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X

Tönset'n und die Solumbuben warteten bereits auf sie. Gleich darauf kam's an den Tag, daß Tönset'n seinem Eheweibe gestern abend sofort bei der Heimkunft alles brühwarm anvertraut und demzufolge keines von beiden in der letzten Nacht Schlaf gekostet hatte.

– Tönset'n zappelte vor Ungeduld und wollte sogleich aufbrechen.

»Nein, das geht nicht an,« sagte der Per Hansen fest; »wir können doch nicht so Hals über Kopf loslegen. – Wie wollen wir uns denn bei ihnen verhalten?«

»Wegbekommen müssen wir sie!« fuchtelte Tönset'n aufgeregt.

»Akkurat! – die Frage ist bloß, auf welche Art?«

»Wir müssen halt versuchen, sie davon zu überzeugen, daß wir hier zufolge Gesetz und Recht wohnen,« meinte der Hans Olsen sanftmütig.

»Freilich!« fiel ihm der Per Hansen übergeschwind ins Wort. »Hast du dein Papier bereit, Syvert?«

Nein, das hatte Tönset'n nicht; er habe ja zwar auch daran gedacht, es vielleicht mitzunehmen; sei es aber am Ende nicht doch gar zu riskant? »Sie könnten's mir vielleicht wegnehmen, und dann stände ich schön da!«

Da aber trat der Per Hansen mündig auf. »Jetzt holst du sogleich das Papier, Syvert, damit wir endlich von der Stelle kommen! – – Wollen schon aufpassen, daß dich niemand antastet!«

Und dann gingen sie.

Unterwegs erklärte der Per Hansen ihnen noch einmal, wie sie es angreifen wollten: Der Henry und Tönset'n sollten die Sprecher sein, der Sam Dolmetscher. Und der Sam sollte richtig und vor allem schnell übersetzen. »Ich glaube, es ist das beste, daß der Henry anfängt, dann setzest du fort, Syvert, wenn du hörst, daß es dessen bedarf. Red' aber bloß nicht zu fix, Syvert! – Du weißt, du gerätst so leicht außer Atem, und wir haben ja den ganzen, langen Tag vor uns!« –

Tönset'n war überaus unzufrieden mit Per Hansens Plan, vermochte sich jedoch nicht zu Einwänden zu bequemen – es war ohnehin alles mitsamt so verkehrt, daß es schlimmer kaum werden konnte. Die Fremden schienen nicht verschlafen zu haben; trotz der frühen Morgenstunde waren alle bereits in voller Tätigkeit, als die fünf Männer zum Lager kamen. Zwei von den Wagen waren abgeladen, einige von den Männern machten sich an den andern Wagen zu schaffen, andere waren dabei, ein großes Zelt aufzustellen.

Der Per Hansen und der Henry gingen voran, dann kamen der Hans Olsen und der Sam; Tönset'n hatte anfangs mit den Vorangehenden Schritt gehalten, ging jetzt aber hinterher. –

»Hö-hö! Die wollen sich hier fest niederlassen, sieht's aus,« sagte der Per Hansen zu den Kameraden. »Jetzt bitte sie zuerst, uns ihre Papiere vorzuweisen, Henry, sodann die Merkzeichen – bestehe auf den Merkzeichen! Sprich anfangs nett zu ihnen, – – es macht auch nichts, siehst du, wenn du mit ihnen Possen treibst! Werden sie grob, so spaßest du bloß mit ihnen!«

Die fünf Männer grüßten im Herankommen; sie bekamen gleichgültig Bescheid; die Fremden schienen kein Mitteilungsbedürfnis zu haben und ließen sich nicht stören.

Was sie hier vorhätten, fragte der Henry. Dieser Quart sei seit langem schon in Besitz genommen.

So, das sei er also? Zwei von denen beim Zelt hielten inne und antworteten.

Ja; der Mann, dem der Quart gehöre, stehe hier neben ihm. – Der Henry wies auf den Hans Olsen. Der Mann habe seine Papiere mit, und jetzt sollten auch die Fremden ihre Papiere vorzeigen. Wenn das Landkontor zwei verschiedenen Personen dasselbe Landstück zugewiesen hätte, dann liege wohl ein Fehler vor, und es müsse möglich sein, ihn herauszufinden.

So, sie wollten also die Papiere sehen? Hatten sie aber auch Brillen mit ? – Ein schallendes Gelächter der andern begleitete diese Frage; der Spaßvogel lachte nicht gerade, er hielt den Kopf schief, und das Gesicht, war eine einzige höhnische Grimasse.

