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worin beschenkt und ausgeprügelt wird – nebst der Schlacht bei Rom
Der Unteraufschläger Schleifenheimer (so heißen in Hohengeis, wie in Baiern, Rendanten auf deutsch) war von jeher der türkische Erbfeind und Antichrist des marggrafschen Hauses gewesen. Seitdem aber sein eigner Sturz den Kassen-Stürzen einer Untersuchung nachgefolgt, dachte niemand in der ganzen Apotheke an ihn als heute der Apotheker nach dem Gebete.
Der Mann war in den frühern Zeiten abgesetzt worden, bloß weil er gern kastrierte Ausgaben der fürstlichen Einnahme veranstaltet und die sanktorische unmerkliche Absonderung am Staatskörper, als wär' es sein eigner Leib, gut unterhalten hatte. Besonders hatt' er gern, wenn er vornehme Gäste bekam, die öffentliche Kassen-Zisterne, wie man auch mit den Wasserwerken in Marly bei Feierlichkeiten tut, immer springen lassen, wodurch er wider seinen Willen machte, daß, als die markgräfliche Kommission eintraf und am Hahne der Maschine drehte, nichts springen wollte. Überhaupt hatt' er sein Haus zu sehr wie einen katholischen Tempel gehalten, immer offen für jeden, bis er selber mit herausging.
Schleifenheimer nahm bald den Charakter eines pauvre honteux an und ankerte in der Vorstadt in einer Dachkammer und ohne einen andern treu gebliebenen Gast als seinen Hunger; das Hemde war sein Sommerkleid, das Bett sein Winterpelz, den er selten ablegte, sein Bratenrock und Galakleid war ein grünseidner Schlafrock, welchen er anlegte, sooft er von seinem Dachfenster heraus der Gasse unten mit seiner Büste gleichsam einen Besuch abstattete.
Konnt' es nun für den freudetrunkenen Marggraf einen gelegnern Einfall geben als der, eine unten und oben versiegelte Geldrolle von 100 fl. in 24-Kreuzerstücken einzustecken und einem dürftigen verschämten Feinde unerkannt durch das Geschenk einer solchen Saitenrolle wieder Metall zum Bezug seines saitenlosen Schallbodens zu liefern? Er konnte unterwegs dessen Freude über die lange Wachskerze von Geld, die er dem armen Teufel von Heiligen weihte, und die schöne Erleuchtung von dessen Bodenkammer, wenn das Geld in den papiernen Lichtmanschetten herabbrennen würde, sich gar nicht unbändig genug vorspiegeln.
Nur wäre dem pauvre honteux schwer in der Nacht beizukommen, ja etwas beizubringen gewesen, wenn nicht der Apotheker unten vor dem versperrten Hause gleichsam auf einer Himmelleiter zu einem der besten Gedanken gekommen wäre. Es war nämlich eine Bauleiter an das nur von Armen bewohnte Haus (es lag außer der Stadt) einige Ellen von dem Dachfenster Schleifenheimers angelegt. Marggraf entwarf ohne vieles Nachdenken sogleich den Plan, die Leiter ans Fenster anzurücken und zu besteigen und oben auf ihr den stumpfen Geldkegel hineinzuwerfen. Das Fenster war zwar nicht offen, aber doch einige Scheiben; und erleuchtet war im ganzen schlafenden Bettelhause kein einziges.
Indes hatte der Teufel, der als der allgemeine Nachtwächter der Erde aufbleibt und arbeitet, einen romischen Nachtwächter vor die Bauleiter geführt und ihn von weiten sehen lassen, wie Marggraf eben an ihr rückte und schob. Der Nachtwächter wollte kaum seinen Augen trauen – zumal da eines von Glas war –. Weil er sich aber für versichert hielt, daß der Dieb noch lange an der Leiter zu lenken habe, so schlich er ruhig davon, um sich einen Häscher und Gehülfen zum Einfangen des nächtlichen Einbrechers zu holen.
