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VII

Der Per Hansen kam bei grauendem Morgen heim und sah aus, als habe er die Sprache verloren. Er setzte sich in der großen geräumigen Küche an den Tisch und ließ sich zu essen geben, – von Zeit zu Zeit sah er zum Fenster hinaus. – Die Beret setzte alles vor ihn hin und fragte, wie es drüben stehe. Er antwortete kurz angebunden, aß lange und sah immer wieder hinaus. Dann stand er auf, stellte sich mit dem Rücken vor den Herd, verschränkte die Hände hinter sich, als wäre er durchfroren und könne dem Feuer nicht nahe genug sein.

»Es steht nun so um ihn,« begann er gedankenvoll, »daß er überzeugt ist, er stehe von diesem Lager nicht mehr auf, – und das mag auch zutreffen. Aber er jammerte, daß er durchaus den Pastor haben müsse! – Rein unheimlich ist es, ihn anzusehen. – Kannst du es mir erklären?« Er sagte es vor sich hin, als denke er laut, nicht, als frage er die Frau.

Die Beret hatte die Arbeit unterbrochen; ihr Gesicht erstrahlte von innerem Glanz, – sie sagte freudig: »Das verstehe ich gut; der Herrgott sei ihm nahe und erhöre sein Seufzen! – Es muß sogleich jemand versuchen, den Pastor zu erreichen!«

Der Per Hansen starrte vor sich hin.

Die Beret kam mit dem abgeräumten Geschirr und blieb vor ihm stehen: »Du mußt jemand mit dir nehmen! – Entsetzlich ist es zwar; ginge es nicht an zu reiten?«

»Reiten –, was redest du für Zeug!«

Sie sah ihn an und sagte mit Nachdruck:

»Aber es ist fürchterlich, daß eine Seele der Hölle verfällt, wenn Menschen es hindern können!«

Der Per Hansen lächelte grimmig: »Ja, soll auch der Hans Olsen dorthin, dann sind hier herum nicht viele, die einst in die entgegengesetzte Richtung fahren, – der kommt schon noch dahin, wo er hingehört!«

Ihr schauderte. Wie gotteslästerlich hörte sich das an; sie setzte das Geschirr äußerst erregt auf den Tisch: »Wir wissen doch nur zu gut, wie sich das Leben hier draußen geartet hat! – Boden hieß es und Haus, und mehr Boden, und Vieh. Auch der Hans Olsen hat ständig danach gegiert, – darin ist sein Leben aufgegangen! – Jetzt beginnt es ihm einzuleuchten, daß er sich im Himmel keine Schätze gesammelt hat; – es hält doch nicht schwer zu verstehen, daß es einem Menschen um seiner Sünde willen angst wird und er von ihr losgesprochen werden will!«

»Es sieht so aus, als verstehe ich mich auf nichts!« sagte der Per Hansen bitter. »Obwohl es für einen erwachsenen Menschen nicht schwer halten sollte zu verstehen, daß heute niemand lebend über die Prärien bis James River kommt! Und daß der Herrgott sich des Hans Olsen nicht auch ohne Pastor und Küster erbarmen werde, das wirst du mich nimmer glauben machen!«

»Der Gott dieser Welt hat die Sinne der Ungläubigen verblendet! Einem Menschen sollen die Augen geöffnet werden, und wir wollen dazu die Hand nicht reichen!«

»Jetzt hüte deinen Mund, Beret!« sagte Per Hansen erregt. »Willst du mich geradezu in den schwarzen Tod hinauszwingen?«

»Wie häßlich du redest, Per Hansen!«

»Redest! – Glaubst du nicht, der Herrgott hätte Reisewetter geschickt, hätte er gewollt, daß ich mich auf diese Fahrt begebe?«

Sie sah ihn an: »Man könnte doch versuchen, weiß ich recht?« sagte sie besonnener. »– Und wenn du jemanden mitnähmest; der Henry hat einen leichten Schlitten, und es geht doch auch an, wieder umzukehren, – der Herrgott vergibt uns, was wir nicht durchzuführen vermögen!«

»Es ist gewiß das beste, der Henry macht's allein – diesmal!« sagte der Per Hansen in hellem Zorn, ging zur Treppe und rief dem Ole und dem Großen-Hans nach oben zu, jetzt müßten sie gefälligst zusehen, in die Kleider zu kommen; zog sich an, ging hinaus an die Morgenarbeit.

