen Tag später keine Kutschen und Pferde mehr, sowohl diese und Kutscher einzukaufen als noch tausend andere Sachen.
Der wirkliche Reichtum war da – sahen sie alle –, aber mögliche Tollheit auch. Nur eine oder zwei seiner Schwestern – welche bei der Auferstehung früher ihre Kleider als ihre Knochen gesucht und aufgelesen hätten – fanden in den geschenkten Schauls alle Spuren eines wackern Verstandes.
Ehe Worble kaum das größte Erstaunen ausgeteilt und angehört hatte, kamen noch der Prediger und der Maler nach und halfen weiter staunen, besonders den Schwestern, welche von ihnen Marggrafs neueste Geldauswerfungen bei seiner Selberkrönung erfuhren.
Ganz Rom hatte ohnehin der Stößer erschüttert, weil er über jede Gasse, durch die er ging, den Schneckenschleim und Laich seiner Berichte gezogen. Sterbende sollen allda (ist Worblen zu glauben) der Neuigkeit wegen eine halbe Stunde länger gelebt haben; – ein verdienter alter Soldat, der seine Frau mit Füßen getreten und noch dazu mit scharfen hölzernen Stelzfüßen, soll von ihr herabgestiegen sein, bloß um das Nähere von der Sache in Ruhe zu erfahren. – Wer nur Deutsch konnte, beobachtete die rhetorische Regel und fragte: quis quid ubi quibus auxiliis cur quomodo quando? – Alle Peters-Kuppeln und Kapitolien im welschen Rom waren Streusand gegen den Edelstein im Hohengeiser – Regenten aus allen fürstlichen Häusern standen auf ihren verschiednen Thronen umher und ragten empor, aber kein Mensch sah hinauf, jeder war nur auf den steinernen harten Pitt oder Regenten erpicht – – Aber warum denn, bitt' ich, läßt der Mensch sich die weite Brust, welche ganze Universalhistorien und Universa beherbergen kann, vom Gewebe einer Winkelspinne ausfüllen und sagt dem All, wie einem schlechten Mietmanne, die Wohnung auf, damit sich ein Endchen Ding einquartiere? – Aber warum, frag ich fort, lass' ich mich denn selber durch Fortfragen von dem elenden kleinen Stadt-Gelärme dermaßen einnehmen, daß ich das Große der Geschichte vergesse und mit Mühe erst so fortfahre, wie folgt? –
»Für so vieles Geld« – redete Libette die drei Herrn an – »könnten wir wohl alle unser bißchen Verstand und Unverstand zusammennehmen und darüber beratschlagen, wie einem so guten Manne zu helfen sei.«
Der Zuchthausprediger fing als der erste Vorstand der gelehrten Sitzung zuerst zu stimmen an und äußerte sich nicht ohne Scharfsinn so:
In nichts find' er sich für seine Person leichter als in des Herrn Marggrafs Tollgewordensein. – Von dessen früherer Erziehung aus Gründen gar nicht zu sprechen, so habe schon das bloße ungeheure Glück, statt eines großen Loses sogar das allergrößte zu gewinnen, womit die andern Lose auch zu gewinnen wären, den besten Kopf verdrehen müssen; zu diesem Fluge sei nun noch gar der Fall von der Leiter gekommen, der durch den Abstand das Gehirn doppelt erschüttert habe – Gleichwohl wäre noch Besinnen möglich geblieben, hätten nicht die Nachtwachen, wodurch sogar Tiere, wie Falken, um Verstand und um Erinnerung des vorigen Wesens kommen, ihm beides von neuem beschnitten, wiewohl sogar in diesem Falle sich fragen ließe, ob er ohne den Fund des Regentdiamanten auf den Gedanken einer Regentschaft gefallen wäre. – – »So aber, mes Demoiselles, konnte schlechterdings jeder Seelenkenner nichts anderes erwarten als eine wahre fixe Idee; etwa von wirklicher Tollheit. Sind denn, nicht alle Menschen bei weit mattern Veranlassungen dahin gekommen, für weit unwahrscheinlichere Wesen als für Fürsten sich zu halten, der eine sich für einen Gott den Sohn, der andere für einen Gott den heiligen Geist, der dritte sich für gläsern und der vierte buttern, der fünfte (ein großer Theolog zu Oxford) für eine Flasche, oder bloß für einen Topf ein sechster, zu geschweigen der Hähne, Rüben, Gerstenkörner, wofür noch andere sich angesehen, was doch alles nicht so menschenmöglich ist als ein Fürst, da dergleichen existiert?« –
