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Der Winter ließ nicht mehr locker, als er erst Fuß gefaßt. Das Schneetreiben tummelte sich gewaltig unter dem niedrigen Himmel, wühlte die Luft zu einem einzigen Wirbel zusammen, fegte mit argem Reiserbesen über die Ebene, rührte ein Gestöber auf, daß man die Augen nicht aufmachen konnte. – – –
Kaum klärte es auf, so zwängte sich der Frosthauch auch durch die winzigste Ritze und hinterließ seinen weißen Dunst. Der Atem stand, kaum daß er den Mund verlassen, gefroren in der Luft. Faßte man Eisen an, blieb ein Stück Haut daran hängen.
Aber bisweilen schob sich dazwischen ein leuchtender Sonnenscheintag. Dann lag die Riesenebene in funkelndem Glitzern von Myriaden Diamanten. – Das war so stark, daß es das Sehvermögen betäubte: wo es nichts gab als leuchtendes Weiß, sah das Auge nur schwarz.
Der Abend, der trollstille Abend, schöner als je ein Kindertraum ihn erfunden! – – – Im Westen sank ein flammendes Antlitz auf ein weißes Lager, steckte es in Brand, in Strahlenbrand, in Goldbrand, der die einzelnen Himmelszonen überflutete. Der Brand ergriff die vielen hunderttausend Millionen Diamanten und ließ sie in gelben, roten, grünen und blauen Flammen aufleuchten. – – –
Diese Abende enthielten Gefahren für jederlei Menschengemüt. In das gesunde legten sie lärmendes Lachen: wer hatte wohl je solche Mondnacht erlebt? – – – In dem Kranken aber weinte es, weinte hoffnungslos. Denn das war nicht mehr Leben, das war die Ewigkeit selber. –
Der Per Hansen hockte in seiner Gamme, aß, sog an der Pfeife, beobachtete angstvoll die Frau und wußte nicht aus noch ein. – Wo hätte er wohl hin gesollt? Es ging doch auch nicht an, die Nachbarn zu besuchen, wenn es daheim so elend stand. – Aber seine Gereiztheit nahm zu; es wurde ihm immer schwerer, die Fäuste feiern zu lassen. Es konnte ihn bisweilen solche Lust ankommen, die Beret, seine prächtige Beret, auf den Schoß zu nehmen wie ein unartiges Kind – jawohl, akkurat so! – und ihr Vernunft zuzusprechen. Denn das war nicht rechtschaffen von ihr gehandelt! Freilich hatte sie's jetzt nicht leicht, aber das ging doch einmal vorüber. – Und schau, die Plage lohnte sich wenigstens, war etwas, zu dem ein erwachsener Mensch sich frei bekennen konnte! Und sie hatte dazu noch ihre gesamte gewohnte Hausarbeit zu betreuen. Aber er? Ja, er durfte bloß dasitzen und zuschauen! – –
Nein, das war wohl auch verkehrt gedacht. Er wurde es nur so schauderhaft überdrüssig, hier herumzusitzen und zu warten! Sonderbar auch, daß sich das so lange hinauszog? Es mußte doch fast an der Zeit sein? – –
Er überlegte sich jetzt oft den Namen. Und das stand sogleich bei ihm fest: wurde es ein Dirnlein, sollte es Beret heißen, – das war ausgemacht! Kam sie aber mit einem Buben zu ihm, da wußte er noch nicht so recht? Er versuchte es mit zwei Namen, aber – nun ja, er mußte halt zusehen. – – Kam sie bloß erst mit dem Kinde, dann wollte er's mit den Namen schon schaffen!
Er kam sich so jämmerlich vor und fühlte sich geradezu unpäßlich, wenn er um die Hütte herumkroch. – – Wenn er noch geschwind einen Ausflug zu Sioux River machen könnte – es kam über ihn wie eine Versuchung – zu den Tröndern! Das bißchen Kälte war doch nichts! Der Weg war lang, gewiß! Aber er wollte ihn schon hinter sich bringen. Hatte er nicht ein Fünftehalbschottboot mitten in der schwärzesten Winternacht vom südlichen Helgeland bis nach dem westlichen Lofot sicher geführt? Dagegen war das hier ein Nichts. – Und bei den Tröndern, die alteingessen waren, konnte man so vielerlei erfahren. Es war doch merkwürdig, was sie ihm letzthin von den Indianern bei Flandreau und ihrem Pelzhandel erzählt hatten.
Aber das alles hatte ja keinen Sinn. Hier quälte sich die arme Beret mit dem, was auf ihr lag, und dem, was ihr bevorstand, und er durfte nur noch an sie denken.
Und der Per Hansen dachte an sie. – Ihm war aufgefallen, daß sie die Kälte schlecht vertrug; sie klagte nie, aber er sah es. Er sorgte jetzt selber für den Herd, hielt ihn fast den ganzen Tag über auf Rotglut. Dennoch war die Stube in der grimmigsten Kälte nicht genügend erwärmt. Der Lehmboden war immer kalt, und die Beret hatte kälteempfindliche Füße.
Da kam der Per Hansen eines Tages auf etwas, was ihm große Freude und Zerstreuung brachte. Während er und die Buben sich mit dem Holz zu schaffen machten, hatte er die größten astfreisten Stücke ausgesucht und sie viereckig zurechtgeschnitzelt, sie darauf zum Trocknen hinter den Herd gelegt; er wollte diesen Winter etwas recht Schönes daraus machen. – Jetzt suchte er sich die besten aus und fertigte ein Paar echter norwegischer Holzschuhe für die Beret, – er wußte, wie angenehm warm die halten, solange sie neu sind. Er war lange im Zweifel wegen des Oberleders gewesen. Aber dann schnitt er kurzerhand eine Ecke von der Felldecke ab, schor die Wolle kurz und machte daraus die Schuhdecken. Er setzte alles hübsch und nett zusammen und war nicht wenig stolz darüber. – Als er fertig war, trug er sie zur Beret und tat sie ihr an die Füße.
Sie war über das Geschenk gerührt, das sah er deutlich; aber dann sagte sie etwas, das sie, fand er, besser ungesagt gelassen hätte:
»Darauf hättest du früher kommen sollen. Jetzt bin ich schon den ganzen Winter mit kalten Füßen herumgegangen.« Die Worte fielen leise, es lag auch keine Anklage in ihnen, – sie sagte sie nur.
Aber da ging er stracks aus der Stube, blieb vor der Türe stehen, sah lange in den Abend hinein. – – Es spielte dort draußen. – – Dort war nicht Ruhe. – – Rief ihn nicht etwas? –
Der Per Hansen verspürte solchen Zwang zum Weinen. –