Es war draußen viel zu besorgen; aber er war heute zu erregt. Alles miteinander war wie auf den Kopf gestellt. Daß verständige Menschen nicht über ihre eigene Nase hinwegsehen konnten! Da stellte sich der Hans Olsen ganz närrisch an, weil er durchaus einen Pastor brauche, obwohl es auf Gottes weiter Erde keinen besseren Menschen gab als ihn. Und die Beret verlangte von ihm, dem Per, er solle kopfüber ins Meer springen, – sie, die ein Herz hatte, daß sie keiner Maus etwas zuleide tun konnte! – Er hatte sich alle seine Tage darum abgerackert, daß sie und die Kinder es gut haben sollten, – und da wurde ihm ins Gesicht geschleudert, daß er wie ein elender Maulwurf sei, der nur das Loch sieht, in dem er buddelt! Ja, weiß Gott, eine seltsame Welt! – – Nun, dann war wohl er der Verdrehte!

Die Buben kamen, und alle drei nahmen die Skier und fuhren nach Norden, um nach dem Vieh zu sehen. Grauwetter war's, und kalt wehte es aus Westen. Aber der Große-Hans war so unbändig froh über all den Schnee und die Skier, die so fein über die Schneewehen glitten, daß es ansteckte und des Per Hansens Mißmut wich.

Während der Arbeit bei der Herde plauderte er mit den Buben wie mit gleichaltrigen Kameraden, wie immer, wenn er recht gut aufgelegt war. Diese Unmenge Schnee, die prophezeie also ein Kornjahr für den Sommer. Und treffe das wirklich zu, dann würden sie zum Herbst einen großen Stall bauen; aber dann wollten sie es nicht so albern machen, wie der Torkel Tallaksen, und Stall und Scheuer gesondert bauen! Das sehe zwar gut aus, sei aber unpraktisch, – es werde teurer und die Häuser kälter. Nein, einen Staatsstall wollten sie sich schaffen, rot gestrichen und mit weißen Windbrettern an den Ecken, – denn das nehme sich stattlich aus!

Und er gab ihnen noch manchen trefflichen Rat. –

Sie hatten reichlich Arbeit. Sie mußten das Vieh mit Wasser und Heu versorgen; sie schütteten die Streu und verstopften die Löcher in den Wänden mit Stroh, sie plauderten und arbeiteten alle drei wie Männer. Dem Per Hansen war dabei, als wälze er etwas Schweres von sich ab.

Kaum waren sie fertig, da nahmen die Buben ihre Skier und sausten davon. Sie legten den Heimweg über die höchste Kuppe und hatten glatte Abfahrt bis zum Bach. Herrlich war es mit all dem Schnee! –

Als er endlich an seinen Hof kam, trat die Sörine aus der Küche und schnallte sich ein Paar Skier an. Sie hatte kaum mehr an, als sie im Haus trug, sah er, hatte nur ein Tuch lose über den Kopf geworfen; er schloß daraus, daß sie in großer Eile von Hause weggegangen sei, und er ahnte das schlimmste.

Es sei gewiß nicht viel ärger geworden, soweit sie sehen könnte, erläuterte sie ihr Kommen traurig, als er auf sie zutrat, und schlug die Augen nieder, – der Hans sehe eher besser aus. – Aber jetzt sei die Bridget dagewesen und habe nach ihm gesehen; die habe ihm keine Hoffnung gegeben. »Da mußte ich her,« fuhr die Sörine fort, »und mich ein wenig mit dir beraten. – Er spricht davon, daß du nach dem Pastor reisen werdest, und das möchte wohl nötig sein, und er ist dessen so froh. – Jetzt sehe ich jedoch, daß es nicht wegbar ist; solltest du aber dennoch aufbrechen, so ist es vielleicht besser, wir versuchen, den Doktor zu erreichen! – Ich sehe zwar, daß das Wetter nicht danach ist, mußte aber doch einmal nachhören.«

Der Per Hansen sah auf die Skier, ihre Stimme klang dünn und kümmerlich in dem graukalten Wehen; er merkte, wie ihn selber fror, und sah, wie dünn angezogen sie vor ihm stand.