»Gelehrtester Herr Prediger,« – rief Libette aus – »daß mein Bruder sich etwas in den Kopf gesetzt, glauben wir ja alle gern und sitzen deswegen hier; wir wollen nur aber wissen, was zu tun ist, und ob man wie ein Narr dem Narren so zusehen soll.«
»Nun ist aber das Erwünschte bei der Sache,« – fuhr Süptitz fort – »daß er sich wirklich für einen Fürsten hält und somit dem bekannten Professor Tittel in Jena gleicht. – Dieser sah sich gleichfalls für einen an, und zwar für einen römischen Kaiser sogar; – man nannte von weitem eine Macht, sogleich ließ Tittel die seinige ins Feld rücken –; indes er in allen andern Punkten, zumal auf dem Katheder, so vernünftig war und las, als säß' er auf gar keinem Throne. Mit demjenigen Verstande, den Herr Marggraf noch hat, läßt sich also anfangen und der verlorne sich gleichsam wieder einfangen, wie man große Stockfische mit kleinen ködert.« Aus diesen Gründen war Süptitz der stimmenden Meinung, man müsse ihn reisen und gewähren lassen; denn wörtlicher Widerstand, wie hier in Rom am ersten zu befürchten sei, presse und höhle die fixe Idee nur noch tiefer und fester in sein Gehirn – die heitern Zerstreuungen der Reise, der Wechsel neuer Ideen heile Leib und Geist – und ein geschickter Seelenlehrer, der ihn begleite, könne unvermerkt hier mit Blick, dort mit Wort, heute umschleichend, morgen ganz ansprengend, die Spielwalze seiner Ideen so glücklich verschieben, daß sie ein ganz anderes Lied vorspiele.
»Sie reisen demnach hoffentlich«, sagte Worble, »als Seelenlehrer und Hofprediger mit und arbeiten am Manne und stellen ihn her?« – Wider Erwarten brachte der Prediger starke Bedenklichkeiten zum Vorschein, die Züchtlinge seines Kirchsprengels hintanzusetzen, da es größere Pflicht sei, Bösewichtern geistlich beizuspringen als bloßen Wahnsinnigen – wiewohl oft die Polizei Zuchthäusler und Tollhäusler unter ein Dach gebracht –; indes setzt' er diesen Bedenklichkeiten wieder seinen unschuldigen Wunsch entgegen (und schwächte jene damit genug), auf einige Reisen zu gehen, um vielleicht sowohl seinem beschwerlichen Fettwerden als seinem immerwährenden Geistanspannen einigen Einhalt zu tun.
Als ihm Worble diese Ausleerung der Fettzellen und der Gehirnkammern recht ernstlich anriet und ihn daran erinnerte, wie oft er ihm selber vorgeklagt, daß er für die Kanzel seiner Kirche (zumal bei heftigen Nutzanwendungen) endlich zu dick und feist werde, so wie sein Ringfinger für den Ehering, auf dessen Durchfeilen er sich ungern vorbereite, so versetzte Süptitz wiederum: »Wahr genug! – Inzwischen erklär' ich hiemit, lieber bleibe ich daheim, eh' ein Reisegeld mich bestimmen soll, unterwegs den Herrn Apotheker für einen Fürsten auszugeben; höchstens etwan werd' ich seinem Eigennamen Marggraf, nach der Weise der Süddeutschen, den Artikel vorsetzen und bei den Leuten sagen: der Markgraf.«
Dem Frohauf Süptitz – den Worble ein lebendiges Pro-contra oder Fürwider hieß – versetzte Renovanz, um gleichfalls abzustimmen: »Ich will bersten, tu' ich auch nur dies, gesetzt er nähme immerhin mich unter der lästigen Bedingung mit, ohne welche ich nach dem Testamente meines Vaters ohnehin nicht verreisen darf.«
»O,« sagte Libette, »Ihren phantastischen Bruder packt er so gern mit auf als Sie; was ist dem närrischen Verschwender jetzo ein Narr mehr oder weniger!«
– – Der gute Leser, für den ich ja alles tue und für welchen allein (und für niemand andern) ich eine so lange Geschichte ausarbeite, soll wahrhaftig nächstens das Kapitel, worin über den Bruder des Malers der vollständigste Aufschluß gegeben wird, in die Hand bekommen. Nur jetzo muß vor allen Dingen fortgefahren werden.