Er kam gerade mit einem trunknen Häscher aus der nächsten Schenke zurück – dem er seinen Stab vorstreckte, damit der Mann teils angreifen, teils stehen könnte –, als Marggraf auf der obersten Sprosse vor dem Fenster stand und in der Hand den silbernen stumpfen Blitzableiter des Unteraufschlägers hielt, aber bei dem Lärmen sogleich einsteckte. Die Fanggenossenschaft aber, die nur das Einstecken der Sachen und darauf das der Menschen begriff und den Apotheker schon aus der Kammer mit dem Diebs-Sackzehend zurücksteigend glaubten, umzingelten und umfaßten die Bauleiter und schrien wechselnd: »Räuber, Schleifenheimer, Räuber!«
Kein Mensch ist wohl leichter zu fangen als einer, der auf einer Leiter steht. Der Apotheker mußte geradezu den Rückzug antreten und von hinten den beiden Hebungbedienten in die aufnehmenden Arme sinken, wollt' er nicht mit der Leiter umgeworfen werden. »Was Sakrement habt Ihr oben eingesteckt?« war die erste Frage des trunknen Schergen; er gab sich aber selber durch einen Griff in Marggrafs Tasche die Antwort, nämlich den Silberkegel. »Herr Schleifenheimer!« (wurde allgemein gerufen) »Sie sind bestohlen!«
Anfangs hatte der Unteraufschläger die Rufe »Schleifenheimer! Räuber!« viel zu sehr auf sich allein nach der Mischungrechnung bezogen und also nichts von seiner Existenz gezeigt – wie denn gewisse Menschen, wie nach den Orthodoxen der Teufel, gern ihr Dasein geleugnet sehen –; aber da er die schöne Distinktion zwischen Stehlen und Bestohlenwerden in seinem Bette vernahm: so trat er im seidnen Schlafrock ans Fenster und gab dem Häscher, der die Geldwalze emporhob und fragte, ob ihm nicht der Spitzbube diese tausend Gulden gestohlen, kopfnickend die Antwort herab, er komme den Augenblick, so wie er wäre, im Nachthabit. Er war sogleich auf den Seidenflügeln herabgeflattert. Der Apotheker blieb anfangs noch so gelassen, daß er einwandte, er habe dem Herrn da ein kleines Präsent mit der Rolle machen wollen; über welche Ausflucht die beiden Fänger herzlich lachen mußten. Der Häscher schwur, er habe ihn damit heraussteigen, und der Nachtwächter versicherte, er habe ihn das Geld einstecken sehen. Schleifenheimer, dem der Häscher die Rolle hinhielt, versetzte: »Mein ist es allerdings; mit meiner eignen Hand steht ja darauf geschrieben: 100 fl. rh. in 24kr. Unteraufschlägerei Pisäckendorf.« – »O Sie ewiger verfluchter Todfeind!« rief Marggraf und riß grimmig dem Schergen den silbernen Klöppel aus der Hand, welchen der seidne Schlafrock zum Läuten seiner großen Glocke einsetzen wollte. »Räuber!« schrie der Dreiklang. Der Häscher suchte seinen Stock emporzubringen, der Nachtwächter hielt das Horn in die Luft.
Da kam der Jude Hoseas, der seinen Diamantenherrn im Gefechte erblickte, gelaufen mit einem feinen Sommerdegen, auf welchen er eben etwas weniges geliehen hatte. Die Fänger hielten ein und wollten dem vornehm-angezognen Herrn Bericht erstatten; aber dieser ergriff vor allen Dingen Marggrafs Partei und hörte nur ihn und konnte darauf den Unteraufschläger fragen, ob er an ihn nicht selber alle Pisäckendorfschen Einkünfte vom vorigen Jahre habe einliefern müssen, und ob er wohl wage, sich zu dieser Geldrolle zu bekennen.
Die Sache ist auf einer halben Seite erklärt. Nämlich das Markgrafentum Hohengeis war mit dem verfluchten Übel geplagt, daß es zwar Geld hatte, aber nie genug, und daß es zwar Auflagen und Schulden machen konnte, aber nie genug. Es waren – dies soll erstlich schuld daran sein – die obern Staatsrechner bis zum Fürsten hinauf mit dem Augenübel behaftet, womit Pentheus von den Göttern für seine Neugierde nach den Mysterien des Bacchus heimgesucht worden, mit dem Übel, alles doppelt zu sehen – was indes Bacchus' besten Freunden auch ohne Strafe begegnet –, hauptsächlich doppelt den Inhalt des Privatbeutels und des Kammerbeutels, wovon folglich der eine die Verdopplung des Nehmens, und der andere die des Ausgebens motiviert, eine Sache, die unter dem Namen Kameral-Verrechnung bekannter ist. – Dabei war nun – zweitens – der Umlauf des Geldes sehr geschwächt durch den Durch- und Ablauf desselben, welchen jeder, der (wie ich) kein Hohengeiser Landeskind ist, ohne Gefahr Hof-Verschwendung nennen kann. In Hohengeis griffen gar beide Schöpf- und Gießräder ineinander, weil der aussterbende Fürstenstamm, wie andere Bäume vor dem Ausgehen, stark blühen wollte.