Der Sam übersetzte so gut und schnell er konnte.

Ja, meinte der Henry, und sein Ton wurde immer fester und entschiedener, sie seien gekommen, um sowohl Papiere als auch Eigentumszeichen zu sehen. In Sioux Falls sei eine Obrigkeit, wenn es einer solchen bedürfe. Sie hätten jetzt hier den ganzen Sommer gewohnt und dächten auch gar nicht daran fortzuziehen!

Der Per Hansen merkte an Henrys Tonfall, daß der jetzt seine Sache gut mache. »Recht so, Henry, gib's ihnen ordentlich!«

Der Grinsende warf den Vorhammer fort und kam herzu: »Allright, boys! Da die uns nicht auf unser Wort glauben, müssen wir's ihnen wohl schwarz auf weiß zeigen.« Die Papiere hätten sie zwar verschlossen und könnten gerad im Augenblick nicht gut heran, – das müsse auf später verschoben werden; jedoch die Eigentumszeichen wolle er ihnen zeigen. Aber sputen müßten sie sich; sie hätten hier viel zu tun, wollten noch pflügen und bauen, ehe der Schnee fiel!

Der Fremde begann, nach Westen zu gehen. Der Per Hansen war ihm dicht auf den Fersen; er ließ einen tiefsinnigen Seufzer gen Himmel steigen, daß das Gras sich inzwischen wieder hübsch aufgerichtet haben möge!

Der Mann schien wegen des Weges nicht im Zweifel zu sein. Als sie sich dem fraglichen Orte näherten, verlangsamte er seine Schritte und schob das Gras mit dem Fuß zur Seite. Der Per Hansen sah die bewußte Stelle zuerst, und beinahe hätte er sich vergessen und laut losgelacht. Ach ja, des Herrgotts Sonne und Regen hatten, seit er zuletzt hier gewesen, getan, was sie hatten tun sollen: auch nicht ein einziger geknickter Halm war zu entdecken! Übrigens irrte sich jetzt der Mann, auch ging zu weit nach Norden und zu weit nach Westen, ehe er hinkniete und sich umsah. – Er suchte und suchte die Kreuz und die Quer, anfänglich geschwind, als sei es die einfachste Sache von der Welt, das Merkzeichen zu finden; dann immer langsamer und vorsichtiger. – Jetzt fluchte er auch noch dazu greulich. So viel Englisch verstand der Per Hansen immerhin; kein Wunder übrigens, daß ein Mann sich unter sotanen Verhältnissen unbeherrscht äußerte!

Der Ire rief ein paar der andern zu sich heran. Ein kleiner Mann mit gelbrotem Haar und einem Gesicht so sommersprossig wie ein Heidehügel im Herbst kam aus dem Lager herüber. Und jetzt begannen die beiden leise miteinander zu verhandeln; sie warfen dem Hans Olsen einen Blick zu, kreuzten die ganze Linie ab, fanden aber nichts.

Der Hans Olsen verfolgte die Dinge, so gut er konnte. Das große, grobknochige Gesicht mit den kantigen Zügen, das sonst die fleischgewordene Ehrlichkeit in Person vorstellte, war jetzt sonderbar zu beobachten. Er sah die beiden Männer dort hin- und herlaufen, eifrig damit beschäftigt, zu beweisen, daß er ein Schurke sei, hörte aus Sams Übersetzung, mit welch freundlichen Bezeichnungen sie ihn bedachten, und hinter den schweren Zügen zeigte sich ein Erwachen; die großen Kinderaugen blickten erstaunt und hell, es schimmerte in ihnen; er bebte unbewußt.

Plötzlich gaben die beiden ihr Suchen auf, wechselten einige Worte miteinander und gingen, ohne einen Muck zu sagen, zum Lager zurück. Die fünfe folgten hinterher.

»Haben die nicht besseres Glück mit den Papieren,« meinte der Per Hansen, »dann steht's für sie nicht gut!«

Als die fünf zum Lager kamen, standen alle zwölf Mann in aufgeregter Unterredung dichtgeschart beisammen. Die Frauen waren nicht zu erblicken. Ein kräftig gebauter, stattlicher Mann löste sich aus dem Haufen; es schien der Führer zu sein. »Jetzt mußt du weiß Gott brav übersetzen!« flüsterte der Per Hansen dem Sam zu. – Aus den Mienen der Männer war leicht zu lesen, daß sich hier etwas zusammenbraue. Der Große hatte den Vorhammer in der Hand, auch das merkte sich der Per Hansen.

