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X

Die Tage wurden allmählich wieder länger. Und der März zog herauf, und das Wetter wurde nicht schlechter. – Der Per Hansen arbeitete wie toll; reichte ihm der Tag nicht, nahm er kurz entschlossen die Nacht zu Hilfe. Und im März vollbrachte er ein paar Heldenstücke, von denen noch heute in der Gegend die Mär geht.

Mit jedem Besuch bei den Tröndern hatte er mehr von der Indianer-Kolonie bei Flandreau erfahren. Die Sioux betrieben dort das Fallenstellen von Beginn der Herbstfröste bis zum Frühlingstauwetter. Im Frühling verfügten sie über große Lager von Fellen, hauptsächlich von Wasserratten; aber auch Nerz- und Fuchsfelle waren darunter, bisweilen auch ein Wolfsfell. Die Felle verkauften sie, wo sich Gelegenheit bot, und nahmen dafür, was sie eben bekamen, und das war kaum der vierte Teil von dem, was man in Ost-Minnesota dafür einlösen konnte. Ein Wasserrattenfell wurde in diesen Gegenden mit 10 Cents bewertet – 10 Cents und nicht mehr; und im Osten wurde dasselbe Fell mit 50 Cents bezahlt. – Längs des Elvs wohnten Leute, die angefangen hatten, die Felle von den Indianern aufzukaufen und sie nach Osten zu verfrachten.

Über das alles und mehr dazu hatte sich der Per Hansen unterrichtet, und den ganzen Winter über hatte er es gründlich erwogen, nichts jedoch vor irgend jemand erwähnt. Die Gedanken ließen nicht mehr locker; er dachte daran des Tags, grübelte darüber des Nachts, wurde wortkarg und kam leicht aus der Stimmung.

Warum sollte er nicht selber mit den Indianern unterhandeln und verdienen, was zu verdienen war; er konnte es brauchen! Ja, warum eigentlich nicht? Bis Flandreau waren es nicht mehr als vierzig Meilen, – von dort bis Worthington etwa neunzig. Und dort wartete auf ihn der Zug nach Osten! Jetzt wurden die Tage länger, er konnte sich hier nicht das geringste vornehmen – und das Wetter war nicht ärger, als daß man dabei reiten konnte. – Zu Flandreau lagen die Felle, in Ost-Minnesota lag der Gewinn, – eine rührige Ameise schaffte viel. – Peder Sieg, klang es in ihm, – Peder Sieg – –

Aber er besaß nicht mehr als gerade fünf Dollar! Ob er jetzt zum Hans Olsen ging und den mitnahm? Der hatte die Heller, war noch nicht so ganz auf den Hund, der Mann. – Doch damit war noch nicht gesagt, daß es ihn nach solchen Wagnissen gelüstete. Und wie konnte er ihn mitnehmen und Tönset'n daheimlassen? Es war nicht gerade kurzweilig, dann daheim zu bleiben! – Wenn sie drei aber fuhren, dann mußte auch einer von den Solumbuben mit – wohl der Henry, denn in dem war noch am ehesten Kernholz. Aber dann fiel die Schule aus. Und dann wurde von der ganzen Geschichte Gerede gemacht, und die Weiber wurden alle miteinander furchtsam.

Nein, er wußte nicht so recht, wie er es halten sollte, damit es gelang. – Aber zum Verrücktwerden war's, daß einem das Geld geradezu vor der Tür lag! Und er hätte am liebsten noch ein Landquart dazu gehabt, ja, und noch vieles andere außerdem! –

Die erste Märzwoche verging.

Eines Morgens war der Per Hansen früher auf als gewöhnlich und besah sich das Wetter. – Das gehe wahrhaftig nicht länger an, sagte er zur Beret, unterbrach sich und wartete darauf, daß sie frage, was denn nicht länger angehe. Als sie aber schwieg, fuhr er fort: jetzt stehe die Frühjahrsbestellung vor der Tür – er sei ohne Geld – sie brauchten vielerlei, außerordentlich viel, sowohl Nasses wie Trockenes, – so daß er wohl zusehen müsse, sich etwas auszudenken, womit sie sich ein paar Dollar verdienen könnten; – er sehe keinen andern Rat.

Die Beret wurde unruhig, äußerte aber immer noch nichts.

Und da erzählte er ihr von der Indianerkolonie im Norden bei Flandreau, und daß dort so leicht ein paar Dollar zu verdienen seien. Well, meinte sie nicht auch, daß er sich in Flandreau umschauen müsse? – Der Weg dorthin sei ja nicht gar so lang.

Er fragte, sah dabei aber zur Seite. – Und als er keine Antwort bekam, versuchte er von neuem: glaube sie nicht, daß sie sich mit den Buben allein durchhelfen könne? Denn die Tage seien doch jetzt schon hübsch lang? – Seine Stimme wurde zärtlich und weich.

Die Beret sah vor sich hin. Richtig war es zwar, daß sie viel brauchten, – alles, was Menschen nötig hatten, schien es ihr. Am übelsten war es mit der Kleidung für ihn und die Buben bestellt, und ihr war schon alles Zeug zum Flicken ausgegangen.

»Wir müssen halt zusehen, uns ums Leben zu mühen, solang es geht, weiß ich recht –.«

Da wurde er sehr fröhlich: das war klug von ihr gesagt!