Ist indes ein Land mit dem Geld-Durchfall (Diarrhoe), mit dieser Nervenschwindsucht (nervus rerum gerendarum) befallen: so befolgt die Regierung mit Recht Galenus' Regel, während der Krankheit selber böse Gewohnheiten, wenn sie auch die Mütter derselben sind, nicht abzudanken, und setzt also unter dem Verarmen ärztlich das Verschwenden fort. In diesem Falle werden Finanzräte und Minister – römisch zu reden – gelinde zu den Metallen verurteilt und haben solchen überall nachzugraben.
Hier sah man nun im Markgraftum, wie in einem Neuspanien, daß das verachtete Judentum ebensogut im Finanzwesen wie früher in der Religion die Unterlage des Christentums sein könne. – Juden gaben und nahmen schön – Das Neue Testament und Evangelium des Finanzwesens wurde in Hebraismen geschrieben – Für die Minister, jüdische Proselyten des Tors, war der Judentalar ein gutes Schwimm- und Korkkleid – An der Uhr des Staats waren zwar Christen das Schlaggewicht, aber Juden das Gehgewicht – Kurz es war noch viel schöner, als ichs hier male, und ich wünschte wohl einmal durch ein solches Land zu reisen. – –
Schleifenheimer, welcher die Frage des Juden über die Ablieferung der Geldrolle verstanden, wollte nicht gern seine Amtehre zum zweiten Male verlieren, sondern versetzte: »dieses Geld mein' er auch nicht, sondern das andere, das der Apotheker, sein alter Todfeind, der auf der Leiter bei ihm eingebrochen, noch müsse in der Tasche haben.«
In diese wollte der Scherge fahren, aber Marggraf entzog ihm mit der Linken den Alpenstock, mit welchem der Trunkne besser stehen wollte, und brachte auf seiner Stirn mit der langen Geldstange den hinlänglichen Windstoß zum Umfallen an. Jetzo nun begann das Treffen, und ich glaube nicht, daß ich je ein hitzigeres beschrieben, oder auch Napoleon im Moniteur; man sieht aber, was Menschenkräfte vermögen, wenn sie sich aufmachen.
Anfangs der Schlacht bei Rom – so heißt sie allgemein – war der Feind dreimal so stark und bestand aus dem Nachtwächter, dem Unteraufschläger und dem Schergen, der mit seinem ganzen umgeworfnen Körper oder corps den Boden besetzte oder belegte. Marggraf war bloß so stark wie er selber; denn der Schächter mit seinem Sommerdegen war kaum für eine bewaffnete Neutralität anzusehen. Mit dem linken Flügel konnte der Apotheker, weil er ihn bloß in der Linken hielt, nämlich mit dem Alpenstock, nur schwach operieren und ihn wenig oder nicht entfalten; ja es mußte ihm genug sein, damit das Ochsenhorn des Nachtwächters zu beobachten und abzuhalten, welcher nicht mit der Spitze des Horns, wie die Stirn des ersten Besitzers, sondern mit dem stumpfen weiten Ende die Ausfälle tat und sehr geschickt es so gut zu Hieb als zu Stoß, folglich sowohl gegen Schultern als gegen Bauch zu führen wußte.
Aber mit dem rechten Flügel, in der rechten Hand, mit der Kreuzerstange, hieb er schnell auf alle Glieder des Schleifenheimerschen Gesichtes unter beständigem Rufen ein: »Da, da, nimm das Geld, da stiehls, du Lügner, du ewiger verfluchter Todfeind!« – Dieser suchte still bloß die Rechte des Apothekers zu entwaffnen und fing unaufhörlich nach dem Stoßgewehr, um dessen Spitze abzubrechen. Der Häscher fiel dem Apotheker statt in den Rücken gar in die Fersen und suchte ihn daran zur Niederlage zu nötigen. Der Nachtwächter setzte sich in den Besitz seines linken Arms, welcher den Stock leitete, (der ganze linke Flügel wurde dadurch untätig gemacht) und wollte ihn als Krieggefangenen fortführen: als Marggraf zwischen zwei Feuern – dem Miniercorps des Schergen unten und der Seitenbewegung