»Wo ist der, der behauptet, diesen Quart rechtmäßig zu besitzen?« höhnte der Mann.

»Diese beiden hier!« Der Henry zeigte auf Tönset'n und den Hans Olsen.

»Hat der Kerl denn nicht selber ein Maul, daß er den Schlund nicht aufmacht?« Der Ire sah aus, als wolle er den Henry verschlucken.

O, der sei allright; nur gerade Englisch könne er nicht schwätzen.

Der Sam übersetzte ständig so gut es ging.

Well, er möge ihn grüßen und ihm sagen, er sei ein Lump und ein Dieb, der eines Fremden Eigentumsmarke zerstört habe –!

Der Sam übersetzte leise und furchtsam.

Der Ire trat näher: Und wenn er und die andern sich jetzt nicht bald packten, und zwar schneller als üblich, so wolle er ihnen Eile beibringen!

Der Mann kam jetzt mit dem Hammer fuchtelnd dicht heran.

»Obacht!« rief der Per Hansen. »Jetzt donnert's gleich!«

Und das tat es auch wirklich, nur daß es um vieles schneller eintraf, als sie vorausberechnet hatten. Als nämlich der Hans Olsen den Mann so auf sich loskommen sah, stierte er ihn an; plötzlich hob sich der mächtige Oberkörper, er tat einen Schritt zur Seite, als wolle er ausweichen, und dann fuhr die linke Faust heraus und dem Mann hinters Ohr. Da krachte etwas und zerbrach; mit einem wüsten Brüllen sank der Mann zu einem Haufen zusammen.

»Jetzt aufgepaßt, Henry,« sagte der Per Hansen leise. »Nimm du jetzt deinen aufs Korn, dann werd' ich meinen schon kriegen! – – Halt! Wart ein wenig!«

Der Menschenknäuel vor einem der leeren Wagen schien ratlos zu sein. Der Hans Olsen starrte sie an, tat einen Schritt vor und stolperte über den Klumpen Mensch vor seinen Füßen. Als er wieder im Gleichgewicht war, hielt er inne, bückte sich, faßte mit beiden Fäusten in den Klumpen und warf den quer über die Köpfe der Männer auf den dahinter stehenden Wagen, – der wackelte bedrohlich unter der Wucht des fallenden Körpers. – – Und jetzt löste sich das Knäuel und nahm Reißaus über die Prärie.

Der Hans Olsen bebte. Er schien nicht bei klarem Bewußtsein zu sein.

Jetzt aber lief der Per Hansen zu ihm hin und klopfte ihn auf die Schulter: »Das sage ich, Hans Olsen, und das hab ich immer gesagt: Deinesgleichen gibt es nicht! – – Jetzt meine ich, gehen wir heim, – die Leut dort wollen kaum noch mit uns über unsere Quarte rechten!«

Hans Olsen kam wieder zur Besinnung; er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, seufzte schwer wie einer, der einen Anfall überwunden hat.

»Ich verfuhr gewiß ein wenig hart mit ihm; – es wäre das beste, du sähest einmal nach ihm, Per Hansen!«

Da lachte der Per Hansen. »Nein,« sagte er vergnügt, »hört jetzt einmal auf mich! Jetzt gehen wir gerad alle miteinander heim. Wenn der Tag etwas weiter vorgeschritten ist, werde ich gern bei denen nachschauen!« Und dabei blieb's. –

Tönset'n ließ sich nirgends blicken; er war schon lange weggerannt.

Im Laufe des Nachmittags ging der Per Hansen zu den Iren, um zu hören, ob sie der Hilfe bedurften; den Großen-Hans hatte er als Dolmetscher mit. Da war das ganze Lager auf die beiden Quarte gezogen, die westlich an Tönset'n und den Hans Olsen angrenzten.

Und der Per Hansen besuchte die Iren noch öfter. Ehe der dritte Tag um war, hatte er für über zehn Dollar an sie verkauft.

Die Iren siedelten sich im Westen an. Die jetzt gekommen waren, fuhren bald darauf wieder nach Osten zurück, um dem Herbstschnee zu entgehen; zeitig im nächsten Frühjahr kamen sie wieder und brachten viele Landsleute mit.


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