»Ja, das meine ich auch. Und jetzt wird sich schon Rat finden!«

Er war aufgeräumt, hörte sie. – – Nein, sie wunderte sich wahrlich nicht, daß er gern von dannen wollte, – hätte er nur auch daran gedacht, daß andere das gleiche fühlten.

Wann wolle er reisen?

»Ja schau, du Beretmutter, da du meinst, es geht an, glaube ich fast, ich flitze schon heut davon! Ich nehme den Pony; das Wetter scheint sich zu halten! – Schau mir ja gut nach dem Prachtbüblein!«

Das letzte hätte er gern ungesagt lassen können, fand die Beret, aber sie schwieg. –

Eine halbe Stunde später brach der Per Hansen auf.

Spät am Abend fand er Flandreau, kroch in einer Hütte unter und barg das Leben für diese Nacht. – Sobald er am nächsten Morgen den Pony besorgt hatte, nahm er ihn beim Zügel und begann herumzuwandern und die Leute zu begrüßen. Er suchte unter den Gesichtern; das, was er halbwegs gehofft hatte zu finden, war nicht darunter. Die Gesichter begegneten seinem Forschen mit Erstaunen; den Pony erkannten sie aber und an ihm auch den Per Hansen. Er merkte es und freute sich. Paß auf, das läuft gut ab, dachte er. – Jetzt ging er an den lange überlegten Plan: Er wählte sich das Gesicht, das ihm am besten gefiel und sagte das eine Wort: Pelz! Und sah es dabei fragend, aber freundlich und fröhlich an.

Gewiß, der Mann hatte reichlich! Er nahm den Per Hansen mit und zeigte ihm mehrere Bündel Wasserrattenfelle.

Da lachte der Per Hansen. Mit einem Zweig schrieb er die Zahl 10 in den Schnee und das Wort Cents. Dann zeichnete er eine Figur daneben, die einen Menschen mit einer Tragstütze auf dem Rücken vorstellen sollte. Er zeigte erst auf die Figur, dann auf die Zahl Zehn und zuletzt auf den Indianer. Er lächelte den Mann dabei freundlich an und sammelte alle Biederkeit, die er in sich auftreiben konnte, in seinem Gesichtsausdruck zusammen. Ein weitläufiges Akkordieren mit vielen Gesten und noch mehr Zahlen im Schnee kam zustande. Zu guter Letzt bekam der Per Hansen so viel Felle überlassen, als er verfrachten zu können glaubte, machte daraus vier Bündel und verstaute sie auf dem Pony. – – Der Per Hansen lachte, als er fortritt. »Ja, also dann in Gottes Namen!« sagte er und legte den Kurs nach Südost, wo so ungefähr eine Gamme mit ein paar Hallingern liegen mußte. –

Er verbrachte eine ganze Woche auf dieser Fahrt; als er endlich wieder heimkam, erzählte er nicht, wie weit hinein in Ost-Minnesota er gewesen, auch nicht, was er hatte aushalten müssen; er war zu müde und abgespannt. Und hier gab es auch so furchtsame Menschen. Aber er hatte viel von dem, was sie nötig brauchten, mitgebracht – und vierzig Dollar in der Tasche; die zählte er vor der Beret auf dem Tisch auf, um ihr eine Freude zu machen.

Er blieb zwei Tage daheim, am dritten ritt er wieder fort. »Du kannst dir doch denken, Beret, daß ich den Indianern die Felle bezahlen muß! Erwarte mich aber erst zurück, wenn du mich wieder vor dir siehst!« –

Im ganzen unternahm der Per Hansen drei solcher Fahrten; für die beiden letzten brauchte er nur je sechs Tage; er hätte auch noch eine vierte versucht, hätte er nicht anderes zu bedenken gehabt. Als er abschloß, legte er der Beret einhundertundvierzig Dollar auf den Tisch; und er hatte von jeder Fahrt Nötiges mit heimgebracht, Sachen, von denen er wußte, daß sie sie sich seit langem gewünscht.

Aber auf der letzten Fahrt froren ihm zwei Zehen ab. Das machte ihm viel zu schaffen, als sie das Saatgut von den Tröndern holen mußten. Die Saat mußten sie zusehen noch auf Schlittenbahn heimzubekommen. Er hatte nicht einmal Zeit zum Ausruhen gehabt, als es schon wieder davonging.

Die Fahrt machte er zusammen mit dem Hans Olsen. – Er fand, es sei das beste, zugleich etwas mehr auszurichten, wenn sie doch schon dieses Weges fuhren; und daher kaufte er sich eine einjährige Sterke von der Gurina Baarstad. Diese Sterke war rot und weiß gefleckt, und darum wurde sie Schönfleck getauft, als er mit ihr heimkam.

Die Beret äußerte nicht viel, weder wenn er reiste, noch wenn er heimkam. Das fand er freilich wunderlich; jetzt war sie doch mit dem Ihren seit langem fertig, war wieder gesund und frisch, soweit er sehen konnte? Sie hätte wenigstens sagen können, daß er jetzt schaffe wie ein tüchtiger Kerl! Sie sollte wissen, wie er geritten, daß er fast vor Müdigkeit vom Gaul gepurzelt war! O ja, ein paarmal war er gewiß gewesen, nicht mit dem Leben davonzukommen; aber – wozu es erwähnen! – Dennoch: sie hätte gern ein paar gute Worte für ihn übrig haben dürfen. – –

Aber das wurde wohl alles besser, wenn jetzt mit dem Frühling das gute Wetter kam! –


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