des Nachtwächters oben – mit einer Tapferkeit focht, daß der letzte ein gläsernes Auge einbüßte und wie die größten Feldherrn, Ziska, Hannibal, Bajazeth, Philippus, nur einäugig kommandierte – und daß aus des Unteraufschlägers Nasenlöchern, die dem Stangenkanaster der Geldrolle am stärksten ausgesetzt waren, Blutbäche flossen, welche sich am Kinne zu einem roten Judas-Spitzbärtchen paarten – und daß er selber, unbekümmert, was er am Häscher ertrete, mit den Füßen vorrückte, dabei grimmig rufend: »O ihr Sünder sämtlich! Wollt' ich doch heute so liebreich sein und Gott Dank bringen – und ihr setzt mich hier in solche verfluchte Teufels-Wut, ihr Teufel, ihr Unmenschen, ihr Unchristen!«
Noch schwankte gänzlich der Sieg. Der Schächter Hoseas, der mit seinem Sommerdegen der Schlacht hätte, wie man glaubt, den Ausschlag zu geben vermocht, wollte durchaus nicht ziehen, um das verpfändete Mordgewehr nicht mit Menschenblut zu beflecken; nicht einmal mit der Scheide wollt' er ernsthaft dreinstechen und schlagen, weil er zu beschädigen fürchtete, nicht den Feind, sondern den Parisien. Ja als er endlich durch den Zorn des Häschers, der unten alles anpackte – bis sogar des Juden Schuhschnallen –, so weit gereizt und gewonnen war, daß er zur Verteidigung seiner Füße den Sommerdegen bei der Spitze ergriff und mit dem Gefäße plötzlich losbrach und über die Hände des Feindes herfiel: was waren die bedeutenden Folgen eines so späten Feld- und Nachzugs? Melden nicht alle uns bekannte Kriegberichte, daß der Häscher im Grimme das Degengefäß mit der Hand gefangen und die Scheidenspitze gewaltsam durch Hoseas manschesterne Hosen getrieben, so daß nicht nur der Jude geschrien: »Ich bin durchstochen«, sondern auch der Häscher unten im Dummsein: »Hülfe! Der Hoseas hat mich erstochen«? – Aber sind dies die Siege, auf die ein Marggraf an seinem Diamanten-Triumphtage mit Ehren zählt?
Glücklicherweise war schon lange das Gerücht vom Anfange der Schlacht bei Rom in die Apotheke getragen worden. Der Stößer fuhr als Reserve heraus. Ruhiger folgte ihm der Hofstallmaler, welcher seinem Pudel die Laterne, womit das Tier gewöhnlich ihm vorlaufen mußte, vorher anhing und anzündete. –
Auch Süptitz war ziemlich gesetzt von weitem nachgegangen, hatte aber, sobald er das Gedränge der Anfälle auf den Apotheker wahrgenommen und daraus den Schluß abgezogen, daß dieser sich übermäßig wehren und um sich schlagen müßte, sich aus Schonung für ihn davongemacht, um nicht als Zeuge gegen seinen Wohltäter aufgerufen zu werden, wenn dieser der Übeltäter an irgend jemandes Gliedern geworden wäre.
Stoß stürzte sich mitten ins dickste Schlachtgetümmel und stellte darin im Kriegfeuer ein Lauffeuer vor – eine Lauferspinne – einen Schachspringer – einen Hopstänzer – einen Harttraber (zumal für den liegenden Schergen) – einen Hüpfpunkt (punctum saliens) – ein äußerst schnell hin- und herfliegendes corps war er, weil er sonst keine andern Kräfte hatte. Auch zu rühmen ist der Eifer, womit der Stallmaler zu den allertapfersten Taten anspornte mit den Worten: »Stößer, zugestoßen! – Nur aufgewichst! – Niemand geschont beim Henker!« Denn der Maler wollte recht lange das köstliche Schauspiel festhalten, daß der Pudel, der sein Laternenlicht wie eine Leuchtkugel auf das Schlachtfeld warf, durch den tiefen Stand seiner Nachtsonne am Halse eine ungewöhnliche malerische Beleuchtung auf alle gekreuzten kämpfenden Beine, so wie auf den Mittelgrund, den Häscher, fallen ließ: – etwas Schöneres war Renovanzen nie vorgekommen, noch auf keinem Gemälde.