»Wärme dich erst, ehe du gehst,« sagte er still.

»Nein, jetzt muß ich schleunigst heim. – Ich weiß, es ist häßlich von mir, daß ich komme, aber« – die Stimme setzte eine Weile aus, kam dann wieder – »es ist so seltsam, ihn von hinnen fahren zu sehen, ohne auch nur das geringste für ihn tun zu können! – Und dann ist es auch das, daß für dich niemals etwas unmöglich gewesen ist, und da dachte ich, vielleicht wissest du auch jetzt einen Rat!«

– »Hat er dich gebeten, herzugehen?«

»Das hat er zwar gerade nicht – aber er plagte sich damit, ob du nicht bald fertig seiest, – ich verstand ihn so, daß er wünschte, ich solle nachschauen gehen –.«

Der Per Hansen sagte nichts mehr; er sah sie auch nicht an, und da ging sie.

Er nahm die Skier ab, klopfte sorgsam den Schnee los und lehnte sie gegen die Wand. Aber er ging nicht hinein. Seine Gedanken folgten der über die Ebene gleitenden Frau, überholten sie und sahen den Nachbar in der Hütte liegen, sahen, daß die großen Augen ihn flehend anstarrten, wie die eines Hundes. – Er schaute lange regungslos in die Luft.

In der Küche spielte der kleine Per Getreidedreschen. Als der Vater hereinkam, rannte er auf ihn zu und rief voller Eifer und möglichst männlich: »Komm und hilf mir, Ral, dann werden wir noch vor Abend fertig!« – Das Mittagsmahl war noch nicht fertig; der Vater zog sich aus und spielte mit dem Büblein, und bald hockte auch er auf dem Fußboden.

Während des Essens wechselten die Eltern kaum einige Worte; ihre Augen wichen sich aus.

Nach Tisch wollte das Knäblein durchaus mit dem Vater weiterspielen, – und der Per Hansen setzte sich wieder zu ihm und beratschlagte mit ihm, wie sie es anstellen könnten, daß sie noch heute mit dem Dreschen ordentlich vorankämen.

Die Mutter räumte ab und sah ihnen erstaunt zu. Da spielte er jetzt mit dem Kinde, rein als gäbe es in der ganzen Welt für ihn keine ernstere Aufgabe! – – Der Tag verstrich, – gedachte er wirklich nicht, etwas zu unternehmen? Sie hätte schreien mögen, so quälte sie die Unruhe. – War er denn steinstockblind geworden!

Nachdem sie aufgewaschen, sah sie eine Weile zum Fenster hinaus; dann ging sie zum Kleiderhaken und begann sich anzuziehen. Er merkte auf.

»Willst du hinaus?«

»Ja.« – Sie zog sich eine seiner Überjacken an und eine große Strickmütze über den Kopf.

Er sah wieder auf: »Willst du weit fort? Du ziehst dich so warm an?«

Sie zauderte mit der Antwort.

»Ich muß zum Henry, – es muß jemand für den Hans Olsen fahren!«

Sie hatte rote Wangen, ihre Augen leuchteten in einem stillen Licht.

Der Per Hansen lachte und stand auf.

»Jetzt nimm dich zusammen, Frau!« sagte er, als rede er einem unartigen Kind gütlich zu. »Es ist draußen nicht Weiberwetter, – das siehst du wohl selbst!«

»Es ist gewiß auch nicht Wetter für Mannsleut, scheint es!«

Er stand plötzlich vor ihr, – weiß im Gesicht, mit bösen, flackernden Augen.

Gott tröste mich, dachte sie, jetzt legt er Hand an mich, – und doch habe ich nur gesagt, was wahr ist!

»Jetzt wollen wir nicht weiter fackeln!« sagte er heiser. »Hast du – hast du etwas mit dem Henry zu bereden, kannst du es hier im Hause tun, aber du sollst dich heute nicht von Haus zu Haus herumtreiben!«

Ehe sie sich noch besinnen konnte, war er zur Küche hinaus.


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