»O meinethalben!« – fuhr Renovanz fort – »Maler aber haben von jeher sich nach keinen Fürsten gefügt – Holbeine und andere haben vor Königen, die sie malten, Tabak geraucht – Tiziane haben sich von Kaisern, die nur zusahen, Pinsel aufheben und zulangen lassen. – Und dabei waren dies noch Fürsten von Geburt und Geblüt ..... Was gibts aber hier an echter Fürstlichkeit für einen Künstler? – Ohnehin hoff' ich unterwegs dem Herrn Apotheker wohl wesentlichere Dienste als jene Künstler ihren Fürsten – denn malen werd' ich ihn überdies noch oft genug müssen – zu leisten, wenn ich, da er doch jetzo sich als Fürst noch mehr denn sonst als Hunde-Apotheker für einen Kenner der Malerei wird geben wollen, mit den nötigsten Kunsturteilen aushelfe, die er in den verschiednen Kunstsammlungen, die er besieht, zu fällen hat. Ich dächt' wenigstens.«
»So denkt doch«, unterbrach Libette, »jeder nur an sich, keiner an meinen Bruder.« – »Mich nehmen Sie aus,« versetzte der Maler, »denn nach meinem Urteile soll er gar keinen Tritt aus Rom versuchen. Er muß als Mente captus, als Imbecile, als veritabler Narr seinen Vormund und Curator bekommen, der sein Vermögen bewacht, – man könnt' ihn sogar für einen Verschwender erklären.«
Da stimmte Worble ab und fuhr auf: »Wie, ein Mann, der, wie eine Harnblase, jeden Monat Steine erzeugen kann, und zwar die edelsten, der soll kurz gehalten werden? Einen lebendigen Demantbruch, ein ganzes europäisches Brasilien im kleinen, das uns wenigstens Westindiens diamantne Ketten zerbröckeln könnte, will man aufhalten in seiner Arbeit? – Beim Teufel! wenn er sich nun von heute an hinsetzte und nichts mehr machte? – Oder soll er mit seinem Glanze in diesem modrigen Neste verschimmeln, sich wie eine Fackeldistel in der Wüste abblühen? – Meinetwegen halt' er sich für die heilige Pforte oder für den heiligen Stuhl: ich werd' ihn gemäß dem Range in seinem Kopfe anreden, und wenn er sich für den Beherrscher von Darfur in Afrika ansehen wollte, der hochtrabend genugBrowns Reisen in Afrika. sich den Ochsen, den Sohn eines Ochsen, den Ochsen aller Ochsen schreibt: ich würde meine bisherige Duzbrüderschaft mit ihm ohne Anstand fahren lassen und ihm seine Titel geben. – Der Henker! dort kommen ja eben Seine Durchlaucht mit einem neuen Wagen und Kutscher herabgefahren, und Stoß steht hinten auf.«
Er wars in der Tat.
Zwei Schwestern, welche bloß für einen Kopfputz Kopf genug hatten, gaben in der Eile nur die kurzen Stimmen ab, daß es für die Ehre der Marggrafschen Familie allerdings am geratensten sei, wenn ihr verrückter Bruder ihnen und der Stadt keine Schande mache, sondern in der Fremde sein Wesen triebe. – – »Ho, ho,« versetzte Libette, »mich laßt nur mit. Und sollt' ich in ein Paar Hosen und Stiefel hineinfahren und als die einzige Frau unter dem Männergesindel mitlaufen:« – (hier nickte Worble recht beifällig und sagte: o göttlich!) »so soll mein guter blinder Bruder nicht ohne eine gescheite Schwester herumreisen, die ein bißchen auf ihn sieht; denn es gibt gar manche Schelme unterwegs, Herr Worble!«