Aber Stoß – von zu schwacher Natur und zu kurzer Statur, keineswegs gewachsen den beiden langen Flügeln, dem Nachtwächter und dem Unteraufschläger, (denn vom durchbrochnen, nämlich umgebrochnen Zentrum des Heers, vom Häscher, ist ja keine Rede) – merkte bald, daß er wenig erfechten würde, wenn er nicht, anstatt taktisch, ganz strategisch verführe. Es war also reine Strategie, daß er den Nachtwächter umging, bis er ihm in den Rücken und darauf in die Haare fallen konnte, welche letzte er durchaus behaupten und ziehen mußte, um ihn daran, indem er ihm zu gleicher Zeit mit der Handkante einen hinlänglichen Schlag auf den Übergang von der Nase zum Mund erteilte, behend umzureißen. Schön wurde der strategische Plan ausgeführt. Den Unteraufschläger hingegen, dessen seidner Schlafrock ihm ungebunden entgegenflatterte, faßte er bloß an solchem an und benützte den langen Rock geschickt wie ein Seil, womit Holzhacker eine halb durchsägte Tanne nach einer bestimmten Seite hinzufallen zwingen – und suchte ihn rücklings neben den Nachtwächter zu legen – was ihm jedoch nicht in einer solchen Schnelle gelungen wäre, daß er sogar selber ihm nachfiel, hätte nicht zur nämlichen Zeit der Apotheker glücklicherweise wieder mit dem Sturmbalken der Vierundzwanzigkreuzerstücke die Stirn des Aufschlägers berennt. Kriegverständige sehen ohne mein Erinnern, daß es ganz die vorige Strategetik war.
Noch aber war der Sieg nicht ganz entschieden, als herrlich und recht unverhofft der papierne Sturmbalken zerfuhr und alle die Stücke, womit er geladen war, die Vierundzwanzigkreuzerstücke, auf den liegenden Postzug von Kriegern schossen. Wieder ein neues Gefecht im Gefecht! Jeder vergaß alles, sich ausgenommen, und haschte – der Häscher, der, wie die Morgenstunde, einiges Gold oder Geld im offnen Munde hatte – der Nachtwächter – der Unteraufschläger besonders – sogar der Stößer, der dem Feinde nichts gönnte – auch der hosendurchstochne Hoseas bückte sich und erhob – mehre Zuschauer streckten sich selber nieder, und der liegende Kriegschauplatz langte über den stehenden hinaus – Marggraf schüttelte gar den Stumpf von Vierundzwanzigern gleichgültig über die Silberhochzeitgäste herab und schritt unangetastet und hurtig davon.
So hatte das Fallen seines Staatpapieres ihm Sieg und Frieden gebracht. Was das darauf entstandne Nachtreffen oder den Sukzessionkrieg über die Kreuzerstücke anbelangt, so gehört es nicht in meine Geschichte des wichtigen Treffens bei Rom, so kunstgerecht in der Ausführung, so weitgreifend in seinen Folgen, die noch dauern!
Zu erzählen ist nur noch, daß Marggraf matt, blaß, stumm sich nach Hause begab und darin sich allen Gästen durch Einsperren entrückte. Dem Freimäuerer Worble, welchem er unweit des Kriegschauplatzes begegnete, soll er auf seinen scherzhaften Glückwunsch gar keine Antwort gegeben haben. Ich berühre mit Fleiß diesen für den Feldzug so geringfügigen Umstand, weil ich den Feinden des Freimäuerers, welche daraus gern eine marggrafsche Mißbilligung seiner Neutralität und Furchtsamkeit erschließen und so den Freund des Apothekers in Schatten stellen wollen, hier offenherzig sagen will, daß Marggraf bloß aus tiefem Schmerze über die heutige erste (eigentlich zweite) Kränkung seiner Ehre und über die zerreißende kälteste Unterbrechung seiner weichsten Gefühle gegen die Scherze Worblens stumm geblieben; aber ganz und gar nicht aus Empfindlichkeit über dessen furchtsames Beiseite-Stehen während der Schlacht. Der Apotheker wußte so gut als wir, nur noch früher, daß der Freimäuerer unter allen Dingen in der Welt nichts so besonders scheuete und floh als – Prügel; und auch diese nur wegen möglicher Wunden davon; denn sonst war er tapfer genug; und wie oft hatt' er nicht selber gesagt: »hundert Dinge woll' er ertragen als ein Mann, Schimpfreden, Beutelleere, Hitze und Kälte, auch einigen Hunger und Durst so ziemlich; man spüre dergleichen nicht unaufhörlich, oder wenn man schläft. – – Verfluchte Wunden hingegen, welche Tage und Nächte lang fortstechen und fortbeißen, die seien für wenige gemacht, und kein Held habe sie gern. – Noch dazu müsse man sich solche von andern im Fluge geben lassen nach fremder Willkür ohne irgendeine Übereinkunft, wie breit etwan, wie tief, und wo. – Daher verliere auch Prügeln, das sonst jeder dichterisch-komische Kopf so gern in der Darstellung der Kunst genieße, ja durch bloßes Heraussehen aus dem Fenster, auf der Stelle allen poetischen Wert für den Dichter, wenn er selber mit seinem Leibe hineingerate.«